OLG München 34 Wx 167/25 e
Umfang des Vertretungsausschlusses für ein minderjähriges Kind bei nicht miteinander verheirateten Eltern

24.12.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
05.08.2025
34 Wx 167/25 e
ZEV 2025, 615

Leitsatz | OLG München 34 Wx 167/25 e

  1. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge erstreckt sich der Vertretungsausschluss eines nicht verheirateten Elternteils nicht auch automatisch auf den anderen Elternteil.
  2. Der nicht von der Vertretung ausgeschlossene sorgeberechtigte Elternteil kann das minderjährige Kind auch dann vertreten, wenn das Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es in diesen Fällen nicht.

Sachverhalt | OLG München 34 Wx 167/25 e

Die Großeltern halten jeweils ein hälftiges Miteigentum an vermietetem Wohnungseigentum, das auf den minderjährigen Enkel – vertreten durch die Kindesmutter sowie den mitsorgeberechtigten Sohn – übertragen werden soll. Als Gegenleistung bestellt der Enkel zugunsten der Großeltern einen Nießbrauch. Eine weitere Gegenleistung gibt es nicht. Zudem erhielten die Großeltern einen an den Sohn abgetretenen, aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückübertragung. Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs wurde die Eintragung einer – mit dem Tod der sämtlichen Berechtigten auflösend befristeten – Vormerkung zugunsten der Berechtigten bewilligt und beantragt. Bei der notariellen Beurkundung des Vertrages, wurde der Enkel durch seine Mutter vertreten. Das Familiengericht genehmigte das Geschäft, ohne die Notwendigkeit eines Ergänzungspflegers zu prüfen. Das Grundbuchamt hingegen verlangte im Rahmen einer Zwischenverfügung die Bestellung eines Ergänzungspflegers. Zur Begründung führte es aus, der Vertretungsausschluss des Vaters erfasse ebenfalls die Kindesmutter. Die Entscheidungen des BGH vom 24.03.2021 (NZFam 2021, 547) sowie des OLG Köln vom 16.09.2022 (NJW 2022, 3514) seien nicht einschlägig. 

Entscheidung | OLG München 34 Wx 167/25 e

Das OLG München gab der Beschwerde statt. Eine wirksame Vertretung des Kindes sei vorliegend gegeben, da es bei der notariellen Beurkundung vom 23.1.2025 seine – in diesem Fall alleinvertretungsberechtigte – Mutter wirksam vertreten habe. Der Vater sei gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, da das Rechtsgeschäft nicht ausschließlich rechtlich vorteilhaft gewesen sei. Der Senat sieht daher eine wirksame gesetzliche Vertretung des minderjährigen Kindes durch die Mutter nach § 1629 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB gegeben. Die in Rechtsprechung und Literatur zunehmend anerkannte Auffassung, wonach bei Ausschluss eines Elternteils der andere Elternteil allein vertretungsbefugt bleibe, werde von mehreren obergerichtlichen Entscheidungen und Kommentaren so vertreten (OLG Düsseldorf v. 14.03.2025 – 3 W 9/25, RNotZ 2025, 281; OLG Köln v. 16.09.2022 – 2 Wx 171/22, FGPrax 2022, 249; BeckOK BGB/Veit/Schmidt § 1629 Rn. 37.1; MüKoBGB/Huber § 1629 Rn. 44; BeckOGK/Amend-Traut/Bongartz § 1629 Rn. 47). Dieser Linie schließt sich der Senat an. Die dagegen in der Zwischenverfügung eingewandten Bedenken griffen nicht. Nach der vom BGH (BGH v. 10.04.2024, XII ZB 459/23, NJW 2024, 2176) ausführlich dargelegten Gesetzeshistorie lasse sich die bisherige teleologische Auslegung des Wortlauts des § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB dahingehend, dass der Vertretungsausschluss bezüglich eines Elternteils automatisch auch zum Ausschluss des anderen Elternteils führt, nicht aufrechterhalten. Ein vollständiger Ausschluss beider Elternteile von der Vertretung sei mangels gesetzlicher Grundlage verfassungsrechtlich unhaltbar, sodass beim Wegfall der Vertretungsmacht eines Elternteils die Vertretungsbefugnis des anderen fortbestehe.

Praxishinweis | OLG München 34 Wx 167/25 e

Die Entscheidung des OLG München reiht sich in die bisherige Judikatur der Obergerichte zu vergleichbaren Fallgestaltungen im Beschwerdeverfahren nach §§ 71 ff. GBO ein. 

Interessant ist, dass in dieser und den anderen obergerichtlichen Entscheidungen die Reichweite des elterlichen Autonomieschutzes nach Art. 6 Abs. 2 GG zwar ausführlich diskutiert wurde. Die Frage nach den Auswirkungen nicht lediglich vorteilhafter Geschäfte auf das Kindeswohl wurde jedoch nicht ebenso erörtert. Im vorliegenden Fall lässt sich argumentieren, dass die vermutlich gemischte Schenkung einer vermieteten Wohnung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, da der Nießbrauch als Gegenleistung eine teilentgeltliche Komponente begründet, während die übrige Überlassung unentgeltlich erfolgt und das Kind somit mit dauerhaften Pflichten bindet.