Die Beteiligung des nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG legitimierten Scheingesellschafters an Kapitalmaßnahmen und Strukturveränderungen

Anlässlich des 65. Geburtstags von Prof. Dr. Heribert Heckschen ist eine wunderbare Festschriftschrift entstanden. Um den darin enthaltenen Beiträgen mehr Aufmerksamkeit zu verleihen, veröffentlichen wir an dieser Stelle eine Zusammenfassung einzelner Beiträge und empfehlen deren Lektüre. Prof. Dr. Heribert Heckschen dankt allen herzlich, die an der Festschrift mitgewirkt haben.

 

Zusammenfassung des Beitrags von Walter Bayer/Philipp Selentin in:
Festschrift für Heribert Heckschen zum 65. Geburtstag, 2024, S. 83
 

Die Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG sorgt für mehr Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die Gesellschafter einer GmbH und ihrer Beteiligung am Unternehmen. Problematisch wird es jedoch, wenn Scheingesellschafter im Handelsregister eingetragen werden, was beispielsweise durch einen Kaufvertrag mit unwirksamer Abtretung oder bei Scheinerben eintreten kann. Insbesondere wenn ein Scheingesellschafter an einer Kapitalerhöhung oder Strukturveränderungen mitwirkt, ergeben sich eine Vielzahl von Problemen zwischen ihm und dem materiell berechtigten Gesellschafter. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Auswirkungen, welche sich für die neu entstehenden Geschäftsanteile in diesen Fällen ergeben können.

I. Grundsätze der Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG

Gemäß § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG besteht die Pflicht, unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Änderung bei den Anteilseignern eine neue Gesellschafterliste zu erstellen und beim Handelsregister einzureichen. Dadurch greift die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG, wonach im Verhältnis zur Gesellschaft unwiderlegbar nur derjenige als Gesellschafter gilt, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Neben der Gewährleistung von Transparenz und Rechtssicherheit soll die Gesellschafterliste für klare Verhältnisse zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern sorgen sowie Transaktionskosten bei Unternehmenskäufen senken und Missbrauch und Geldwäsche effektiv bekämpfen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass lediglich der Listengesellschafter Rechte gegen die GmbH geltend machen kann und diese im Grundsatz nur von ihm die Erfüllung von Pflichten einfordern kann. Erbringt die GmbH an den Listengesellschafter Leistungen, wie etwa Gewinnausschüttungen, so sind diese mit Rechtsgrund geleistet und haben Erfüllungswirkung. Auch wenn die Vorschrift lediglich das Innenverhältnis zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern betrifft, können ggf. auch Dritte geschützt werden, indem Beschlüsse unter Mitwirkung des Listengesellschafters nicht unter diesem Aspekt angefochten werden können. Auch nach Korrektur der Liste bleiben somit zuvor gefasste Beschlüsse wirksam. Die Gesellschafterliste hat außerdem keine Bedeutung für die materielle Rechtslage, sodass das Rechtsverhältnis zwischen dem wahren Gesellschafter und dem Listengesellschafter durch die Eintragung nicht berührt wird, sondern sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen richtet. Oftmals werden aus dem zugrunde liegenden Vertrag eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB oder im Einzelfall bei Verschulden des Listengesellschafters auch Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. Im Verhältnis zu Dritten bleibt der wahre Gesellschafter Inhaber des Geschäftsanteils, sodass nur er ihn abtreten kann oder seine Gläubiger ihn pfänden können. Die Eintragung des Scheingesellschafters kann demgegenüber zum gutgläubigen Erwerb führen, § 16 Abs. 3 GmbHG. 

II.  Kapitalerhöhung

Aufgrund der Legitimationswirkung der Listeneintragung, mit welcher der Eingetragene im Verhältnis zur Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern als unwiderlegbar berechtigt gilt, ist auch ein Kapitalerhöhungsbeschluss, an dem der Scheingesellschafter mitgewirkt hat, nicht aufgrund der fehlenden materiellen Berechtigung fehlerhaft und anfechtbar. Probleme ergeben sich jedoch im Hinblick auf die Zuordnung der neu entstehenden Geschäftsanteile und der Frage, ob diese dem materiell Berechtigten oder dem Scheingesellschafter zugerechnet werden.

