29.07.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
11.07.2023
I R 36/20
NZG 2024, 171
Die A-GmbH gründete 2014 die B-GmbH. Die A-GmbH und die B-GmbH schlossen einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV) mit Rückwirkung zum Jahresbeginn 2014. 2015 und 2017 wurden die A-GmbH bzw. die B-GmbH jeweils auf die Klägerin verschmolzen. Die B-GmbH ging steuerrechtlich von einer körperschafts- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft mit der Klägerin (= Organträgerin) aus. Das beklagte Finanzamt erkannte die Organschaft nicht an und verlangt für das Streitjahr von der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH Körperschaftssteuer, den Gewerbesteuermessbetrag, sowie die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Der von der Klägerin gegen die Bescheide eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Der von der Klägerin eingelegten Klage hat das FG erstinstanzlich in Teilen stattgegeben. Das beklagte Finanzamt beantragt mit der Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und mangels Spruchreife zur Zurückverweisung.
Zurecht hat das FG zunächst entschieden, dass die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 14 Abs. 5 S. 1 KStG auch die Statusfrage nach dem Bestehen einer körperschaftssteuerrechtlichen Organschaft im Sinne des § 14 KStG erfasst und dass im Streitfall die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG erfüllt war. Nicht ausreichend sind jedoch die Feststellungen des FG, ob im Streitjahr alle Voraussetzungen einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH vorgelegen haben. Diese gesonderten Feststellungen sind laut BFH nach § 14 Abs. 5 S. 2 KStG für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und der Organgesellschaft bindend. Auch der Status des Bestehens oder Nichtbestehens einer Organschaft werde zumindest „incidenter“ Gegenstand der in § 14 Abs. 5 S. 1 KStG angeordneten Feststellung anderer damit zusammenhängender Besteuerungsgrundlagen. Denn ohne das Bestehen einer Organschaft kann kein dem Organträger zuzurechnendes Einkommen festgestellt werden. So hat es der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung auch vorgesehen; § 14 Abs. 5 S. 1 KStG soll auch die grundlegende Feststellung umfassen, dass eine Organschaft vorliegt.
Das FG hat erkannt, dass bereits mit dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG erfüllt war. Der BFH hat in früheren Urteilen bereits für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995 entscheidend auf die Anwendung von § 12 Abs. 3 S. 1 iVm § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 1995 abgestellt. Aus diesen Vorschriften folge, dass die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintrete (sog. Fußstapfentheorie). Dies gelte auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen. Unerheblich ist zudem, dass hier der Beginn des Wirtschaftsjahres der übernehmenden Gesellschaft nicht mit dem umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag zusammenfällt. Der übernehmende Rechtsträger tritt auch dann in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein.
Das Finanzamt kann dem nicht erfolgreich entgegenhalten, dass die körperschaftssteuerrechtliche Organschaft Ausnahmecharakter hat und daher eine restriktive Auslegung geboten ist. Im Umwandlungsfällen treten nämlich ergänzend § 12 Abs. 3 und § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG hinzu, die eine umfassende umsatzsteuerrechtliche Rechtsnachfolge vorsehen.
Dies gelte auch, wenn das übertragende Unternehmen zuvor kein Teilbetrieb der übernehmenden Gesellschaft war.
Wird bei der Organgesellschaft zum Übertragungsstichtag - wie hier - kein Rumpfgeschäftsjahr gebildet, so ist handelsrechtlich keine Zwischenbilanz aufzustellen. Somit ist alleinig entscheidend, wer am Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft Anspruchsberechtigter aus dem EAV ist. Daran knüpft in § 14 Abs. 1 S. 1 KStG auch das Steuerrecht an. Das Einkommen der Organgesellschaft ist also - entgegen der Auffassung des Finanzamtes - ausschließlich und vollumfänglich dem neuen Rechtsträger (der Klägerin) zuzurechnen.
Durch die Verschmelzung der Organgesellschaft (B-GmbH) auf die neue Organträgerin (Klägerin) im Jahr 2017 ist während der Mindestvertragslaufzeit des EAV Konfusion eingetreten. Dadurch ist der EAV vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG erloschen. Das FG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass dies in „entsprechender Anwendung“ (gemeint ist „analoge Anwendung“) des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG unschädlich war. Die Konfusion stellt einen wichtigen Grund für die Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit dar.
Ungeachtet des Umstands, dass zwischen den Beteiligten mit Blick auf die von ihnen erörterten weiteren Voraussetzungen einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft kein Streit besteht, ist die Sache nicht spruchreif, da das FG keine tatsächlichen Feststellungen zur Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers getroffen hat (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 KStG).
Der BFH hat vor allem klargestellt, dass die gesonderte und einheitliche Feststellung gem. § 14 Abs. 5 S. 1 KStG auch das Bestehen oder Nichtbestehen einer Organschaft umfasst. Die Fußstapfentheorie wird zudem weit ausgelegt. Konfusion im Hinblick auf EAV stellt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG analog einen wichtigen Grund für die Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG dar.