BGH II ZB 15/22
Eintragung einer Sparkassenfusion im Handelsregister

02.08.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
19.09.2023
II ZB 15/22
NJW 2024, 449

Leitsatz | BGH II ZB 15/22

Eine nach landesrechtlichen Vorschriften erfolgte Vereinigung von Sparkassen (hier: nach § 28 I 1 Nr. 2 MVSpkG) ist analog §§ 33, 34 I HGB in das Handelsregister sowohl der aufgenommenen als auch der aufnehmenden Sparkasse einzutragen.

Sachverhalt | BGH II ZB 15/22

Die Ast. ist eine rechtfähige Anstalt des öffentlichen Rechts gem. § 1 I SparkassenG des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zum 1.1.2023 erfolgte nach landesrechtlichen Vorschriften (§ 28 I 1 Nr. 2 MVSpkG) eine Vereinigung der Ast. mit der Sparkasse P, indem die Ast. die Sparkasse P aufnahm und das Vermögen vollständig auf die Ast. überging.

Die Ast. hat eine Eintragung der Vereinigung der beiden Sparkassen durch Aufnahme im Handelsregister beantragt. Hierbei wurde auf die Gesamtrechtsnachfolge durch Übernahme des Vermögens der Sparkasse P als Ganzem hingewiesen.

Daraufhin hat das AG eine „Zwischenverfügung“ veranlasst und der Ast. aufgegeben, die Anmeldung zurückzuziehen. Die Beschwerde der AG war erfolglos. Schließlich wurde die Beschwerde durch das OLG zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diese war schließlich erfolgreich, sodass die Sache aufgehoben und an das AG zurückverwiesen wurde.

Entscheidung | BGH II ZB 15/22

Zunächst hat das Beschwerdegericht seine Entscheidung wie folgt begründet:

Zum einen kann kein erhebliches Interesse für die Eintragung der Vereinigung zweier Sparkassen in das Handelsregister ausreichend begründet werden. Das Gesetz (§§ 28, 29 MVSpkG) regelt lediglich die Vereinigung und Auflösung von Sparkassen und sieht keine Eintragung bei einer Vereinigung vor. Da Sparkassen in der abschließenden Aufzählung des § 3 I, II UmwG nicht genannt werden, kann auch nicht auf § 16 I 1 UmwG zurückgegriffen werden. Eine Analogiefähigkeit kommt hier aufgrund des § 1 II UmwG nicht in Betracht. Die Bestimmungen des UmwG können nicht auf Umwandlungen von Rechtsträgern angewendet werden, die im Sinne des UmwG nicht beteiligungsfähig sind.
 
Des Weiteren fehlt es an den Analogievoraussetzungen. Die Eintragung im Handelsregister hat nur deklaratorische Wirkung, da die Eintragung der Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz (§§ 19, 20 UmwG) eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Verschmelzung darstellt, wohingegen sich die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Vereinigung der Sparkassen aus dem Sparkassengesetz des Landes ergeben.

Da zudem kein Fall des Inhaberwechsels vorliegt, kann sich die Eintragungspflicht auch nicht aus § 31 I HGB ergeben. Ebenfalls kann nicht auf § 34 iVm § 33 HGB zurückgegriffen werden, da sich diese nicht auf die Vereinigung zweier juristischer Personen beziehen. Zudem sind die Vorschriften aufgrund ihrer Eindeutigkeit nicht auslegungsfähig. Für eine Analogiefähigkeit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Eine Eintragung kann auch nicht aus dem Sinn und Zweck des Handelsregisters hergeleitet werden. Hierfür fehlt es an einem erheblichen Bedürfnis des Rechtsverkehrs. Für die Kunden der aufgenommenen Sparkasse ändert sich nichts, sodass eine Informierung dieser über eine Pressemitteilung, über Aushänge der Sparkasse oder ähnliches, ausreichend ist.

