BGH I ZB 12/21
Gesamtnichtigkeit einer Schiedsklausel in einer GmbH-Satzung

25.05.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
23.09.2021
I ZB 12/21
NZG 2022, 218

Leitsatz | BGH I ZB 12/21

  1. Die Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag, welche „alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis“ vor dem Schiedsgericht entscheiden lässt, bezweckt regelmäßig den umfassenden Entzug der staatlichen Gerichtsbarkeit, sofern keine entgegenstehenden konkreten Umstände auf eine gegenteilige Intention der Vorschrift hindeuten. (nichtamtl. Ls.)
  2. Im Falle der Teilnichtigkeit der Schiedsklausel führt dies somit zu einer Aufrechterhaltung der Klausel im zulässigen Umfang. (nichtamtl. Ls.)

 

Sachverhalt | BGH I ZB 12/21

Die beteiligte GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 15.07.1997 gegründet. An der GmbH waren ursprünglich KS und Dr. AH mit Geschäftsanteilen von jeweils 25.000 DM beteiligt. KS übertrug seinen Geschäftsanteil später an seine Ehefrau und Dr. AH auf seine Kinder (Ast.) als gemeinschaftliche Inhaber mit einem Anteil von je einem Drittel.

§ 19 des Gesellschaftsvertrags beinhaltet eine Schiedsklausel, welche alle Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern untereinander oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft, sowie Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages und einzelne Klauseln durch ein Schiedsgericht entscheiden lassen soll. § 20 Abs. 2 bestimmt, dass nichtige oder unwirksame Bestimmungen die Wirksamkeit des restlichen Gesellschaftsvertrags unberührt lasse und die betreffende Bestimmung zu ersetzen sein soll.

Die GmbH beantragt nach jahrelangen Differenzen die Ast. unter Einreichung einer Schiedsklage auszuschließen. Die Ast. rügten die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts. Das Schiedsgericht hatte sich mit Zwischenentscheid vom 25.08.2020 für zuständig erklärt, über den Antrag zu entscheiden. Auf Antrag hat das OLG daraufhin diesen Bescheid aufgehoben und das Schiedsgericht für unzuständig erklärt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der GmbH.

Entscheidung | BGH I ZB 12/21

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat Erfolg.

Nicht zu beanstanden sei die Annahme des OLG, dass die Schiedsklausel in § 19 hinsichtlich der Einbeziehung von Beschlussmängelstreitigkeiten unwirksam sei, weil sie den Mindestanforderungen nach der Rechtsprechung des BGH nicht genüge. Allerdings sei eine daraus folgende Annahme einer Gesamtnichtigkeit der Schiedsklausel rechtsfehlerhaft und die Rechtsbeschwerde insoweit erfolgreich.

Eine Teilnichtigkeit führe nach § 139 BGB nur dann zur Gesamtnichtigkeit, wenn nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Sinngemäß sei die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn die Parteien anstelle der nichtigen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit gekannt, eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten. Dabei kommt es auf eine Aufspaltbarkeit der Regelung an.

Zutreffend gehe das OLG davon aus, dass § 19 des Gesellschaftsvertrags objektiv auszulegen sei. Denn maßgeblich sei der schriftliche Vertrag und nicht die Vorstellungen und der Wille der Gründungsgesellschafter. Allerdings könne aus dem Wortlaut „alle“ Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis vor dem Schiedsgericht zu klären, nicht automatisch geschlossen werden, dass sie bei Kenntnis der Teilnichtigkeit die ordentliche Gerichtsbarkeit für alle Streitigkeiten bevorzugt hätten. Vielmehr lasse der Wortlaut darauf schließen, dass Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis umfassend der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden sollen, was bei einer Annahme der Gesamtnichtigkeit vollständig ausgeschlossen wäre. Dies führe zu einer Aufrechterhaltung der Schiedsklausel im zulässigen Umfang. Außerdem lasse sich die Schiedsklausel eindeutig in den nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit unberührten Rest aufteilen. Folglich könne die Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Ausschließungsklage auf ein Schiedsgericht übertragen werden.

Praxishinweis | BGH I ZB 12/21

Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte bei der Fassung eines Gesellschaftsvertrages und der Formulierung einer Schiedsklausel darauf geachtet werden, dass Beschlussmängelstreitigkeiten ausdrücklich von der Schiedsgerichtsbarkeit ausgenommen werden. Denn dies ist ohnehin unzulässig. Wenn diese von vornherein von der Schiedsklausel ausgenommen werden, wird eine Teilnichtigkeit der Klausel vermieden und somit das Risiko einer Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB verhindert.