BGH II ZB 1/24
Schlussbilanz bei Anmeldung einer Umwandlung

04.07.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
18.03.2025
II ZB 1/24
BeckRS 2025, 9869

Leitsatz | BGH II ZB 1/24

Die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG der Anmeldung einer Umwandlung beizufügende Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers kann auch nachgereicht werden, sofern dies zeitnah nach der Anmeldung geschieht. Das gilt unabhängig davon, ob die nachgereichte Schlussbilanz im Zeitpunkt der Anmeldung bereits erstellt war.

Sachverhalt | BGH II ZB 1/24

Die Beteiligte, eine im Handelsregister Düsseldorf eingetragene GmbH, beantragte am 30.8.2023 die Eintragung ihrer Verschmelzung rückwirkend zum 31.12.2022 auf ihren Alleingesellschafter und bisherigen Geschäftsführer gem. §§ 2 Nr. 1, 120 UmwG. Der Anmeldung waren die Anmeldung durch den Geschäftsführer und der Verschmelzungsvertrag samt Verschmelzungsbeschluss vom 29.08.2023 beigefügt sowie eine auf den 31.08.2022 datierende und am 24.03.2023 festgestellte Bilanz.

Das Registergericht wies die Gesellschaft mit Zwischenverfügung vom 01.09.2023 auf die Nichteinhaltung der Achtmonatsfrist gem. § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG hinsichtlich der Bilanz hin. Nach fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist wurde der Eintragungsantrag durch Beschluss vom 10.10.2023 abgelehnt. Mit der am 08.11.2023 eingelegten Beschwerde legte die Beteiligte eine neue Bilanz zum 31.12.2022 vor, festgestellt am 27.10.2023. Sowohl Register- als auch Beschwerdegericht hielten die Zurückweisung aufrecht. Die zugelassene Rechtsbeschwerde verfolgt den Antrag weiter.

Entscheidung | BGH II ZB 1/24

Die Rechtsbeschwerde bleibt erfolglos. Der BGH stellt fest, dass das Beschwerdegericht die Beschwerde der Beteiligten gegen die Ablehnung der Eintragung ihrer Verschmelzung mit unzutreffender Begründung, im Ergebnis aber zu Recht zurückgewiesen habe. § 17 Abs. 2 UmwG verlangt zwar nicht, dass die Schlussbilanz bei Anmeldung bereits vorliegt. Deren verspätete Vorlage führt im Ergebnis dennoch zur Zurückweisung.

Nach herrschender Meinung ist eine Anmeldung auch dann wirksam, wenn nicht alle Unterlagen vollständig eingereicht wurden, sofern eine Nachreichung – insbesondere nach gerichtlicher Zwischenverfügung – zeitnah erfolgt (vgl. u.a. OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 523 f.; Lutter/Decher, UmwG, 7. Aufl., § 17 Rn. 13; KK-UmwG/Erkens, 2. Aufl., § 17 Rn. 34, 40). Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG, § 25 Abs. 3 Satz 1 HRV.

Strittig ist, ob dies auch für die nach § 17 Abs. 2 UmwG erforderliche Schlussbilanz gilt. Eine Auffassung qualifiziert die Bilanz als zwingenden Bestandteil der Anmeldung, der spätestens mit Ablauf der Achtmonatsfrist vorliegen muss, andernfalls sei eine Nachreichung ausgeschlossen (vgl. Fronhöfer in Widmann/Mayer, UmwR, § 17 Rn. 95 ff.; LG Dresden, NotBZ 1997, 138). Die Norm sei als Ausschlussfrist zu verstehen, bei deren Versäumung selbst Wiedereinsetzung ausscheide.

