Zusammenfassung des Beitrags von Dr. Christian Bochmann in:
Festschrift für Heribert Heckschen zum 65. Geburtstag, 2024, S. 117
I. Einführung
Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) hat in § 711 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB wesentliche Grundsätze an der Schnittstelle zwischen Gesellschaftsrecht und Erbrecht gesetzlich verankert, die bereits vorher unbestritten galten. Demnach fällt ein vererbbarer Gesellschaftsanteil kraft Gesetzes unmittelbar den Erben entsprechend ihrer Erbquote zu und führt ausnahmsweise zu einer Sondererbfolge (Singularsukzession). Die Vorschriften über die Erbengemeinschaft finden insoweit keine Anwendung. Eine noch wenig beachtete Frage in diesem Zusammenhang ist die gegenständliche Reichweite der Übertragung bei der Sondererbfolge: Welche Bestandteile eines Gesellschaftsanteils fallen in die Sondererbfolge, und was genau gehört zur Beteiligung? Auch wenn der Gesellschaftsanteil nicht in die ungeteilte Erbengemeinschaft übergeht, sondern ausschließlich auf den qualifizierten Erben gemäß der Nachfolgeklausel, bleibt der Anteil dennoch Teil des Nachlasses. Dies hat Konsequenzen für die Testamentsvollstreckung und mögliche Ausgleichsansprüche gegenüber den Miterben. Der vorliegende Beitrag untersucht, was Bestandteil des „Gesellschaftsanteils“ sein kann und wie das übrige Vermögen der ungeteilten Erbengemeinschaft zuzuordnen ist.
II. Die Entscheidung des OLG Schleswig vom 08.12.2021 – 9 U 86/20
Das Oberlandesgericht Schleswig befasste sich in einer neueren Entscheidung mit der Reichweite der Sonderrechtsnachfolge in einer Kommanditgesellschaft, insbesondere mit der Frage, ob Gesellschafterdarlehenskonten zur Sondererbfolge gehören. Im zugrunde liegenden Fall hatte der Erblasser als Kommanditist ein Darlehenskonto bei einer Gesellschaft, auf dem Mehrbeträge aus der Kommanditeinlage und Gewinnanteile gutgeschrieben waren. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine qualifizierte Nachfolgeklausel, die andere Erben ausschloss. Der Erblasser bestimmte in seinem Erbvertrag seine beiden leiblichen Söhne und deren Halbbruder zu gleichberechtigten Erben, vermachte jedoch seinen Kommanditanteil ausschließlich den leiblichen Söhnen.
Das Gericht entschied, dass die Kommanditbeteiligung des Erblassers gemäß der Nachfolgeklausel ausschließlich hälftig auf die leiblichen Söhne überging und der Halbbruder insoweit keine Ansprüche auf den Kommanditanteil hatte. Die zentrale Streitfrage des Falles, ob das Gesellschafterdarlehenskonto Teil der Sondererbfolge sei, entschied das OLG Schleswig dahingehend, dass das Darlehenskonto ebenfalls den leiblichen Söhnen zugeordnet wurde. Maßgeblich sei, dass der gesamte Gesellschaftsanteil – einschließlich aller Konten – auf die qualifizierten Nachfolger überging. Entscheidend sei in diesem Kontext, was die Parteien in den zugrundeliegenden vertraglichen Regelungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigten, was durch Auslegung der erbvertragsmäßigen Verfügung im Sinne von § 2278 BGB gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln sei. Fehle eine ausdrückliche Regelung, sei im Interesse der Rechtsklarheit davon auszugehen, dass alle mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten auf den Erwerber übergingen. Im Hinblick auf Forderungen gelte dies insoweit als dass diese im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aus dem Rechenwerk der Gesellschaft erkennbar seien. Eine Partei, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz geltend machen wolle, trage hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
III. Kritik
Das OLG Schleswig stützt seine Entscheidung auf Rechtsprechung, die im Kontext von Abtretungsverträgen unter Lebenden plausibel ist, jedoch nur bedingt auf (vertragliche) Verfügungen von Todes wegen angewendet werden kann. Der zugrunde liegende Fall betraf eine vertragliche Verfügung von Todes wegen, was die Übertragbarkeit von selbständigen Ansprüchen erschwert. Besonders die ältere Rechtsprechung legt nahe, dass Gewinn- oder Auseinandersetzungsguthaben häufig nicht der Singularsukzession unterliegen, sondern Teil des Gesamtnachlasses bleiben.
