17.10.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
LG Frankenthal
15.04.2025
8 O 214/24
BeckRS 2025, 9385
Fehlende Widerrufsbelehrung kostet Gartenbauer den gesamten Lohn [ PDF ]
Einem Handwerker, der die Belehrung eines Verbrauchers über sein Widerrufsrecht unterlässt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeitsleistung kein Geld zu.
Im April 2024 beauftragte der beklagte Grundstückseigentümer den Kläger telefonisch mit Gartenbauarbeiten an seinem Grundstück. Der klagende Gartenbauer erbrachte die umfangreichen Arbeiten an dem völlig verwilderten Grundstück vollständig auftragsgemäß. Nach Abschluss der Arbeiten stellte er im Mai 2024 seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 EUR. Eine Zahlung des Grundstückseigentümers erfolgte nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom September 2024 erklärte dieser vielmehr den Widerruf seiner Willenserklärungen und rügte die Prüffähigkeit der Rechnungen. Daraufhin erhob der Gartenbauer Klage vor dem LG Frankenthal.
Das LG hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Ein Zahlungsanspruch des Gartenbauers gegen den Grundstückseigentümer besteht nach Auffassung des Gerichts nicht.
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB zur (Wieder-)Herstellung von Garten- bzw. Grundstücksflächen. Hieraus kann der Gartenbauer grundsätzlich die vereinbarte Vergütung für die erbrachten Arbeitsleistungen verlangen. Allerdings hat der Grundstückseigentümer seine abgegebenen Willenserklärungen wirksam widerrufen. Es handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 BGB, da alle Vertragsmodalitäten, sowie Angebot und Annahme auf dem betreffenden Grundstück besprochen bzw. erklärt wurden. Der Grundstückseigentümer ist Verbraucher gemäß § 13 BGB. Danach stand ihm nach § 312g Abs. 1 BGB gemäß § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Die Erklärung des Widerrufs erfolgte fristgerecht mit anwaltlichem Schreiben vom September 2024 gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB. Grundsätzlich beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB mit Vertragsschluss. Eine Abweichung hiervon regelt § 356 Abs. 3 S. 1 BGB. Danach beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor der Verbraucher entsprechend Artikel 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3 EGBGB über sein Widerrufsrecht belehrt worden sind. Eine solche ordnungsgemäße Belehrung ist hier weder vor Vertragsschluss noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. In diesem Fall gilt gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB die Höchstfrist für den Widerruf von einem Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss, die hier eingehalten wurde. Somit ist der Anspruch des Gartenbauers auf Werklohn vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung steht dem Gartenbauer auch kein Anspruch auf Wertersatz für die bereits erbrachten Leistungen zu. Hierfür ist nach § 357a Abs. 2 BGB in Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinie (Art. 14 der Richtlinie 2011/83) die ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3 EGBGB Voraussetzung. Dies gilt auch für sonstige in Betracht kommende bereicherungsrechtliche Ansprüche des Gartenbauers, denn die Sanktion der Richtlinie soll nicht durch die Anwendung anderer nationaler Normen ausgehebelt und umgangen werden. Das Gericht beruft sich hierzu auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 17. Mai 2023, Az. C-91/22), wonach die Sanktionierung den Unternehmer zur Einhaltung der gesetzlichen Informationspflichten anhalten soll.
Die Entscheidung des LG Frankenthal ist insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht kritisch zu betrachten. Faktisch wird das Verhalten eines Verbrauchers legalisiert, der von einer in Anspruch genommenen Leistung profitiert und im Nachgang die Zahlung unter Berufung auf Formverstöße verweigert. Diese Systematik lässt sich auch auf Dienstleistungsverträge übertragen. Auch in der anwaltlichen Praxis entfällt der Wertersatz, wenn § 356 Abs. 4 BGB und § 357 Abs. 8 BGB nicht eingehalten werden, beispielsweise in Fällen, in denen Mandanten über Onlineformulare oder per E-Mail Kontakt aufnehmen, eine Erstberatung erhalten und dann unter Hinweis auf eine fehlende Widerrufsbelehrung die Zahlung verweigern. Demnach sollten Werkunternehmer und Dienstleister vor einer Leistungserbringung auf eine nachweisliche Widerrufsbelehrung in Textform achten. In Fällen, in denen eine Leistung sofort erfolgt, sollte eine Verzichtserklärung auf das Widerrufsrecht aufgesetzt und die Zustimmung dokumentiert werden (Prof. Dr. Schließmann, beck-aktuell, Gastbeitrag vom 12. Mai 2025).