1. Effektive Kapitalerhöhung

Im Rahmen der effektiven Kapitalerhöhung nach § 55 ff. GmbHG wird der Scheingesellschafter Partei des mit der GmbH abzuschließenden Übernahmevertrages, was ihn zur Leistung der festgesetzten Einlage verpflichtet. Nach der im Ergebnis zutreffenden herrschenden Meinung erwirbt auf diese Weise auch der Listengesellschafter und nicht der materiell Berechtigte die neuen Anteile.

Im Ausgangspunkt steht im Falle einer Kapitalerhöhung das Bezugsrecht auf die neuen Geschäftsanteile grundsätzlich dem wahren Gesellschafter als dem materiell berechtigten Inhaber zu. Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG ermöglicht es dem Listengesellschafter jedoch, das Bezugsrecht auszuüben, was ihm die GmbH auch nicht in Abrede stellen kann. Bei einer Kapitalerhöhung durch Aufstockung steht der einheitliche Geschäftsanteil materiell zum Teil dem wahren Inhaber des Altgeschäftsanteils vor Aufstockung und im Übrigen dem Listengesellschafter als dem materiell Berechtigten des neu übernommenen Anteils zu. Der insoweit materiell berechtigte Scheingesellschafter kann dabei die ihm zustehenden neuen Geschäftsanteile wirksam veräußern, ohne den Beschränkungen des § 16 Abs. 3 GmbHG zu unterliegen.

Bei Aufdeckung und Korrektur der Scheingesellschafterstellung hat der Listengesellschafter die (Alt-)Geschäftsanteile an den materiell Berechtigten herauszugeben, wobei die unter seiner Mitwirkung gefassten Beschlüsse nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG wirksam bleiben. Die aus der Kapitalerhöhung übernommenen neuen Geschäftsanteile hat der Listengesellschafter ebenfalls herauszugeben, da er mit diesem Erwerb in das Bezugsrecht des materiellen Gesellschafters „eingegriffen“ und somit keine dauerhafte Rechtsposition erlangt hat, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG sperrt dabei den Kondiktionsanspruch im Verhältnis zwischen dem Listengesellschafter und dem wahren Gesellschafter nicht. Problematisch ist jedoch, dass der Scheingesellschafter durch die Zahlung der Einlage eine Leistung gegenüber der GmbH erbracht hat, welche ihren rechtlichen Grund im Übernahmevertrag findet und selbst bei einer Korrektur der Gesellschafterliste als Rechtsgrund fortbesteht. Eine Aufhebung des Übernahmevertrags würde den Interessen des Rechtsverkehrs widersprechen, da nach der Lehre vom fehlerhaften Verband eine eingetragene Kapitalerhöhung grundsätzlich auch bei einem zugrundeliegenden relevanten Fehler als wirksam angesehen wird. Daher kann in der vorliegenden Konstellation ein Durchbrechen des Vorrangs der Leistungsverhältnisse gerechtfertigt sein und dem wahren Gesellschafter ein Direktkondiktionsanspruch gegen den Listengesellschafter eingeräumt werden, ohne den Kapitalschutz bei der GmbH zu gefährden.

2. Nominelle Kapitalerhöhung

Bei einer nominellen Kapitalerhöhung nach §§ 57c ff. GmbHG entstehen die neuen Geschäftsanteile ipso iure entsprechend den bisherigen Beteiligungsverhältnissen, womit stets der wahre Gesellschafter den neuen Geschäftsanteil erwirbt. Da ein abweichender Verteilungsbeschluss nach § 57j S. 2 GmbHG unwirksam wäre, hat die Eintragung des Scheingesellschafters in der Gesellschafterliste auch keine Auswirkungen auf die materielle Rechtslage. Die Befugnis zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte aus dem neu geschaffenen Anteil steht für die Dauer der Eintragung weiterhin dem Listengesellschafter in gleicher Weise zu wie im Hinblick auf den originären Geschäftsanteil. Die Herausgabepflicht im Innenverhältnis gegenüber dem wahren Gesellschafter bleibt demgegenüber unberührt.

III.  Umwandlungen und Strukturmaßnahmen nach dem UmwG

Hinsichtlich der Fragestellung, ob ein infolge Eintragung legitimierter Scheingesellschafter Umwandlungen und Strukturmaßnahmen wirksam (mit-)beschließen kann, ist die Rechtslage dagegen umstrittener. Lediglich die Ausgangslage, dass ein Umwandlungsbeschluss nicht aufgrund der Mitwirkung des Listengesellschafters angefochten werden kann, bleibt unbestritten, § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG.

