25.07.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
26.02.2025
IV ZB 37/24
BeckRS 2025, 5223
Verpflichtung eines geschäftsunfähigen Auftraggebers Notarkosten zu zahlen [ PDF ]
Ein – für den Notar nicht erkennbar – geschäftsunfähiger Auftraggeber ist unabhängig von der Art der notariellen Tätigkeit zur Zahlung der Notarkosten verpflichtet. Die Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit in §§ 104 ff. BGB sind auf Aufträge an einen Notar weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Im August 2021 wandte sich die geschäftsunfähige Beteiligte zu 1 (nachfolgend: die Beteiligte) an den Beteiligten zu 2 (nachfolgend: der Notar). Grund hierfür war, dass die Beteiligte ihren früheren Bankberater adoptieren, ihn als Alleinerben einsetzen und ihm eine umfassende Vollmacht erteilen wollte. Der Notar beriet sie dazu in mehreren persönlichen Gesprächen. Nachdem die Beteiligte ihm im September 2021 mitgeteilt hatte, das Vorhaben nicht weiterzuverfolgen, stellte der Notar am 6. Dezember 2021 eine Kostenrechnung über 3.531,32 € aus. Grundlage war eine 0,5-fache Beratungsgebühr nach Nr. 24201 i. V. m. Nr. 24200 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG, berechnet auf Basis eines Geschäftswerts von 3.600.000 €.
Auf Antrag der Beteiligten hob das Landgericht die Kostenrechnung mit Beschluss vom 8. Juni 2022 auf. Das Kammergericht wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück. Hiergegen richtet sich nun die Rechtsbeschwerde des Notars.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hatte in der Sache Erfolg. Anders als das Beschwerdegericht nahm der Senat einen gegen die Beteiligte bestehenden Gebührenanspruch an. Zu Unrecht habe das Beschwerdegericht eine Kostenhaftung der Beteiligten aus § 29 Nr. 1 GNotKG abgelehnt. Ein – für den Notar nicht erkennbar – geschäftsunfähiger Auftraggeber sei zur Zahlung der Notarkosten verpflichtet.
Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur gehe davon aus, dass eine unerkannt geschäftsunfähige Person jedenfalls dann die Kosten zu tragen habe, wenn sie den Notar mit einer Beurkundung beauftragt habe, da der Notar diese Tätigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO nicht ohne ausreichenden Grund verweigern dürfe; eine darüberhinausgehende Meinung nehme eine Kostenhaftung für jede Tätigkeit des Notars an. Eine andere Ansicht wende dagegen die §§ 104 ff. BGB entsprechend auf den Notarauftrag an und lehne daher jede Kostenhaftung des Geschäftsunfähigen ab.
Der Senat schloss sich der zweitgenannten Ansicht an und lehnte sowohl eine unmittelbare als auch eine entsprechende Anwendbarkeit der §§ 104 ff. BGB auf Aufträge an einen Notar ab. Er stellte zunächst fest, dass nach § 29 Nr. 1 GNotKG Kostenschuldner sei, wer dem Notar den Auftrag erteile oder den Antrag gestellt habe, wobei unter den Begriff des Auftrags jedes an den Notar gerichtete Ansuchen falle, das auf die Vornahme einer notariellen Amtstätigkeit gerichtet sei, mithin auch das vorliegende Beratungsanliegen.
Die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit in §§ 104 ff. BGB seien hier aber bereits deshalb nicht unmittelbar anwendbar, da es sich dabei nicht um eine privatrechtliche Willenserklärung des Auftraggebers handele. Der Notar nehme seine Amtsgeschäfte aufgrund seiner Eigenschaft als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege wahr (§ 1 BNotO); das Rechtsverhältnis, in dem er zu den Beteiligten stehe, sei – obwohl das Gesetz in § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BNotO vom „Auftraggeber“ des Notars spricht – kein privatrechtlicher Vertrag, wobei dies sowohl für die Urkundstätigkeit als auch für Amtstätigkeit im Sinne der §§ 23, 24 BNotO Anwendung finde, mithin auch für die „sonstigen Betreuungsgeschäfte“. Der Auftrag im Sinne von § 29 Nr. 1 GNotKG stelle daher eine Verfahrenshandlung dar und der Kostenanspruch des Notars sei öffentlich-rechtlicher Natur.
Auch eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. BGB auf den Notarauftrag scheide aus, da es bereits an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle. § 29 Nr. 1 GNotKG übernehme den Grundsatz der Antragstellerhaftung bzw. Auftraggeberhaftung (es schuldet derjenige die Kosten, der die Tätigkeit „veranlasst“ hat) aus § 2 Nr. 1 KostO, der für Gerichtsverfahren und Notarauftrag (§ 141 KostO) gleichermaßen gegolten habe. Obwohl vor Erlass des GNotKG 2013 die zur Kostenordnung ergangene Rechtsprechung, die eine Kostenhaftung des unerkannt geschäftsunfähigen Auftraggebers annahm, bekannt war, habe der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, eine entsprechende Ausnahme zugunsten Geschäftsunfähiger anzuordnen.
Der Charakter des Notarauftrags als Verfahrenshandlung, die eine Tätigkeit als Amtsträger veranlasse, umfasse nicht nur die Urkundstätigkeit, sondern auch die sonstige Betreuung auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO und damit auch die Beratung der Beteiligten. Die fehlende Anwendbarkeit der §§ 104 ff. BGB beruhe nicht darauf, dass der Notar zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet sei, sondern darauf, dass das Kostenschuldverhältnis ohne Mitwirkung des Notars ohne weiteres zustande kommt. Zwischen der Urkundstätigkeit, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO nicht ohne ausreichenden Grund verweigert werden kann, und einer Beratung, deren Ablehnung im pflichtgemäßen Ermessen des Notars stehe, bestehe daher für die Kostenhaftung eines geschäftsunfähigen Auftraggebers kein durchgreifender Unterschied.
Der BGH verkehrte die Entscheidung des KG in ihr genaues Gegenteil, indem er das gebührenrechtliche Veranlasserprinzip entgegen der wohl herrschenden, auch der Ausgangsentscheidung des LG Berlin zugrunde liegenden, Meinung auch auf notarielle Amtstätigkeiten außerhalb der im Sinne des § 15 Abs. 1 BNotO verpflichtenden Beurkundungen und damit auf sämtliche Notargeschäfte anwendet. Die Entscheidung sorgt damit aber gleichzeitig endgültig für Rechtssicherheit bei der Erhebung von Notargebühren in Fällen potenzieller Geschäftsunfähigkeit. Die Entscheidung ist uneingeschränkt zu begrüßen – insbesondere, weil die vom KG vertretene Auffassung in der notariellen Praxis zu finanziellen Fehlanreizen geführt hätte. Es ist in der Praxis häufig der Fall, dass Testamente und Vorsorgeurkunden erst sehr spät – oft in notariellen Haus- oder Klinikterminen – errichtet werden. Nicht unüblich ist es, dass es dann nach dem Tod oder bei später festgestellter Geschäftsunfähigkeit zu (gerichtlichen) Auseinandersetzungen kommt, in denen eine Testier- oder Geschäftsunfähigkeit bereits zum Beurkundungszeitpunkt behauptet wird. Ohne die nun erfolgte Klarstellung durch den BGH hätte in solchen Fällen auch der Gebührenanspruch für diese aufwändigen und wenig beliebten Auswärtstermine entfallen können – mit erheblichen Folgen für die notarielle Vergütungspraxis.