I. Einführung
In Deutschland müssen Vollmachten für wichtige Geschäftsvorgänge einer GmbH (z.B. die Gründung oder Anmeldung im Handelsregister) notariell beglaubigt werden. Hierdurch soll Rechtssicherheit gewährleistet und die Gläubiger geschützt werden. Da die Erteilung und Beglaubigung der Vollmachten aber oft im Ausland erfolgt, stellt sich die Frage, ob dies wirksam ist. Werden Unternehmen in Deutschland gegründet und haben sie auch ihren Sitz dort, ist für die Rechtsgültigkeit der Vollmachten grundsätzlich deutsches Recht entscheidend.
II. Anwendung der Ortsform
Für die Formgültigkeit von Vollmachten ist zunächst Art. 11 EGBGB maßgeblich. Dieser besagt, dass ein Dokument gültig ist, wenn es entweder den Formanforderungen des Rechts entspricht, das für das betreffende Geschäft gilt (Geschäftsstatut), oder den Formvorschriften des Landes, in dem es ausgeführt wird (Ortsform). Insbesondere die Ortsform kann für den Handelnden Vorteile bringen, weil viele ausländische Gesetze weniger strenge Anforderungen an die Form stellen. Da gerade das GmbH-Recht für viele Vorgänge spezielle Formanforderungen festlegt, wird diskutiert, ob die Zwecke dieser Formvorschriften wie Beweissicherung und der Schutz von Interessen Dritter die Anwendung von Art. 11 EGBGB ausschließen. Herrschend wird dazu angenommen, dass Art. 11 EGBGB nur auf Geschäftsanteilsabtretungen anwendbar ist, während er für GmbH Gründungen und andere wichtige Vorgänge im Gesellschaftsrecht nicht gilt.
III. Substitution
Als Folge stellt sich die Frage, ob Rechtsgeschäfte, die nicht unter die Ortsform fallen, zumindest durch eine ausländische Urkundsperson wirksam beglaubigt werden können. Der Bundesgerichtshof (BGH) bejaht dies, solange die ausländische Beglaubigung den deutschen Standards entspricht. Das bedeutet zum einen, dass die ausländische Urkundsperson ähnlich ausgebildet sein muss wie ein deutscher Notar. Zum anderen muss ein ähnliches Verfahren zur Identitätsfeststellung angewendet werden. In Deutschland unterschreibt die Person normalerweise in Anwesenheit des Notars, der dann in einem Beglaubigungsvermerk festhält, wer unterschrieben hat, dass es vor ihm geschah und wie die Person identifiziert wurde.
1. Beglaubigung per Unterschriftenabgleich reicht nicht (KG v. 03.03.2022 – 22 W 92/21 und OLG Karlsruhe v. 20.04.2022 – 1 W 25/22 (Wx))
Das KG und das OLG Karlsruhe entschieden über im Ausland erfolgt Beglaubigungen, bei denen die unterschreibenden Personen nicht anwesend waren. Stattdessen hatten die Notare die Unterschriften mit anderen, ihnen bereits vorliegenden Signaturen, verglichen. Beide Gerichte bestätigten, dass dieses Verfahren nicht mit einer deutschen Beglaubigung vergleichbar sei. Denn die Unterzeichnenden waren nicht persönlich anwesend und es gab keinen Nachweis, wie die Identität der Personen festgestellt wurde. Gerade die Identitätsprüfung ist in Deutschland aber ein wichtiger Teil des Beglaubigungsprozesses, ein Abgleich von Unterschriften reicht dafür nicht aus.
2. Online-Beglaubigung (OLG Celle v. 01.08.2022 – 9 W 62/22)
In einem Fall des OLG Celle, wurde die Vollmacht für die Gründung einer GmbH von einem österreichischen Notar über elektronische Kommunikation beglaubigt. Dies ist gemäß § 79 Abs. 9 der österreichischen Notariatsordnung erlaubt. Das OLG ging von einer Vergleichbarkeit aus, da Deutschland und Österreich ähnliche Anpassungen ihrer Gesetze vorgenommen haben. Auch in Österreich gäbe es durch die Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit eine optische und akustische Verbindung, wodurch eine lückenlose Überprüfung möglich sei.
Eine Vergleichbarkeit der Verfahren ist indes eher abzulehnen. Obwohl in Deutschland Gesellschafter einer GmbH seit dem 01.08.2022 die Gründungsvollmacht digital beurkunden lassen können, erfordert dies ein spezielles, hoheitliches Videokommunikationssystem und ein zweistufiges Identifikationsverfahren. In Österreich genügt hingegen ein einfaches Identifikationsverfahren. Zudem entspricht das österreichische Online-Verfahren nicht den Sicherheitsstandards des deutschen Verfahrens.
3. Von der DONot abweichender Beglaubigungsvermerk (OLG Celle v. 28.12.2022 – 9 W 104/22 und OLG Bremen v. 14.12.2021 – 2 W 31/21)
In zwei anderen Fällen wurden Beglaubigungsvermerke kritisiert, die von ausländischen Notaren erstellt wurden. Die Vorgerichte fanden, dass die Vermerke nicht gleichwertig mit deutschen Vermerken seien, da die Personen nicht ausreichend identifiziert wurden. Das OLG Bremen bestätigte diese Ansicht, während das OLG Celle eine andere Meinung vertrat. Es argumentierte, dass die im konkreten Fall vorgelegten Unterlagen ausreichten, um die Identität der Unterzeichnenden festzustellen.
Die Argumentation des OLG Celle überzeugt, da Registergerichte zusätzliche Identifikationsmerkmale gemäß § 26 FamFG verwenden können. Außerdem bedeutet ein gegenüber dem DONot verkürzter Beglaubigungsvermerk nicht zwangsläufig, dass die Unterschriftsbeglaubigung nicht gleichwertig ist. Dies ist vielmehr am Einzelfall zu überprüfen.
IV. Fazit
Da Art. 11 EGBGB und somit auch die Ortsform zumindest in den meisten praktisch bedeutsamen Fällen wie der Handelsregisteranmeldung oder GmbH Gründung nicht anwendbar sind, kommt es maßgeblich darauf an, ob das Beglaubigungsverfahren im Ausland vergleichbar mit dem in Deutschland ist. Obwohl die Anforderungen an die Gleichwertigkeit der ausländischen Beglaubigung nicht zu hoch anzusetzen sind, ist es zur Vermeidung von Problemen sicherer, sich an die höheren Standards der bisherigen Rechtsprechung zu halten. Der Sinn der Beglaubigung der Unterschrift muss gewahrt sein. Dies ist bei Fernbeglaubigungen ohne Einhaltung eines dem deutschen Recht vergleichbaren Verfahrens oder beim bloßen Unterschriftsabgleich grundsätzlich nicht der Fall. Es ist auch ratsam, ausländische Notare darum zu bitten, Beglaubigungsvermerke nach deutschem Vorbild zu verwenden.