1. Vom OLG Schleswig angeführte Rechtsprechungsgrundsätze
Das OLG Schleswig berief sich zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung auf mehrere Entscheidungen. In einem Urteil befasste sich der BGH (Az. II ZR 120/62) mit der Übertragbarkeit von Sozialansprüchen und -verbindlichkeiten eines Gesellschafters. In diesem Zusammenhang stellte er fest, dass im Zweifel nur solche Ansprüche auf den Erwerber übergehen, die „bei Vertragsschluss bereits im Rechenwerk der Gesellschaft ihren Niederschlag gefunden haben, also insbesondere aus den Privat- und Darlehenskonten des Veräußerers ersichtlich sind“. Ansprüche, die nicht verbucht waren, verblieben beim Veräußerer, für die er weiterhin (allein) hafte. In einer anderen Entscheidung (Az. II ZR 163/85) bekräftigte der BGH diesen Grundsatz im Hinblick auf die Frage, ob ein Gesellschafter eine Darlehensforderung aus nicht entnommenen Gewinnen nach Wirksamwerden der Übertragung seines Kommanditanteils an einer GmbH & Co. KG noch abtreten konnte. Der BGH entschied auch hier, dass im Zweifel diejenigen Geldansprüche und -verpflichtungen aus der Vergangenheit, die Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits im Rechenwerk der Gesellschaft ihren Niederschlag gefunden haben, auf den Erwerber übergehen. In zwei obergerichtlichen Entscheidungen des OLG Koblenz (Az. 12 U 957/04) und des OLG Köln (Az. 22 U 139/99) wurde bestätigt, dass Darlehensforderungen eines Kommanditisten, die auf Gesellschafterdarlehenskonten erfasst waren, bei der Übertragung von Anteilen nicht automatisch auf den Erwerber übergingen, wenn sie zum Zeitpunkt der Übertragung noch nicht im Rechenwerk sichtbar waren.
Sämtliche vom OLG Schleswig zitierten Entscheidungen betonten jedoch, dass keine allgemeinen Aussagen über den Verbleib selbständiger Gesellschafterrechte bei Anteilsübertragungen getroffen werden könnten. Vielmehr hänge die Übertragbarkeit maßgeblich von den konkreten Vereinbarungen der Parteien und damit von der Auslegung der zugrunde liegenden Parteivereinbarung ab. Entscheidend sei außerdem, ob das in Rede stehende Recht als „selbständig“ eingeordnet werden könne und als eigenständige Forderung im Rechenwerk der Gesellschaft verankert sei.
2. Unergiebigkeit älterer Rechtsprechung für Verfügungen von Todes wegen
Die frühere höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Reichweite der Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile wenig hilfreich, da diese hauptsächlich Fälle von lebzeitigen rechtsgeschäftlichen Verfügungen zum Gegenstand hat. Diese erfolgen typischerweise in Form von Abtretungsverträgen gemäß §§ 413, 398 BGB, bei denen der Wille der Vertragsparteien entscheidend ist und für welche die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB gelten. Die vorliegende Sondererbfolge betrifft jedoch eine Verfügung von Todes wegen und unterliegt dem Abspaltungsverbot gemäß § 711a BGB, was bedeutet, dass bestimmte Rechte und Pflichten der Gesellschafter nicht separat übertragen werden können. Davon nicht erfasst sind lediglich selbständige Sozialansprüche, Ansprüche auf Gewinne, auf Liquidationserlöse oder Forderungen, die außerhalb der Liquidation geltend gemacht werden können.
Während bei einer Übertragung zu Lebzeiten eine klare Einigung über die Übertragung von selbständigen Verbindlichkeiten oder Forderungen herbeigeführt werden kann, fehlen bei Verfügungen von Todes wegen solche spezifischen Regelungen über einzelne Rechte. Die Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB), welche bei einem Erbvertrag gilt, findet bei einseitigen letztwilligen Verfügungen des Erblassers, wie z.B. einem Testament, keine Anwendung. Darüber hinaus unterliegen einseitige Verfügungen ebenso wie erbvertragsmäßige Verfügungen dem gesetzlichen Typenzwang und verbieten eine Zuordnung von einzelnen dinglichen Rechten. Selbst eine Teilungsanordnung wirkt lediglich schuldrechtlich und kann keine Grundlage für eine Singularsukzession in Einzelrechte aus einer Mitgliedschaft schaffen.