1. Verschmelzung

Im gesetzlichen Regelfall der Verschmelzung werden für die untergegangenen Anteile am übertragenden Rechtsträger Anteile am übernehmenden oder neuen Rechtsträger gewährt, so dass sich hier ebenfalls die Frage stellt, wem diese neuen Anteile zustehen. Für den Scheingesellschafter wird nicht nur die Legitimationswirkung und die Bezeichnung im Verschmelzungsvertrag angeführt, sondern auch vorgebracht, dass sich der wahre Gesellschafter einer GmbH im Falle der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft nicht plötzlich in einer persönlich haftenden Gesellschafterstellung wiederfinden dürfe. Auch die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers dürften nicht durch das Einrücken einer anderen Person als des Listengesellschafters in den Gesellschafterkreis überrumpelt werden.

Letztlich werden jedoch nach dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Hs. 1 UmwG die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auch die Anteilsinhaber des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers. Da die neuen Anteile als Kompensation für die untergegangenen Anteile gewährt werden, müssen sie nach allgemeiner Meinung auch in der Person des wahren GmbH-Gesellschafter begründet werden. Denn unabhängig von der legitimierenden Wirkung der Listeneintragung hat diese keinen Einfluss auf die materielle Rechtslage. Darüber hinaus würde der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG überdehnt, wenn der wahre Gesellschafter der übertragenden GmbH auf diese Weise enteignet werden könnte. Auch die Systematik des Gesetzes spricht für diese Ansicht, da sich nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 UmwG Rechte Dritter an den untergegangenen Anteilen im Wege der dinglichen Surrogation an den neuen Anteilen im übernehmenden Rechtsträger fortsetzen und diese nicht stärker geschützt sein können als die Inhaberschaft des materiell berechtigten Gesellschafters.

Die Rechtslage ist somit vergleichbar mit der nominellen Kapitalerhöhung, da in beiden Fällen unabhängig von der fehlerhaften Eintragung in der Gesellschafterliste der wahre Gesellschafter berechtigt wird. Die Legitimationswirkung beschränkt sich demgegenüber lediglich auf die Möglichkeit der Mitwirkung des Listengesellschafters an der Beschlussfassung über die Verschmelzung und ggf. zur Einlegung von Rechtsbehelfen. Wird der Listengesellschafter bei dem übernehmenden Rechtsträger wiederum eingetragen, so setzt sich das Auseinanderfallen zwischen materieller Rechtslage und Legitimationswirkung nach der erfolgten Verschmelzung fort.

2. Formwechsel

Nach dem Grundsatz der Identität des Rechtsträgers und der Kontinuität der Mitgliedschaft werden bei einem Formwechsel der GmbH keine Anteile gewährt. Die Gesellschaft wechselt allein ihr Rechtskleid und damit auch die Art, nicht jedoch den Umfang der Beteiligung. Wird etwa eine GmbH in eine AG umgewandelt und alle GmbH-Gesellschafter zu Aktionären, so besteht keine Notwendigkeit, dem Listengesellschafter zum Nachteil des wahren Anteilsinhabers auch die Inhaberschaft an den künftigen Aktien zuzusprechen. Bei der Eintragung des Scheingesellschafters in das Aktienregister und der Ausgabe von Namensaktien bleibt seine Legitimation gegenüber der Gesellschaft jedoch nach wie vor bestehen, § 67 Abs. 2 AktG. 

IV. Fazit

Die Eintragung von Scheingesellschaftern in die Gesellschafterliste bringt erhebliche rechtliche Herausforderungen mit sich, insbesondere bei Kapitalerhöhungen, Strukturmaßnahmen und der Zuordnung von Geschäftsanteilen. Eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls ist erforderlich, um der Abwägung zwischen dem Schutz des Rechtsverkehrs und den berechtigten Interessen des materiellen Gesellschafters gerecht zu werden. Die hier dargestellten Aspekte bieten jedoch lediglich einen Überblick über die komplexen rechtlichen Fragestellungen rund um die Legitimationswirkung des Scheingesellschafters nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Für eine vertiefte Analyse der Problematik, insbesondere im Hinblick auf Sonderkonstellationen der Verschmelzung wie etwa bei einem Verzicht auf Anteilsgewährung, verweisen wir auf den vollständigen Beitrag von Walter Bayer und Philipp Selentin in der Festschrift für Heribert Heckschen zum 65. Geburtstag, 2024, S. 83.

 

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