OLG Karlsruhe 14 W 36/24 (Wx)
Hinreichende Bestimmtheit einer testamentarischen Anordnung in Bezug auf den begünstigten Nacherben

19.12.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
10.07.2025
14 W 36/24 (Wx)
BeckRS 2025, 21746

Leitsatz | OLG Karlsruhe 14 W 36/24 (Wx)

Eine testamentarische Anordnung, wonach nach dem Tode des Vorerben „diejenige Person erben [solle], die es besonders gut konnte mit [dem Vorerben]“, ist nicht hinreichend bestimmt und enthält daher keine wirksame Bestimmung eines Nacherben.

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 14 W 36/24 (Wx)

Der Erblasser verstarb am 12.11.1996. Seine Ehefrau war vorverstorben. Die Ehe blieb kinderlos. Die Ehefrau des Erblassers brachte in die Ehe ihren nichtehelichen Sohn ein. Der Erblasser war an der Errichtung zweier letztwilliger Verfügungen beteiligt. Zum einem ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament vom 15.04.1970. Danach setzten sich die Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Längerlebenden setzten sie den Sohn der Ehefrau als Alleinerben ein. Die Eheleute ordneten zudem Dauertestamentsvollstreckung an. Am 01.12.1994 errichtete der Erblasser auch noch ein eigenhändiges Testament. Darin heißt es, der Sohn der Ehefrau solle „Alleinerbe“ über sein Elternhaus und Grundstück erhalten. Eine geeignete Familie soll gefunden werden, die E versorgt. Hausmiete in bar soll nicht bezahlt werden, dafür soll der Sohn der Ehefrau Kost, Wohnung sowie Wäsche erhalten und sein eigenes Zimmer behalten. Nach seinem Tod soll diejenige Person erben, „die es besonders gut konnte mit“ dem Sohn der Ehefrau. Der Sohn hatte ab Juni 1996 eine gesetzliche Betreuerin. Auf Antrag des Testamentsvollstreckers wurde am 30.05.1997 ein Erbschein erteilt, der den Sohn als Alleinerben auswies. Im Jahr 2017 wurde die gesetzliche Betreuerin des Sohnes zur neuen Testamentsvollstreckerin ernannt und am 14.12.2022 verstarb der Sohn der Ehefrau. Daraufhin beantragte die gesetzliche Betreuerin die Erteilung eines Erbscheins auf das Ableben des Erblassers, wonach sie mit Blick auf das Testament vom 01.12.1994 aufgrund des Eintritts des Nacherbfalls (Ableben des Vorerben) Alleinerbin geworden sei. Zur Begründung führte sie aus, durch das Testament vom 01.12.1994 habe der Erblasser die im gemeinschaftlichen Testament vom 15.04.1970 ursprünglich vorgesehene Schlusserbeneinsetzung des Sohnes der Ehefrau aufgehoben und diesen stattdessen als Vorerben und zugleich die Person, „die es besonders gut konnte mit“ ihm, als Nacherben eingesetzt. Hierin liege kein Verstoß gegen eine aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.04.1970 resultierende Bindungswirkung. Sie sei diejenige Person, „die es besonders gut konnte mit“ ihm. Das Nachlassgericht zog sodann mit Beschluss vom 16.10.2023 den Erbschein vom 30.05.1997 als unrichtig ein.

Mit Beschluss vom 01.12.2023 ordnete das Nachlassgericht für die unbekannten Erben des Sohnes der Ehefrau Nachlasspflegschaft an. Der bestellte Nachlasspfleger legte Beschwerde gegen den Einziehungsbeschluss vom 16.10.2023 ein, die er damit begründete, dass das Testament vom 01.12.1994 unwirksam sei, da es die Bindungswirkung des Testaments vom 15.04.1970 missachte.

Mit Beschluss vom 26.02.2024 hat das Nachlassgericht den Einziehungsbeschluss – begründet mit der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments – wieder aufgehoben. Der Erbschein vom 30.05.1997 bleibe gültig. Hiergegen legte die gesetzliche Betreuerin Beschwerde ein. Die Einsetzung des E als Schlusserbe im gemeinschaftlichen Testament vom 15.04.1970 sei nicht wechselbezüglich, verstoße jedenfalls nicht gegen eine aus dem früheren Testament resultierende Bindungswirkung. Dies folge aus einer Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments nach dem Willen der Erblasser.
 

Entscheidung | OLG Karlsruhe 14 W 36/24 (Wx)

