30.04.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
AG Mannheim
28.03.2024
2 K 123/23
ErbR 2024, 648
Durch Beschluss vom 16.11.2023 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Antragstellerin die Zwangsversteigerung zwecks Aufhebung der Gemeinschaft am streitigen Grundbesitz an. Die Beteiligten sind zu je 1/2 Miteigentümer, wobei ein Nacherbenvermerk im Grundbuch die Antragstellerin als nicht befreite Vorerbin ausweist.
Die Antragsgegnerin beantragte am 05.12.2023 die einstweilige Einstellung des Verfahrens, da Bereitschaft zum freihändigen Verkauf bestehe. Sie argumentierte, die Antragstellerin sei lediglich nicht befreite Vorerbin ihres Anteils und eine Versteigerung würde den Nacherben ihr späteres Erbe entziehen.
Nach mehreren Stellungnahmen erklärte die Antragstellerin am 24.01.2024, dass sie keine Vergleichsverhandlungen wolle. Am 12.02.2024 erklärte die Antragsgegnerin ihren Einstellungsantrag weiter aufrechterhalten zu wollen, da sich die Berechtigung der Antragstellerin als Miteigentümerin am gegenständlichen Grundbesitz lediglich auf die Rechtsstellung als nicht befreite Vorerbin beschränke. Sie betonte die Absicht des Erblassers, das Grundstück für seine drei Kinder aus erster Ehe zu sichern und nicht in eine Versteigerung zu geben. Mit Schriftsatz vom 04.03.2024 wiederholte die Antragsgegnerin diesen Standpunkt unter förmlicher Einlegung einer Vollstreckungserinnerung.
Die Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO ist zulässig sowie begründet und führt daher zur Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Das AG Mannheim stellt fest, dass die beanstandete Vollstreckungsmaßnahme verfahrensfehlerhaft gewesen sei.
Ein großer Teil der Literatur sei der Ansicht, dass der im Grundbuch eingetragene Vermerk über die Anordnung einer Nacherbschaft kein Hindernis für die Anordnung des Verfahrens zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft darstelle. Demzufolge seien die Nacherben lediglich am Verfahren zu beteiligen. Eine Versteigerung des Grundbesitzes sei jedoch zulässig. Die Vertreter dieser Ansicht beriefen sich diesbezüglich auf eine Entscheidung des BayObLG (Beschluss vom 14.12.1967 – BReg. 1 b Z 117/67), dessen zugrundeliegender Sachverhalt sich von der vorliegenden Konstellation allerdings dadurch unterscheide, dass der Antrag durch die Miteigentümerin gestellt wurde, welche nicht von der durch den Erblasser angeordneten Vor- und Nacherbschaft betroffen war.
Das AG Mannheim führt aus, dass der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls zunächst „echter“ Erbe des Erblassers sei und nach § 2112 BGB grundsätzlich frei über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände verfügen kann. Nur soweit eine der in §§ 2113-2115 BGB genannten Ausnahmen greift, sei die Wirksamkeit der vom Vorerben vorgenommenen Verfügungen zeitlich auflösend bedingt oder befristet durch den Eintritt des Nacherbfalls.
Auf die vorliegende Verfahrensart der Teilungsversteigerung sei § 2115 BGB nicht anwendbar, da diese Vorschrift ausschließlich Versteigerungen aufgrund von Geldforderungen betreffe. Eine unmittelbare Anwendung des § 2113 Abs. 1 BGB scheide bei Beantragung einer Teilungsversteigerung aus, da der Antrag und die Teilungsversteigerung keine Verfügung im Sinne des § 2113 I BGB darstellen. Der Ersteher des Grundstücks erwerbe das Eigentum durch Zuschlag gem. § 90 ZVG originär aufgrund Hoheitsakt.