Demgegenüber gestattet die wohl überwiegende Literaturmeinung eine Nachreichung der Bilanz, sofern dies zeitnah geschieht (u.a. OLG Jena, NZG 2003, 45; KK-UmwG/Erkens, 2. Aufl., § 17 Rn. 42; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG, 10. Aufl., § 17 Rn. 46 f.). Die Bilanz sei – anders als der Verschmelzungsvertrag, die Verschmelzungsbeschlüsse und die erforderlichen Zustimmungserklärungen – keine essentialia, die zur Prüfung der Eintragungsfähigkeit zwingend vorliegen müsse.

Zudem wird in der Literatur diskutiert, ob die Bilanz bereits im Zeitpunkt der Anmeldung erstellt sein muss. Die restriktive Auffassung fordert dies zur Vermeidung zu großer zeitlicher Distanz zwischen Umwandlungsstichtag und Informationsstand über das Vermögen (vgl. LG Frankfurt a.M., NZG 1998, 269; Heidinger/Knaier in Henssler/Strohn, 6. Aufl., § 17 Rn. 27 f.). Demgegenüber erlaubt die Gegenansicht auch die nachträgliche Erstellung, sofern die Bilanz auf einen innerhalb der Achtmonatsfrist liegenden Stichtag Bezug nimmt und kurzfristig eingereicht wird (vgl. BeckOGK UmwG/Rieckers/Cloppenburg, § 17 Rn. 89; Kallmeyer/Lanfermann, UmwG, 8. Aufl., § 17 Rn. 26).

Der BGH folgt der letztgenannten Auffassung. Die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG der Anmeldung einer Umwandlung beizufügende Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers kann auch nachgereicht werden, sofern dies zeitnah nach der Anmeldung geschieht. Das gilt unabhängig davon, ob die nachgereichte Schlussbilanz im Zeitpunkt der Anmeldung bereits erstellt war. Die Achtmonatsfrist des § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG gilt nur für den Abstand zwischen dem Stichtag der einzureichenden Bilanz und der Anmeldung der Umwandlung, nicht aber auch für den Abstand zwischen dem Stichtag der Bilanz und ihrer Erstellung oder Einreichung bei Gericht.

Dem steht der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 2 und 4 UmwG nicht entgegen Auch die Gesetzesmaterialien stützen die strengere Auslegung nicht. Weder aus dem Umwandlungsrechts-Bereinigungsgesetz (BR-Drucks. 75/94, S. 90) noch aus den Gesetzesbegründungen zu den pandemiebedingten Verlängerungen der Frist (BT-Drucks. 19/18110, S. 29) ergibt sich ein zwingender Zusammenhang zwischen Bilanzstichtag, Erstellung und Einreichung.

Die in der Literatur genannten, aber umstrittenen Zielsetzungen der nach § 17 Abs. 2 Sätze 1 und 4 UmwG einzureichenden Schlussbilanz – wie Bilanzkontinuität, periodengerechte Abgrenzung, Gläubigerschutz (§ 22 UmwG) sowie gegebenenfalls Kontrolle einer Kapitalerhöhung – rechtfertigen weder ein Erfordernis der Erstellung vor Anmeldung noch schließen sie eine kurzfristige Nachreichung aus (vgl. Kallmeyer/Lanfermann; Hörtnagl; Heidinger/Knaier; Schulte; KK-UmwG/Erkens; Bula/Thees, jeweils mit Nachw.).

Auch soweit § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG als Instrument zur Information der Gläubiger über die wirtschaftliche Lage des übertragenden Rechtsträgers verstanden wird (vgl. Heidinger/Knaier; Weiler, MittBayNot 2006, 377, 379 f.), trägt bereits die Höchstfrist von acht Monaten zwischen Bilanzstichtag und Anmeldung diesem Schutz hinreichend Rechnung. Eine Bilanz, die diesen Zeitraum einhält und nach Anmeldung – etwa auf richterlichen Hinweis – zügig nachgereicht wird, ermöglicht eine Prüfung ohne wesentliche Verzögerung. Derartige Verzögerungen sind auch bei anderen nach § 17 Abs. 1 UmwG erforderlichen Unterlagen zulässig. Demgegenüber bedarf eine endgültige Zurückweisung der Anmeldung, die wirtschaftliche Nachteile verursacht, einer klaren gesetzlichen Grundlage und muss verhältnismäßig sein. Allein das vorübergehende Fehlen einer stichtagsgerechten Bilanz rechtfertigt diese Maßnahme nicht.