3. Singularsukzession in Personengesellschaftsanteile als Ausnahme von der erbrechtlichen Universalsukzession
Grundsätzlich geht mit dem Tod des Erblassers der gesamte Nachlass ungeteilt auf die Erben über (§§ 1922, 2032 BGB), wobei einzelne Rechte und Pflichten nicht separat vom Nachlass abgetrennt werden können. Die Sondererbfolge wurde als Ausnahme vor dem MoPeG nicht ausdrücklich geregelt, jedoch als notwendige Konsequenz aufgrund der Unvereinbarkeit der personengesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft mit der Erbengemeinschaft allgemein anerkannt. Mit § 711 Abs. 2 BGB wurde die Sondererbfolge erstmals ausdrücklich gesetzlich verankert, um die Kontinuität der Mitgliedschaft sicherzustellen.
Aufgrund des Charakters der Universalsukzession im Erbrecht und den gesetzlichen Regelungen lässt sich die Reichweite der Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile daher nicht unmittelbar durch letztwillige Verfügungen bestimmen. Der Erblasser kann zu Lebzeiten Vermögen durch Umwandlung von Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital umschichten, was durch Zustimmung des Gesellschafters und unter gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen erfolgt. Forderungen, die in Eigenkapital umgewandelt werden, verlieren ihre Selbständigkeit und werden damit Teil des Gesellschaftsanteils. Sie unterliegen somit der Singularsukzession gemäß § 711 Abs. 2 BGB. Letztwillige Verfügungen können jedoch nicht unmittelbar über die Reichweite der Sondererbfolge disponieren, da dies dem Numerus clausus der Verfügungsarten und dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge widersprechen würde.
Die Frage, ob verselbständigte Vermögensrechte im Sinne von § 711a S. 2 BGB und entsprechende Verbindlichkeiten von der Sonderrechtsfolge erfasst werden, ist eng mit dem Konflikt zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht verbunden. Dabei löst der Grundsatz der Sondererbfolge diesen Konflikt zugunsten des Gesellschaftsrechts auf. Der Grundsatz der Universalsukzession dient dazu, den Nachlass sowohl für die Nachlassbeteiligten als auch für die Allgemeinheit als Einheit zusammenzuhalten und eine geordnete Abwicklung zu ermöglichen. Die Sonderrechtsnachfolge in Personengesellschaftsanteile soll dabei Widersprüche zwischen den individuellen gesellschaftsrechtlichen Pflichten und der gemeinschaftlichen Nachlassverwaltung (§ 2038 BGB) verhindern. Wird die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, so gelangt die Sondererbfolge nach h.M. hingegen nicht zur Anwendung, sondern der Gesellschaftsanteil an der Liquidationsgesellschaft wird zusammen mit dem übrigen Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft. Dies wird aus dem Wortlaut der Vorschrift § 711 Abs. 2 S. 1 BGB ersichtlich, wonach die Gesellschaft mit den Erben „fortgesetzt“ werden soll und sich damit die gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten bei der Liquidation nicht durchsetzen.
Sozialansprüche, wie etwa Gesellschafterdarlehen, bleiben selbst bei Fortführung der Gesellschaft (z.B. durch qualifizierte Erben) relevant, da sie als Forderungen gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden können. Diese Ansprüche werden nicht automatisch durch gesellschaftsrechtliche Mechanismen ausgeschlossen, sondern bleiben Teil des Nachlasses, was die Berechnung des Gesellschaftsanteils beeinflusst. Ein Konflikt zwischen Gesellschafts- und Erbrecht, der die Entziehung von Forderungen rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar. Selbständige Rechte können jedoch nur im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Vorgaben geltend gemacht werden, sodass die Gesellschaft diesbezüglich der Erbengemeinschaft gegenüber nicht schlechter dasteht als gegenüber dem ursprünglichen Gesellschafter. Sämtliche gesellschaftsvertragliche Einwendungen gelten daher auch weiterhin gegenüber der Erbengemeinschaft.
IV. Fazit
Die Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile stellt eine gesetzliche Ausnahme dar, die sowohl erbrechtliche als auch gesellschaftsrechtliche Interessen berücksichtigt. Gleichwohl bleibt eine Vielzahl offener Fragen zur Behandlung von selbständigen Ansprüchen im Sinne von § 711a S. 2 BGB, was insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Zuwendungen und der Verknüpfung mit Nachfolgeklauseln zu Unsicherheiten führen kann. Der vorliegende Artikel bietet jedoch lediglich einen Überblick über die zahlreichen Probleme, welche sich in diesem Kontext ergeben können. Für eine vertiefte Analyse verweisen wir auf den vollständigen Beitrag in der Festschrift von Christian Bochmann.