Der BGH hingegen erachtet die Rechtsbeschwerde als begründet und argumentiert wie folgt:

Es liegen allein schon die Voraussetzungen für die angefochtene Zwischenverfügung nicht vor. Zudem hat diese keinen zulässigen Inhalt. Voraussetzung für den Erlass einer Zwischenverfügung ist das Vorliegen einer unvollständigen Registeranmeldung oder eines andern Eintragungshindernisses, das von dem Ast. behoben werden kann. Im Wege der Zwischenverfügung kann das Register den Ast. auf behebbare Mängel oder Fehler hinweisen, bevor es die Anmeldung zurückweist. Sofern jedoch ein unbehebbares Hindernis vorliegt, muss der Eintragungsantrag durch Beschluss gem. § 382 III FamFG abgelehnt werden.

Da das Registergericht vorliegend die angemeldete Eintragung endgültig nicht vornehmen möchte, hätte es die Anmeldung nach § 382 III FamFG sofort zurückweisen müssen. Zudem kann eine Zwischenverfügung nicht einen unbehebbaren Mangel aufzeigen und dem Ast. die Rücknahme seiner Anmeldung anweisen. Dies ist kein tauglicher Gegenstand und somit kein zulässiger Inhalt einer Zwischenverfügung.

Der Senat weist darauf hin, dass der Eintragungsantrag nicht aus den zuvor aufgeführten Gründen zurückgewiesen werden kann. Das Handelsregister dient grundsätzlich der Eintragung solcher Tatsachen und Rechtsverhältnisse, die entweder gesetzlich eintragungspflichtig oder eintragungsfähig sind. Darüber hinaus lässt die Rechtsprechung jedoch aufgrund der Publizitätsfunktion des Handelsregisters auch gesetzlich nicht vorgesehene Eintragungen zu, wenn ein erhebliches Interesse an der entsprechenden Information besteht. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Registerrecht streng formalisiert ist. Aus diesem Grund sollen gesetzlich nicht vorgesehenen Eintragungen auf die Fälle der Auslegung gesetzlicher Vorschriften, der Analogiebildung sowie der richterlichen Rechtsfortbildung beschränkt werden. Insgesamt ist darauf zu achten, dass das Handelsregister nicht unübersichtlich oder missverständlich wird.

Entsprechend der Ausführungen des Beschwerdegerichts geht auch der BGH davon aus, dass die Eintragung einer Vereinigung der Sparkassen nicht ausdrücklich geregelt ist.

Zum einen verfügt das Landesgesetzt über keine Vorschriften zur Eintragung. Zum anderen kann eine solche Eintragung nicht auf § 16 I UmwG gestützt werden, da Sparkassen als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 1 I MVSpkG) nicht als verschmelzungsfähige Rechtsträger gem. § 3 I, II UmwG eingeordnet werden können. Ferner behalten die Ast. ihren Namen, weshalb es nicht zu einem eintragungspflichtigen Inhaberwechsel iSd § 31 I Var. 2 HGB kommt. Schließlich ergibt sich eine Eintragungspflicht auch nicht unmittelbar aus §§ 33, 34 HGB, da weder eine Satzungsänderung noch eine Auflösung oder Änderung i.S.d. § 33 II 2 und 3 HGB angemeldet wurde.

Die Vereinigung ist jedoch analog §§ 33, 34 I HGB in das Handelsregister einzutragen. Die für eine Analogie notwendige planwidrige Regelungslücke wie auch vergleichbare Interessenlage sind gegeben.

