Wachstumschancengesetz passiert den Vermittlungsausschuss

Nachdem der Vermittlungsausschuss kürzlich einen Kompromissvorschlag unterbreitet hat, bestätigte der Bundestag das geänderte Wachstumschancengesetz am 23.02.2024. Nunmehr steht noch die Zustimmung des Bundesrates in der Sitzung am 22.03.2024 aus. Im Folgenden stellen wir Ihnen die aus unserer Sicht besonders relevanten voraussichtlich kommenden Änderungen unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses kurz vor:

 

1.    Keine Steuerfreigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung

Die ursprünglich vorgesehene Steuerfreigrenze von 1.000,00 € für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung wurde im Zuge der Änderungen des Vermittlungsausschusses gestrichen.

 

2.    Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude

Gebäude, die Wohnzwecken dienen und die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, sollen degressiv in Höhe von 5 % (anstelle der zunächst vorgesehenen 6 %) abgeschrieben werden können. Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung soll die Abschreibung zeitanteilig erfolgen. Der Steuerpflichtige soll ein Wahlrecht erhalten, zur linearen Abschreibung für Abnutzung wechseln zu können.

Solange die degressive Abschreibung für Absetzung vorgenommen wird, sollen keine Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen vorgenommen werden können. Wenn diese eintreten, soll jedoch zur linearen AfA gewechselt werden können.

Die degressive AfA kann erfolgen, wenn mit der Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wird. Im Fall der Anschaffung ist die degressive AfA nur dann möglich, wenn der obligatorische Vertrag nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 rechtswirksam abgeschlossen wird.

 

3.    Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau

Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 soll eine Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau in Anspruch genommen werden können, wenn durch Baumaßnahmen auf Grund eines nach dem 31.08.2018 und vor dem 01.01.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 01.10.2029 gestellten Bauantrags oder in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige neue, bisher nicht vorhandenen, Wohnungen hergestellt werden, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 5.200,00 € je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. In diesem Fall kann dann eine Sonderabschreibung in Höhe von 4.000,00 € zukünftig in Anspruch genommen werden.

 

4.    Erweiterter Verlustrücktrag

Der bisher auf zwei Jahre beschränkte Verlustrücktrag soll auf drei Jahre ausgedehnt werden. Die bisher ab dem Veranlagungszeitraum 2020 geltenden Betragsgrenzen von 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € (Ehegatten) bleiben aber unverändert.

 

5.    Erweiterter Verlustvortrag

Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist es so, dass bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. € bzw. 2 Mio. € (Ehegatten) der Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich ist. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrages der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Für den Veranlagungszeitraum 2024 bis 2027 wird dieser Prozentsatz auf 70 % angehoben. Dies gilt dann entsprechend auch für die Körperschaftssteuer.


6.    Anhebung der Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte

Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sollen zukünftig steuerfrei sein, wenn der im Kalenderjahr erzielte Gesamtgewinn weniger als 1.000,00 € beträgt. Bei gemeinsamer Veranlagung von Eheleuten steht dieser Betrag beiden einzeln zu.

Für Grundstücksveräußerungen wird die Anhebung keine größere Rolle spielen. Die Anhebung kann jedoch insbesondere für Personen, die gelegentlich auf Internetplattformen Gegenstände veräußern, relevant werden, sodass Veräußerungsgewinne zukünftig auch bei einem Gewinn von 600,00 € bis 1.000,00 € steuerfrei sind.

 

7.    Energetische Sanierungsmaßnahmen

Die im ursprünglichen Wachstumschancengesetz vorgesehene Anhebung des steuerlichen Fördersatzes für energetische Sanierungsmaßnahmen ist im Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses weggefallen. Es bleibt dabei, dass für energetische Maßnahmen an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude eine Steuermäßigung im Kalenderjahr des Abschlusses der Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr um je 7 % der Aufwendungen, höchstens jedoch je 14.000,00 €, und im übernächsten Kalenderjahr um weitere 6 % der Aufwendungen, höchstens jedoch 12.000,00 €, in Anspruch genommen werden können.