Der Antrag auf Durchführung des Verfahrens zur Aufhebung der Gemeinschaft komme in seiner Wirkung jedoch faktisch einer Verfügung im Sinne des § 2113 Abs. 1 BGB gleich. Durch die Veräußerung des Grundstücks im Rahmen der Teilungsversteigerung verbleibe den Nacherben langfristig nur der an die Stelle des Grundstücks tretende Übererlösanspruch als Surrogat gemäß § 2111 BGB. Der Eigentumserwerb sei ihnen gegenüber wirksam und der im Grundbuch eingetragene Nacherbenvermerk anschließend zu löschen. Zudem habe der BGH die Stellung eines Antrags auf Durchführung der Teilungsversteigerung für den Fall verheirateter Ehegatten einer Verfügung gleichgestellt.
Das AG Mannheim stellt daher fest, dass § 2113 BGB entsprechend anwendbar auf die Stellung des Versteigerungsantrages durch einen nicht befreiten Vorerben sei, welcher lediglich in dieser Rechtsposition am Grundbesitz beteiligt ist und das Verfahren isoliert initiiert. Hierfür spreche Sinn und Zweck des § 2113 BGB, nämlich der Schutz des Nacherben und insbesondere die Wahrung von dessen Substanzerhaltungsinteresse. Zwar träte gem. § 2111 BGB im Falle der Versteigerung an die Stelle des Grundbesitzes der hierauf entfallende Anteil des Übererlöses als Surrogat, der ursprüngliche Nachlassgegenstand in Form des Grundstückes hingegen werde dem Nachlass entzogen.
Durch die Anordnung einer nicht befreiten Vorerbschaft bringe der Erblasser zudem regelmäßig seinen Willen zum Ausdruck, dass eine freie Veräußerung durch den Vorerben alleine nicht möglich sein soll. Zudem geht das Amtsgericht Mannheim davon aus, dass die Mehrheit der Erblasser, insbesondere die privat testierenden, der Auffassung seien, dass eine Veräußerung des Grundbesitzes gemäß § 2113 BGB ohne Mitwirkung der geschützten Nacherben dem Vorerben nicht möglich ist. Dies liege daran, dass lediglich die Veräußerung durch einen freihändigen Verkauf berücksichtigt wird, während die Durchführung einer Teilungsversteigerung nicht einbezogen ist.
Bei Annahme einer uneingeschränkten Möglichkeit des nicht befreiten Vorerben zur Stellung eines entsprechenden Antrags würde der Regelung des § 2113 Abs. 1 BGB faktisch keine Bedeutung mehr zukommen. Denn dem nicht befreiten Vorerben stünde dann jederzeit die Möglichkeit der Veräußerung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu. Somit liefe die Verfügung des Erblassers ins Leere.
Das Amtsgericht Mannheim hat sich mit der vorliegenden Entscheidung einer Mindermeinung angeschlossen, ohne sich mit den Argumenten der überwiegenden Ansicht der Rechtsprechung und Literatur angemessen auseinanderzusetzen.
Ob die Argumentation des AG, dass die wirtschaftlichen Folgen der rechtsgeschäftlichen Veräußerung und der Teilungsversteigerung identisch sind und der Wille des Erblasser regelmäßig auf den Erhalt der Substanz der Nachlasses gerichtet ist, eine planwidrige Regelungslücke zu begründen vermag, erscheint zweifelhaft – zumal der Nacherbe im Falle der Teilungsversteigerung beim Tod des Vorerben nach § 2111 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB einen Anspruch auf den Verteilungserlös (Surrogation) hat. Will der Erblasser eine Teilungsversteigerung von ausschließlich zum Nachlass gehörendem Grundbesitz sicher vermeiden, ist dafür keine analoge Anwendung des § 2113 Abs. 1 BGB erforderlich. Es genügt vielmehr eine letztwillige Anordnung des Erblassers, die die Auseinandersetzung dieser Erbengemeinschaft gemäß § 2044 Abs. 1 BGB ausschließt.
Gegen jede analoge Anwendung des § 2113 Abs. 1 BGB auf Erwerbe aufgrund von Hoheitsakten wie der Zwangsversteigerung spricht zudem, dass in den Beratungen der 2. Kommission zum BGB der Satz „Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die durch Urteil erfolgt“ gestrichen wurde, um klarzustellen, dass diese Norm ausschließlich rechtsgeschäftliche Verfügungen des Vorerben erfassen soll.