Nach der Aufhebung des § 36 HGB aF müssen juristische Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 33 I 1 HGB angemeldet werden, wenn ihre Eintragung im Handelsregister unter Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebs zu erfolgen hat. Ebenso sind bei ihnen eintretende Änderungen entsprechend § 34 I HGB anzumelden. Dies hat den Hintergrund, dass auf die gewerblich tätige öffentliche Hand grundsätzlich dieselben handelsrechtlichen Pflichten anwendbar sein sollen wie auf jedes andere Rechtssubjekt. Der Geschäftsverkehr hat das Bedürfnis sich über die Rechts- und Vertretungsverhältnisse von Unternehmen der öffentlichen Hand schnell und einfach informieren zu können. Indem auf das Handelsregister zurückgegriffen werden kann, können die Rechtsverhältnisse für den Rechtsverkehr deutlich einfacher erkannt werden als durch das Nachschlagen der zutreffenden Gesetzes- und Amtsblätter. Zudem dient dies dem Ausbau des Handelsregisters zum zentralen und einheitlichen Publizitäts- und Informationsinstrument, welches unabhängig von der Organisationsform der kaufmännischen Betriebe und ihrer vertretungsbefugten Orange wie auch Personen Auskunft erteilt. Demzufolge sind im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck des § 36 HGB aF die Bestimmungen der §§ 33, 34 I HGB planwidrig lückenhaft.

§ 16 I 1 UmwG legt fest, dass Verschmelzungen nach §§ 2 ff. UmwG von den Vertretungsorganen jedes an einer Verschmelzung beteiligten Rechtsträgers zur Eintragung in das Handelsregister am Sitz ihres jeweiligen Rechtsträgers anzumelden sind. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Verschmelzung erst dann im Register des übernehmenden Rechtsträgers eingetragen werden darf, wenn die Verschmelzung im Register des Sitzes der übertragenden Rechtsträger eingetragen wurde. Die Wirksamkeit der Verschmelzung hängt somit von der Eintragung im Register des übernehmenden Rechtsträgers ab, § 20 I UmwG. Diese Bestimmungen gelten entsprechend § 3 I UmwG nicht nur für Verschmelzungen von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, sondern auch für den Anwendungsbereich der §§ 33, 34 HGB, welcher eingetragene Vereine i.S.d. § 21 BGB und wirtschaftliche Vereine iSd § 22 BGB umfasst.

Die speziellen Bestimmungen des Umwandlungsrechts haben ihren Ursprung im Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBergG). Das Gesetz wurde eingeführt, um die bis dahin unzureichend, unübersichtlich und unvollständig geregelten Optionen für eine Umstrukturierung von Unternehmen, in einem Gesetz zu systematisieren und zu erweitern. Gleichzeitig sollten bereits bekannte Methoden der Umstrukturierung eines Unternehmensträgers erhalten bleiben. Hierzu zählt die „Verschmelzung“ von Sparkassen aufgrund von Landesrecht. Aus diesem Grund können die verfahrensrechtlichen Regelungen des UmwG grundsätzlich nicht herangezogen werden. Der Gesetzgeber musste sich zum damaligen Zeitpunkt nicht mit einer deklaratorischen Eintragungspflicht der „Verschmelzung“ auseinandersetzen, da Sparkassen gem. § 36 HGB a.F. von der Eintragung in das Handelsregister ausgenommen waren. Im Zuge der Aufhebung des § 36 HGB a.F. hat der Gesetzgeber nicht mehr berücksichtigt, ob die Verpflichtung zur Eintragung juristischer Personen des öffentlichen Rechts nach § 33 I HGB auch bedeutet, dass ihre Vereinigung, die nicht in den Anwendungsbereich von § 3 I, II UmwG fällt, sondern gemäß § 1 II UmwG unter anderem wegen des Landesgesetzes möglich bleibt, im Handelsregister einzutragen ist.

Diese planwidrige Regelungslücke kann geschlossen werden, indem die stattgefundene Vereinigung analog § 33, 34 I HGB im Handelsregister eingetragen wird. Dies betrifft die aufgenommene wie auch die aufnehmende Sparkasse.

Gemäß den gesetzgeberischen Vorstellungen soll das Handelsregister auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Sparkassen, ein wichtiges Publizitäts- und Informationsinstrument darstellen. Die Aufgabe des Handelsregisters ist die Verlautbarung der für den Rechtsverkehr wesentlichen Tatsachen und Rechtsverhältnisse. Es hält die zentralen Unternehmensdaten für den Rechtsverkehr bereit und macht diese zugänglich. Aus diesem Grund müssen die Angaben zuverlässig, vollständig und lückenlos beurkundet sein. Da das Handelsregister außerdem ein öffentliches Register darstellt, wird den enthaltenen Eintragungen eine Bedeutung und Zuverlässigkeit mit materiell-rechtlichen Wirkungen beigemessen.