 

8.    Option zur Körperschaftsbesteuerung für alle Personengesellschaften

Nunmehr erhalten alle Personengesellschaften die Optionsmöglichkeit, zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren. Dies war bisher nur für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften möglich. Diese Optionsmöglichkeit soll ab dem Tag der Verkündung des Gesetzes möglich sein.

Mit der Ausdehnung der Optionsmöglichkeit wird eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft aus ausschließlichen steuerlichen Gründen fortan nicht mehr notwendig sein. Eine Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft kann jedoch weiterhin dann sinnvoll sein, wenn in das gesellschaftsrechtliche Haftungsregime der Kapitalgesellschaft gewechselt werden soll.

Im Unterschied zu einer echten Kapitalgesellschaft, bei der ein Zufluss bei einem beherrschenden Gesellschafter bereits mit dem Ausschüttungsbeschluss fingiert wird, ist bei Personengesellschaften ein solcher Beschluss gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen. Aus diesem Grund soll auch bei beherrschenden Gesellschaftern einer optierenden Personengesellschaft ein kapitalertragssteuerpflichtiger Zufluss erst bei der tatsächlichen Entnahme anzunehmen sein.

Dies bietet einen Vorteil gegenüber der Kapitalgesellschaft, da der Besteuerungszeitpunkt erst auf den tatsächlichen Kapitalzufluss abstellt und dadurch dann die Liquidität bei dem beherrschenden Gesellschafter tatsächlich schon eingetreten ist. Im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschluss ist die Liquidität zur Zahlung der Kapitalertragssteuer noch nicht zwangsläufig vorhanden.

 

9.    Umsatzsteuervoranmeldung

Auf die Übermittlung einer Umsatzsteuervoranmeldung wird bei Kleinunternehmen i.S.v. § 19 UStG grundsätzlich verzichtet. Zusätzlich sind Unternehmen von der Umsatzsteuervoranmeldung befreit, wenn die Umsatzsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000,00 € betragen hat. Bisher galt dies lediglich für Beträge von nicht mehr als 1.000,00 €.

Dies soll ab dem Besteuerungszeitraum 2025 gelten.

 

10.    Umsatzsteuererklärung von Kleinunternehmen

Kleinunternehmer sollen zukünftig grundsätzlich von der Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr befreit sein. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Finanzamt sie zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung auffordert oder ein Fall des § 18 Abs. 4a UStG vorliegt.

 

11.    Erbschaft- und Schenkungsteuer im Hinblick auf rechtsfähige Personengesellschaften

Im Hinblick auf die mit dem Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) eintretenden Rechtsänderungen wird durch das Wachstumschancengesetz klargestellt, dass das Transparenzprinzip und das Gesamthandsprinzip auch im Bereich der Erbschafts- und Schenkungsteuer fortgeführt werden. Bei einer Zuwendung an eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Erwerber. Bei einer Zuwendung durch eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Zuwendende.

 

12.    Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen

Anders als zunächst vorgesehen, bleibt es nach der nun geänderten Fassung des Wachstumschancengesetzes bei der Anzeigepflicht lediglich für grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Die Einführung einer Anzeigepflicht auch für bestimmte innerstaatliche Steuergestaltungen wurde abgelehnt.

Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund begrüßenswert, dass damit Mitteilungspflichten unterschiedlicher Personen nebeneinander eingeführt worden wären und sich somit die Gefahr eines unbeabsichtigten Verstoßes erhöht hätte. Eine solche Anzeigepflicht hätte auch auf zahlreiche Gestaltungen zur Steuerersparnis im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer Anwendung gefunden. Darauf hätten Notare bei möglicherweise betroffenen Gestaltungen hinweisen müssen.

 

13.    Buchführungspflicht

Zukünftig müssen nur noch gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, die für den einzelnen Betrieb einen Gesamtumsatz von mehr als 800.000,00 € erzielen bzw. einen Gewinn von mehr als 80.000 € erwirtschaften, Bücher führen. Bisher lag die Grenze bei 600.000,00 € Gesamtumsatz bzw. 60.000,00 € Gewinn.

Diese Regelung gilt für das Wirtschaftsjahr ab dem 31.12.2023.

 

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