01.06.2010
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
27.01.2010
VIII ZR 159/09
Nichten und Neffen gelten bei der Eigenbedarfskündigung als Familienangehörige [ PDF ]
Leibliche Nichten und Neffen des Vermieters sind kraft ihres nahen Verwandschaftsverhältnisses zum Vermieter Familienangehörige im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Juli 2003 – VIII ZR 276/02, NJW 2001, 2604)
Nachdem die Vermieterin in die nahegelegene Seniorenresidenz gezogen war, hatte sie ihre Eigentumswohnung vermietet. Später übertrug sie die Wohnung an ihre Nichte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Hierbei behielt sie sich jedoch ein Nießbrauchsrecht an der Wohnung vor. Als Gegenleistung hatte die Nichte auf Lebzeiten ihrer Tante (Vermieterin) deren Haushalt in der Seniorenresidenz zu versorgen und die häusliche Grundpflege zu übernehmen. Aufgrund der örtlichen Nähe der Wohnung zur Seniorenresidenz beabsichtigte die Nichte die Wohnung zu beziehen. Sie kündigte der Mieterin daher mehrfach ordentlich u.a. wegen Eigenbedarf. Die Vermieterin verlangte von ihrer Mieterin die Rückgabe der angemieteten Wohnung.
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht hatten die Räumungsklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bejaht der BGH eine wirksame Kündigung wegen Eigenbedarfs, da die Nichte zu dem uneingeschränkt privilegierten Personenkreis des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zähle. Nach § 573 Abs. 2 Nr. BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters dann vor, wenn er die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes benötigt. Der Senat hatte bereits entschieden, dass Geschwister des Vermieters kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses privilegierte Familienangehörige i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind, da zwischen ihnen ein so enges Verwandtschaftsverhältnis besteht, dass es eines zusätzlichen einschränkenden Merkmals, wie etwa einer engen sozialen Bindung, nicht bedarf. Auf die konkrete persönliche und soziale Bindung als zusätzliches Kriterium ist jedoch dann abzustellen, je weitläufiger der Grad der Verwandtschaft ist. Der Senat hat in Hinblick auf Nichten und Neffen zunächst klargestellt, dass diese nicht mehr zu engsten Angehörigen zählen. Jedoch sind diese immer noch eng verwandt und gehören nicht zu den entfernten, nur weitläufig Verwandten. Auch bei diesen kann von einer engen persönlichen Verbundenheit und Solidarität ausgegangen werden, die eine Kündigung wegen Eigenbedarf rechtfertigt, ohne dass die Verbundenheit im Einzelfall nachgewiesen werden muss. Für Nichten und Neffen gelte nichts anderes als für Geschwister des Vermieters. Dieses Ergebnis ergibt sich zwar weder aus dem Wortlaut noch aus den Gesetzesmaterialen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Jedoch ist die generelle Einbeziehung von Nichten und Neffen in den Kreis der privilegierten Familienangehörigen vor dem Hintergrund anderer Regelungen der Rechtsordnung gerechtfertigt, wo eine tatsächlich bestehende persönliche Verbundenheit im Einzelfalls ebenfalls nicht gefordert wird. Zu verweisen ist hier auf das Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen, welches sowohl die Zivilprozessordnung (§ 383 ZPO) als auch die Strafprozessordnung (§ 52 StPO) kennt.