07.05.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
19.06.2024
II R 40/21
ZIP 2024, 2882
Forderungsverzicht zwischen Gesellschaftern einer GmbH als freigebige Zuwendung [ PDF ]
Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.
Der Kläger (K), sein Vater (V) und sein Bruder (B) gründeten am 27.06.2006 eine GmbH zur Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens. Das Stammkapital von 27.000 € wurde von allen Gesellschaftern zu gleichen Teilen durch Bareinlagen aufgebracht. Nach der Satzung sollten Gewinne und Kapitalrücklagen im Verhältnis der Beteiligungen verteilt werden, sofern keine abweichende Regelung beschlossen wurde.
Am 01.07.2006 beschlossen die Gesellschafter, privates Vermögen in die GmbH einzubringen. Diese Einlagen sollten vereinbarungsgemäß den Kapitalrücklagen zugeführt werden, wobei disquotale Einlagen individuell den Gesellschaftern zugeordnet werden. V leistete bis Januar 2010 Bar- und Sacheinlagen im Wert von 4,95 Mio. EUR, die zunächst auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto gebucht und später als „Kapitalrücklage V“ umgebucht wurden.
Am 15.11.2012 beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital auf 554.500 EUR zu erhöhen. K und B übernahmen die neuen Anteile durch Sacheinlagen von Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Die Differenz zwischen den Buchwerten der Einlagen und den neuen Anteilen wurde der Kapitalrücklage zugeführt. V verzichtete auf eine Beteiligung an der Erhöhung, wodurch sein Anteil am Gesellschaftsvermögen von 33,33 % auf 1,62 % sank, während die Anteile von K und B auf jeweils 49,19 % stiegen. Für den Verzicht des V auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung vereinbarten V, K und B, „verbindlich“, dass die Kapitalrücklage der GmbH (4,95 Mio. EUR) vor der Kapitalerhöhung V, K und B zu jeweils 1/3 zuzurechnen ist. Da sich nach der Kapitalerhöhung der Anteil des V an der Kapitalrücklage nach den Berechnungen der Beteiligten auf 148.144,66 EUR gemindert hat, wurde eine Wertminderung bei V in Höhe von 1.063.061,26 EUR festgestellt.
Das Finanzamt (FA) sah in der Wertverlustvereinbarung eine gemischte Schenkung von V an K und B. Der Wertverlust von V sei durch eine nicht ordnungsgemäße Zuordnung der Kapitalrücklage an V im Rahmen der Wertverlustberechnung nicht vollständig ausgeglichen worden. Das FA setzte Schenkungsteuer fest, gegen die K Einspruch einlegte. Das Finanzgericht gab der Klage statt, während das FA Revision einlegte.
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Nach Auffassung des BFH erfülle der Forderungsverzicht des V im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung der GmbH den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gelte als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Als Bereicherung komme grundsätzlich jede Vermögensmehrung sowie jede Minderung von Schulden oder Belastungen beim Bedachten in Betracht, sodass auch ein Forderungsverzicht Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sein könne.
Zunächst führt der BFH aus, dass eine von den Beteiligungsquoten abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zivilrechtlich zulässig und grundsätzlich auch steuerrechtlich anzuerkennen sei. Trotz Zuordnung der Kapitalrücklage zum Eigenkapital der Gesellschaft können Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage – in entsprechender Anwendung von § 29 Abs. 3 S. 2, § 72 S. 2 GmbHG – gesellschafterbezogen zugeordnet werden, sodass im Falle der Liquidation oder Auflösung der Rücklage die geleisteten Beträge nur den Gesellschaftern zustünden, die diese ursprünglich eingebracht haben. Voraussetzung hierfür sei, dass die Satzung der GmbH eine solche abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zulässt und die Gesellschafter einen entsprechenden Beschluss wirksam fassen. Eine solche gesellschaftsrechtlich zulässige und damit zugleich steuerrechtlich anzuerkennende Vereinbarung disquotaler Rückzahlungsansprüche in Bezug auf die Kapitalrücklage könne jedoch dazu führen, dass ein späterer Verzicht auf eine derartige Forderung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslöst.
Vorliegend hätten die Gesellschafter der GmbH zivilrechtlich wirksam und bindend auf Grundlage der Satzung eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zugunsten des V einstimmig beschlossen. Die Verletzung einer nur durch Satzung aufgestellten Beurkundungsvorschrift führe dabei nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit des Beschlusses.
Durch den Verzicht auf vollen Ausgleich des von ihm geleisteten Betrags der Kapitalrücklage im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung bei der GmbH habe V eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den Kläger bewirkt. Die objektive Bereicherung des Klägers auf Kosten des V liege darin, dass er aufgrund des Forderungsverzichts des V die bei diesem aufgrund der Kapitalerhöhung entstandene Wertminderung seines Anteils nicht vollständig ausgleichen musste.
Schließlich sei auch das subjektive Erfordernis einer freigebigen Zuwendung – der Wille des V zur Freigebigkeit – erfüllt. Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reiche in der Regel das Bewusstsein des benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus. Die Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, sei dabei regelmäßig prima facie zu unterstellen. V als disquotal einlegender Gesellschafter sei sich bewusst gewesen, dass er aufgrund des Verzichts weniger aus der Kapitalrücklage erhält, als ihm nach dem ursprünglichen Gesellschafterbeschluss zustand, und sich dies werterhöhend bei den anderen Gesellschaftern auswirkte.
Mit der vorliegenden Entscheidung setzt der BFH seine bisherige Rechtsprechung fort und sorgt für mehr Klarheit hinsichtlich der schenkungsteuerlichen Behandlung von gesellschafterbezogenen Kapitalrücklagen. Verzichtet ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung ohne angemessene Gegenleistung auf seine gesellschafterbezogene Kapitalrücklage, sieht der II. Senat darin eine schenkungssteuerbare Bereicherung der Mitgesellschafter. Daher sollte die Auflösung gesellschafterbezogener Rücklagenkonten nicht ohne angemessene Gegenleistung erfolgen, um eine Steuerbelastung zu vermeiden, sofern die Bereicherung den Freibetrag nach § 16 ErbStG übersteigt. Anderenfalls dürfte der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung stets erfüllt sein und der Wille zur Freigebigkeit nur schwer widerlegt werden können. Zudem ist sorgfältig darauf zu achten, dass gesellschafterbezogene Kapitalrücklagen nicht unbeabsichtigt durch Satzungsänderungen oder Neufassungen aufgehoben und damit wieder allen Gesellschaftern gesamthänderisch zugeordnet werden.
Bei disquotalen Einlagen in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften ist nach aktueller Rechtslage darüber hinaus stets § 7 Abs. 8 ErbStG zu beachten. Aufgrund des weit gefassten Wortlauts der Vorschrift kann eine Werterhöhung der übrigen Anteile an der Gesellschaft oder Genossenschaft nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden.