15.08.2022
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG München
16.06.2021
20 U 4632/20
MittBayNot 2022, 278
Angemessenheit einer Rückübertragungsverpflichtung bei Verstoß gegen Bauverpflichtung [ PDF ]
Der Kläger ist eine Marktgemeinde in Niederbayern, die einen Rückübertragungsanspruch aus einem notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück gegen den Beklagten geltend gemacht.
Der Kläger und der Beklagte schlossen im Jahr 1994 einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück mit dem Inhalt, dass der Beklagte sich dazu verpflichtet, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren nach Abschluss des Vertrages ein Wohngebäude zu errichten. Für den Fall, dass dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird, vereinbarten die Parteien, dass seitens des Beklagten eine Rückübertragungsverpflichtung an den Kläger besteht. Die Rückübertragungspflicht umfasst die kosten- und lastenfreien Rückübertragung des Eigentums an dem Vertragsgrundstück an den Beklagten als Käufer. Eine ausdrückliche Regelung für die Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts ist nicht in der Vertragsurkunde enthalten.
Der Beklagte führte die Bebauung des Grundstücks nicht durch, woraufhin der Kläger im Jahr 2014 die Rückübertragung des Grundstücks verlangte. Zwischen Ablauf der Frist zur Bebauung und der Geltendmachung des Rückübertragungsrechts lagen somit zwölf Jahre.
Die beantrage Klageabweisung des Beklagten in der Vorinstanz begründete dieser damit, dass der geltend gemachte Anspruch wegen Verstoßes gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung im Sinne von § 11 Abs. 2 BauGB nicht bestehe. Zudem sei der Rückübertragungsanspruch verjährt.
Dennoch wurde der Beklagte vom Landgericht Landshut dazu verurteilt, das Grundstück an den Kläger aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse daran habe, dass der Käufer der Bauverpflichtung nachkomme, da so Wohnraum geschaffen und Bodenspekulation verhindert werde. Außerdem ergebe sich aus dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung keine Pflicht zur Prämierung rechtswidrigen Verhaltens und mangels entsprechend substantiierten Vortrages des Beklagten läge auch keine Verjährung vor. Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein.
Das OLG München entschied abweichend zur Vorinstanz, dass dem Kläger kein entsprechendes Rückübertragungsrecht zustehe. Das OLG stützt seine Entscheidung auf § 11 Abs. 2 BauGB, der alleiniger Prüfungsmaßstab sei und wonach davon auszugehen sei, dass ein Wiederkaufsrecht mit einer derart langen Ausübungsfrist gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstoße. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei demgegenüber kein Prüfungsmaßstab. Unschädlich sei zudem, dass § 11 Abs. 2 BauGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht galt, da vorher der inhaltsgleiche § 6 Abs. 3 S. 4 BauGB-MaßnahmenG galt; § 11 BauGB habe lediglich eine klarstellende Funktion und sei eine Absicherung der bisher schon geltenden Rechtslage.
Für die Beurteilung der Rechtslage sei eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Vereinbarungen und der daraus resultierenden Belastungen sowie der Vorteile für den privaten Vertragspartner maßgeblich. In dem vorliegenden Fall seien insbesondere der nicht subventionierte Kaufpreis sowie die Länge der Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts gegeneinander abzuwägen.
Mangels ausdrücklicher Vereinbarung einer Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts sei diese durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, woraus sich die Vereinbarung einer Frist von 30 Jahren ergebe. Insbesondere da die Vereinbarung eines unbefristeten Wiederkaufsrechts nicht zulässig wäre und mangels abweichender privatautonomer Vereinbarung gelte hier die gesetzliche Höchstfrist gem. § 462 S. 1 BGB als vereinbart.
Sowohl bei der Geltung der 30-jährigen Frist als auch bei Geltung eines unbefristeten Wiederkaufsrechts sei jedoch das Gebot der Angemessenheit nach § 11 Abs. 2 BauGB verletzt. Der BGH bejahte die Angemessenheit einer 30-jährigen Frist bisher nur in dem Fall, dass mit der Frist die Zweckbindung der Subvention erreicht werden soll.
Bei einem Verkauf verbilligten Baulandes an einen privaten Käufer sei im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen (vgl. u.a. BGH, NJW 2019, 2602). In dem vorliegenden Fall sei jedoch kein Preisnachlass gewährt worden. Auch, wenn man in einem solchen Fall eine moderate Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts annähme, sei diese bereits abgelaufen, da die Gemeine erst über 20 Jahre nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages von ihrem Recht Gebrauch gemacht habe.
Somit sei die Vereinbarung zwischen den Beteiligten nach § 134 BGB unwirksam, sodass die der Kläger aus ihr keine derartigen Rechte ableiten könne. Es sei zudem unerheblich, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen werden könne, dass das Wiederkaufsrecht zumindest für einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten bleibe, da jedenfalls eine Frist von zwölf Jahren das zulässige Maß überschreite.
Mit dieser Entscheidung hat das OLG München darauf aufmerksam gemacht, wie hoch der Gestaltungsbedarf im Rahmen von Urkunden mit Rückübertragungsverpflichtungen bei Verstoß gegen die Bauverpflichtung ist. Die Entscheidung leidet zwar inhaltlich an einigen inhaltlichen und methodischen Mängeln. Legt man sie dennoch in der notariellen Praxis zugrunde, käme es in Bezug auf das Bestehen des Wiederkaufsrechts nicht darauf an, ob die Gemeinde tatsächlich eine unangemessen lange Frist abwartet, da allein die Möglichkeit dazu führen würde, dass die Klausel rechtswidrig und mithin nichtig ist. Somit könnte die Gemeinde kein Wiederkaufsrecht geltend machen und die Bauverpflichtungen wären praktisch nicht durchzusetzen. Hieraus würde wiederum ein hohes Haftungsrisiko für Notare folgen, unter anderem da solche Klauseln häufig verwendet werden und somit eine große Zahl an Wiederkaufsrechten betroffen wäre.
Um einem Rechtsverlust der Gemeinde vorzubeugen, empfiehlt es sich in der notariellen Praxis die Frage der Ausübungsfrist ausdrücklich zu regeln und eine Ausübungsfrist zwischen drei und sieben Jahren in den Vertrag aufzunehmen, insbesondere da die Anwendung der gesetzlichen Frist von 30 Jahren regelmäßig nicht zu einem befriedigenden Ausgleich der Interessen führt. Eine derartig lange Frist ist für die Zwecke der Gemeinde nicht erforderlich und belastet daneben den Bürger stark.