Auch ob die Bilanz bei Anmeldung bereits erstellt war, ist unerheblich. Eine Differenzierung nach dem Grund des Fehlens lehnt der BGH ab. Maßgeblich bleibt allein, dass der Stichtag den Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG genügt und die Bilanz kurzfristig nachgereicht wird. Für den Gläubigerschutz ist allein die Aktualität der Daten entscheidend – nicht der Zeitpunkt der Erstellung oder Einreichung.

Ebenso überzeugt das Argument nicht, Verzögerungen aus der Sphäre des Antragstellers seien stets anders zu behandeln als solche des Gerichts (vgl. Heidinger/Knaier; Deutsches Notarinstitut, Gutachten 1996/97, Band IV, Nr. 36). Gläubiger unterscheiden nicht danach, woher eine Verzögerung rührt. Einem etwaigen Missbrauch, unvollständige Anmeldungen bewusst zur Fristwahrung einzureichen, wird bereits dadurch begegnet, dass als elementare Bestandteile der Verschmelzung wie Verschmelzungsvertrag, Zustimmungsbeschlüsse und Erklärungen fristgerecht eingereicht werden. Zudem darf die Bilanz nur innerhalb kurzer Frist nachgereicht werden. Der pauschale Hinweis auf potentielle „nachträglicher Manipulationsmöglichkeiten“ rechtfertigt kein strengeres Vorgehen (vgl. Weiler, MittBayNot 2006, 377, 379).

Im vorliegenden Fall hat das Registergericht die Eintragung zu Recht abgelehnt. Die Beteiligte reichte die Schlussbilanz nicht innerhalb der zulässigen Frist nach. Die Monatsfrist, die hier mit Zwischenverfügung vom 01.09.2023 eingeräumt wurde, ließ die Beteiligte ungenutzt verstreichen. Erst mit Beschwerde vom 09.11.2023 legte sie eine ordnungsgemäße Bilanz vor – mithin verspätet. Damit ist der Zeitraum, in dem eine Nachbesserung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinzunehmen gewesen wäre, deutlich überschritten.

Praxishinweis | BGH II ZB 1/24

Der BGH hat mit seiner aktuellen Entscheidung eine lange ungeklärte und für die Praxis äußerst relevante Frage klargestellt: Es besteht keine Pflicht, die Schlussbilanz bereits mit der Anmeldung einzureichen – eine zeitnahe Nachreichung ist aber zwingend erforderlich, um die Wirksamkeit der Anmeldung aufrechtzuerhalten. Erfolgt die Nachreichung nicht innerhalb der vom Registergericht gesetzten Frist (§ 382 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 3 HRV), ist die Eintragung der Verschmelzung zu versagen.
Kernpunkte für die Praxis ist dabei insbesondere, dass die Bilanz nicht bereits bei Anmeldung erstellt sein muss. Es genügt, wenn sie auf einen Bilanzstichtag innerhalb der gesetzlichen Achtmonatsfrist (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG) Bezug nimmt und zügig nachgereicht wird.

Trotz dieser Entscheidung sollte sichergestellt werden, dass eine stichtagsgerechte Schlussbilanz vorliegt und schon mit der Anmeldung eingereicht werden kann. Sollte dies aus bestimmten Gründen nicht möglich sein, sind Verzögerungen, insbesondere nach Fristsetzung durch Zwischenverfügung, unbedingt zu vermeiden. 
Andernfalls droht ein kostenintensives Scheitern des Eintragungsverfahrens der Umwandlung.