Da § 33 HGB eine vollständige Auskunft des Handelsregisters über alle Rechtsträger bezweckt, sieht er für solche juristische Personen eine Anmeldepflicht vor, die ein Handelsgewerbe betreiben und deren Eintragung nicht bereits durch spezielle Bestimmungen gesichert wird. Zusätzlich gewährleistet § 34 HGB, dass dem Handelsregister auch zuverlässige Informationen im Hinblick auf den aktuellen Stand wesentlicher Tatsachen und Rechtsverhältnisse des Rechtsträgers entnommen werden können.

Vereinigungen von Sparkassen sind als solche wesentlichen Tatsachen und Rechtsverhältnisse einzuordnen. In dem Zeitpunkt der Vereinigung durch Aufnahme, nimmt die aufnehmende Sparkasse das Vermögen der aufgenommenen Sparkasse als ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf. Gleichzeitig fallen die Organe der aufgenommenen Sparkasse weg, da sie in ihrer Rechtspersönlichkeit untergeht. Dementsprechend sind mit einer Vereinigung erhebliche Rechtsfolgen verbunden, sodass eine Eintragung im Handelsregister gem. §§ 33, 34 I HGB verpflichtend ist.

Für die aufgenommene Sparkasse gilt dies schon deswegen, weil der Beschluss einer Vereinigung einem Auflösungsbeschluss bzw. einer Satzungsänderung gleichgestellt werden kann. Zudem spricht die Publizitätsfunktion für eine Eintragung. Ansonsten würde die Öffentlichkeit über die Gesamtrechtsnachfolge im Unwissen bleiben und nicht über die wesentlichen Informationen verfügen, um Forderungen geltend zu machen. Zudem ist aufgrund der Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters, die Vereinigung auch in das Handelsregister der aufnehmenden Sparkasse einzutragen.

Des Weiteren ist in § 16 I 1 UmwG gesetzlich festgehalten, dass die Verschmelzung von zwei Rechtsträgern zu den zentralen Unternehmensdaten eines übernehmenden Rechtsträgers gehört. Daher sieht das Reglungskonzept vor, dass Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts eine deklaratorische Eintragungspflicht haben, wenn für juristische Personen in speziellen Gesetzen eine konstitutive Eintragungspflicht geregelt ist.

In diesem Rahmen wird auch sichergestellt, dass das Informationsangebot des Handelsregisters übersichtlich und vergleichbar ist. Dies hat den Hintergrund, dass der Rechtsverkehr nicht ohne Weiteres erkennen kann, warum die Vereinigung von Sparkassen im Gegensatz zu Verschmelzungen nach §§ 2 ff. UmwG nicht in das Handelsregister eingetragen werden soll. Schließlich wird durch eine Eintragung der Nachweis der Rechtsnachfolge im Rechtsverkehr erleichtert, indem ein Handelsregisterauszug angefragt werden kann. Den Nachweis von zentralen Unternehmensdaten lediglich über Originalunterlagen bzw. Abschriften zu führen, würde dem Zweck des Handelsregisters widersprechen.

Die Eintragung in das Handelsregister führt auch nicht dazu, dass das Handelsregister unübersichtlich oder missverständlich wird. Gemäß § 43 Nr. 6b ee HRV sind solche Eintragungen in das Handelsregister vorgesehen.

Praxishinweis | BGH II ZB 15/22

Um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten, ist bei einer nach landesrechtlichen Vorschriften erfolgten Sparkassenvereinigung eine analoge Anwendung der §§ 33, 34 I HGB anzuerkennen. Dementsprechend ist die Vereinigung in das Handelsregister der aufgenommenen wie auch in das der aufnehmenden Sparkasse einzutragen.