OLG Naumburg 12 U 23/23
Bindung an eine Gewinnverwendungsklausel bei Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen

13.05.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Naumburg
26.06.2023
12 U 23/23
NZG 2024, 158

Leitsatz | OLG Naumburg 12 U 23/23

  1. Kollidieren eine Vereinbarung der Gesellschafter über das Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr im Rahmen eines Geschäftsanteil-Kaufvertrages und das in § 29 Abs. 2 GmbHG den Gesellschaftern zugebilligte Ermessen, so hat die vertragliche Regelung grundsätzlich Vorrang gegenüber der Kann-Bestimmung des Gesetzes und beschränkt sie mithin jedenfalls im Verhältnis zum Altgesellschafter den Entscheidungsspielraum des Anteilserwerbers.
  2. Wenn aufgrund der bindenden Regelung des Geschäftsanteil-Kaufvertrages dem Altgesellschafter das Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr zusteht, dann ist ein Anteilserwerber, der durch den Kauf zum Alleingesellschafter der GmbH wird, grundsätzlich verpflichtet, einen Gewinnverwendungsbeschluss zu treffen, der die anteilige Auszahlung des Unternehmensgewinns an den ausgeschiedenen Gesellschafter vorsieht.

Sachverhalt | OLG Naumburg 12 U 23/23

Der Kläger hatte seinen GmbH-Geschäftsanteil an den Beklagten und Mitgesellschafter verkauft. Der Beklagte war fortan alleiniger Gesellschafter der GmbH. Der Geschäftsanteilskaufvertrag enthielt eine Gewinnverwendungsklausel, wonach das Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr dem Veräußerer zustehen sollte. Diese Gewinnverwendungsklausel hatten die Vertragsparteien wissentlich im Notartermin unterschrieben, obwohl im Vorfeld der notariellen Beurkundung eine abweichende Regelung vorgesehen war.

Der Beklagte beschloss später, dass für das betroffene Geschäftsjahr keine Gewinnausschüttung erfolgen soll. Der Kläger begehrte daraufhin im Wege einer Stufenklage Auskunft über den Jahresabschluss des Jahres seines Ausscheidens, um dann entsprechen die Leistungsklage auf Zahlung seines Gewinnanteils für das Geschäftsjahr beziffern zu können. Das LG Halle hatte die Klage abgewiesen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Berufung.

Entscheidung | OLG Naumburg 12 U 23/23

Die Berufung hatte Erfolg. Das OLG Naumburg hat den für den Auskunftsanspruch des Klägers erforderlichen begründeten Verdacht einer Vertragspflichtverletzung durch den Beklagten angenommen. Indem der Beklagte den Beschluss fasste, für das betroffene Geschäftsjahr keine Gewinnausschüttung vorzunehmen, habe er gegen seine Verpflichtung aus der Gewinnverwendungsklausel im Geschäftsanteilskaufvertrag mit dem Kläger verstoßen.

Zwar ist den Gesellschaftern bei dem Gewinnverwendungsbeschluss gem. § 29 Abs. 2 GmbHG, der einen Anspruch auf Zahlung des Gewinns an die Gesellschafter erst entstehen lässt, ein Ermessen eingeräumt. Der Beklagte war allerdings an die Gewinnverwendungsklausel des Geschäftsanteilskaufvertrags gebunden. Kollidieren eine solche Vereinbarung der Gesellschafter in einem Kaufvertrag über einen Geschäftsanteil und das den Gesellschaftern in § 29 Abs. 2 GmbHG zugebilligte Ermessen, so hat die vertragliche Regelung grundsätzlich Vorrang gegenüber der Kann-Bestimmung des Gesetzes. Sie beschränkt insoweit jedenfalls im Verhältnis zum Altgesellschafter den Entscheidungsspielraum des Anteilserwerbers. Enthält der Anteilskaufvertrag eine bindende Regelung, dem Altgesellschafter den Gewinn des laufenden Geschäftsjahres anteilig zukommen zu lassen, ist der Anteilserwerber grundsätzlich verpflichtet, einen Gewinnverwendungsbeschluss zu treffen, der die anteilige Auszahlung des Unternehmensgewinns des betroffenen Jahres an die Gesellschafter bzw. die ausgeschiedenen Gesellschafter vorsieht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer möglichen abweichenden Auslegung der Kaufvertragsklausel unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte der Klausel. Zwar ist bei der Auslegung einer Willenserklärung, wie sie dem Kaufvertrag zugrunde lag, nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Sofern die Vertragsbeteiligten aber die Vertragsklausel kannten, sich ihrer möglichen finanziellen Folgen bewusst waren und dennoch letztlich ohne weitere Verhandlung den Kaufvertrag unterzeichnet haben, stellt die Klausel das von den Vertragsparteien Gewollte dar.

Ein Absehen des Anteilserwerbers von einem entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss zugunsten des ausgeschiedenen Gesellschafters kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht. Eine solche Ausnahme kann gerechtfertigt sein, soweit der Gewinnauszahlungsanspruch des früheren Gesellschafters hinter die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft zurücktreten muss.

Praxishinweis | OLG Naumburg 12 U 23/23

Das Urteil des OLG Naumburg folgt der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Bindungswirkung einer Gewinnverwendungsvereinbarung im Geschäftsanteilskaufvertrag. Es sollte von Erwerbern von GmbH-Geschäftsanteilen als neuerliche Mahnung verstanden werden, sich nach Vollzug des Anteilserwerbs nicht ohne besonderen Anlass dazu hinreißen zu lassen, einen gegen die vereinbarte Gewinnverwendungsklausel verstoßenden Beschluss zu fassen. Wenngleich die Verlockung groß sein mag, löst sie in der Regel Schadensersatzansprüche des Altgesellschafters aus, von denen die Rechtsprechung nur in besonderen Fällen Ausnahmen zulässt.