Die Beschwerde wurde zurückgewiesen. Die gesetzliche Betreuerin sei nicht aufgrund des Testaments vom 01.12.1994 Nacherbin nach dem Erblasser geworden. Die von den Beteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob einer solchen Nacherbeneinsetzung nicht ohnehin die aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.04.1970 resultierende Bindungswirkung entgegenstünde, bedürfe daher keiner Entscheidung. Gemäß § 2065 I BGB könne der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten solle oder nicht. Gemäß § 2065 II BGB könne der Erblasser zudem die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht wirksam einem anderen überlassen. Die Bestimmung des § 2065 BGB enthalte damit den Grundsatz, dass sich der Erblasser, der abweichend von der gesetzlichen Erbfolge testieren will, selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung schlüssig werden müsse. Danach müsse der Erblasser den Bedachten zwar nicht individuell bestimmt bezeichnen; er müsse ihn aber so genau bezeichnen, dass der Bedachte – erforderlichenfalls unter Zuhilfenahme gesetzlicher Auslegungsregeln – ermittelt werden kann. Erforderlich sei, dass der Bedachte im Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien bezeichnet werden könne. Wenn der Wortlaut der Verfügung von Todes wegen indes so unbestimmt sei, dass auf Grund der Unbestimmtheit der Kriterien eine Auslegung auch unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts des Testaments und von Umständen außerhalb des Testaments ergebnislos bleibe, führe dies zur Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung gemäß § 2065 II BGB.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Thematik seien wegen fehlender individueller Bestimmungen etwa Einsetzungen derjenigen Person für unwirksam erachtet worden, die dem Erblasser „beistehen“ werde, „der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt“, „die sich bei meinem Tod um mich kümmert“, die „den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat“ oder die die Tochter des Erblassers „gut und uneigennützig“ betreuen werde. Nach Maßgabe dieser Grundsätze habe der Erblasser durch Testament vom 01.12.1994 keine wirksame Nacherbeneinsetzung verfügt. Denn die testamentarische Anordnung „Nach [seinem] Tode soll diejenige Person erben, die es besonders gut konnte mit [ihm]“, sei nicht hinreichend bestimmt und enthalte daher keine wirksame Bestimmung eines Nacherben durch den Erblasser; dies gelte insbesondere dann, wenn man den testamentarischen Kontext, in dem diese Formulierung steht, mit in den Blick nimmt.

Die Formulierung „die es besonders gut konnte mit [ihm]“ sei für sich genommen vage und unbestimmt. Schließlich existierten menschliche Beziehungen unterschiedlichster – etwa freundschaftlicher, familiärer, berufsbezogener oder therapeutischer – Art und die Formulierung sei für jede denkbare Art menschlicher Beziehungen denkbar. Somit ließe sich nicht eindeutig feststellen, was der Erblasser damit konkret gemeint habe. Der Erblasser sei bei Abfassung des Testaments offenbar davon ausgegangen, dass nach seinem und dem Tod seiner Ehefrau an deren Stelle „eine Familie“ tritt, die den behinderten Sohn der Ehefrau in dessen häuslichen Umfeld umfassend versorgt und diesem die Fortführung seines bisherigen Lebens – weiterhin eingebunden in ein „familiäres“ Umfeld – ermöglicht. Die entsprechende Passage im Testament vom 01.12.1994 stehe unmittelbar vor dem Satz, der als Nacherbeneinsetzung in Betracht kommt. Die Auslegung des Testaments lege den Schluss nahe, dass dem Erblasser eine Person aus dem Kreise dieser „Ersatzfamilie“ vor Augen stand, als er das Testament verfasst hat. Zwingend sei eine solche Auslegung freilich nicht, da zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht lediglich unklar gewesen sei, welche konkreten Personen dies sein könnten, sondern auch, ob eine solche Familie, die offenbar in das Elternhaus einziehen sollte, jemals gefunden werde. Ungeachtet dessen sei unklar, ob der Erblasser auch Personen als mögliche Nacherben im Sinn hatte, die es in Ausübung ihres Berufes „besonders gut konnten mit“ dem Sohn der Ehefrau, oder – was der testamentarische Kontext nahelege – damit ausschließlich Menschen aus dem sozialen Nahbereich, möglicherweise unter Einschluss besonders enger Freunde gemeint waren. Dabei bezweifle der Senat nicht, dass die gesetzliche Betreuerin ein Vertrauensverhältnis zum Sohn der Ehefrau aufgebaut habe und dabei auch Aufgaben übernommen habe, welche über ihre Pflicht aus dem gesetzlichen Betreuungsverhältnis hinausgingen. Das sehr gute Verhältnis ändere allerdings auch nichts daran, dass die Beziehung einen professionellen Hintergrund hatte und es sich bei der gesetzlichen Betreuerin um keine Person handelt, die mit dem Sohn der Ehefrau in einer Hausgemeinschaft lebte und ihn in seinem häuslichen Umfeld betreut hat.

Angesichts der Unbestimmtheit der vom Erblasser gewählten Formulierung sehe sich der Senat außer Stande, im Wege der Auslegung des Testaments zu konkretisieren, welchen Personenkreis der Erblasser erfassen wollte. Die Bestimmung eines Nacherben wäre nur über eine Wertung durch den Senat anhand eigener Kriterien möglich, die aber gemäß § 2065 BGB unzulässig wäre.

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 14 W 36/24 (Wx)

Angesichts der Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung sollten somit vage und unkonkrete Bestimmungen hinsichtlich der Erbfolge in letztwilligen Verfügungen vermieden werden. Diese bergen die Gefahr der Unwirksamkeit. Sofern möglich sollten möglichst konkrete Personen benannt werden oder die Kriterien für die Bestimmung so eng abgesteckt werden, dass der Bedachte im Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien eindeutig bezeichnet werden kann.