14.07.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
25.02.2025
VIII R 22/22
BeckRS 2025, 9685
Die Beteiligten streiten über den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018. Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine mit einem Grundkapital in Höhe von 50.000 € errichtete AG. Nach dem Jahresabschluss zum 31.12.2017 verfügte die Klägerin über ein Bankguthaben in Höhe von 187,50 €. Auf der Passivseite der Bilanz wurden ein Fehlbetrag in Höhe von 854,24 € und ein Verlustvortrag in Höhe von 14.229,84 € ausgewiesen. Vom gezeichneten Kapital in Höhe von 50.000 € standen 37.500 € noch aus. Mit notariellem Vertrag vom 20.07.2018 wurden die 50 000 nennwertlosen Stückaktien der Klägerin an einen neuen Alleingesellschafter veräußert.
Am 10.09.2018 überwies der neue Alleinaktionär 12.500 € unter dem Verwendungszweck „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ auf das Girokonto der Klägerin. Mit der Anmeldung zum Handelsregister gab die Klägerin an, es habe eine wirtschaftliche Neugründung stattgefunden. Die Anmeldung enthielt die Versicherung, dass die Klägerin mindestens über ein Gesellschaftsvermögen in Höhe von einem Viertel der Grundkapitalziffer (also mindestens 12.500 €) verfüge und dass das Vermögen endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehe.
Mit Erklärung vom 08.01.2020 zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 gab die Klägerin den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs mit 0 € und im Wirtschaftsjahr geleistete Einlagen von 2.827 € und 12.500 € an. Im Jahresabschluss zum 31.12.2018 wies die Klägerin auf der Passivseite ein gezeichnetes Kapital in Höhe von 50.000 € aus (37.500 € ausstehende Einlagen und 12.500 € Kapitalrücklage).
Das Finanzamt folgte dem nicht. Die Einzahlung von 12.500 € im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung sei in das Nennkapital geleistet worden. Mit Bescheid zum 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 des im Streitzeitraum anzuwendenden Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom 08.04.2020 stellte das Finanzamt den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 2.827 € fest.
Das Finanzgericht hat der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage stattgegeben und den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 mit 15.327 € festgestellt. Die Einzahlung in Höhe von 12.500 € vom 10.09.2018 sei nicht in das Nennkapital geleistet worden und erhöhe deshalb den Bestand des steuerlichen Einlagekontos.
Die Revision ist unbegründet. Die Einlage in Höhe von 12.500 € hat den Bestand des steuerlichen Einlagekontos erhöht und ist nicht in das Nennkapital geleistet worden.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG hat eine Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen auf dem steuerlichen Einlagekonto auszuweisen, um bei Einlagenrückgewähr nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht steuerbare Bezüge von grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu separieren. Ausgenommen sind in das Nennkapital geleistete Einlagen, welche nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst werden. Dabei handelt es sich um das durch Einlagen aufgebrachte Nennkapital. Dessen Rückzahlung ist auch nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG), es bedarf insoweit keiner gesonderten Feststellung, weil das Nennkapital bereits in der Bilanz gesondert ausgewiesen wird.
Eine Leistung in das Nennkapital einer AG liegt vor, soweit der Aktionär mit seiner Zahlung an die Gesellschaft die durch die Übernahme der Aktien entstandene Einlageforderung der Gesellschaft erfüllt und dadurch zum Erlöschen bringt. In der Handelsbilanz wird das Grundkapital der Gesellschaft als gezeichnetes Kapital ausgewiesen (§ 266 Abs. 3 HGB), wobei ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen sind (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB). Aus der Bilanz ist mithin ersichtlich, in welcher Höhe Einzahlungen in das Nennkapital erbracht wurden und in welcher Höhe dieses noch als Forderung gegen die Gesellschafter fortbesteht. Im Fall einer wirtschaftlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft sind nach der Rechtsprechung des BGH die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften entsprechend anzuwenden.
Bei der Überweisung vom 10.09.2018 in Höhe von 12.500 € handelt es sich unstreitig um eine Einlage. In der Bilanz der Klägerin zum 31.12.2018 sind die ausstehenden Einlagen unverändert mit 37.500 € ausgewiesen. Der Alleinaktionär der Klägerin wollte mit der Einzahlung von 12.500 € nur die Voraussetzungen für die Eintragung der wirtschaftlichen Neugründung erfüllen. Insofern bestand keine Veranlassung, auf die ausstehenden Einlagen zu leisten. Weder hatte die AG diese eingefordert noch wäre eine Zahlung auf die ausstehenden Einlagen geeignet gewesen, die bis zur wirtschaftlichen Neugründung entstandene Unterbilanz zu beseitigen. Der Alleinaktionär hat auch nicht (erneut) auf die bei Gründung der Klägerin bereits eingezahlte Einlage geleistet. Im Streitfall war bei Gründung der AG entsprechend § 36a Abs. 1 AktG ein Viertel des gezeichneten Kapitals eingezahlt worden. Insoweit ist die ursprüngliche Einlageforderung durch Erfüllung erloschen. Eine erneute Leistung auf diese bereits erloschene Forderung war nicht möglich.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung. Das bereits eingezahltes Nennkapital ist bilanziell unverändert auszuweisen, solange nicht eine Kapitalherabsetzung erfolgt oder das Nennkapital nach Auflösung der Gesellschaft ausgezahlt wird. Der Rechtsprechung des BGH ist nicht zu entnehmen, dass eine durch Einlageleistung der Gründer bereits erloschene Einlageforderung der Kapitalgesellschaft im Fall der wirtschaftlichen Neugründung wiederauflebt. „Wiederaufgefüllt“ werden muss – zur Vermeidung einer Unterbilanzhaftung – das Vermögen der Gesellschaft, soweit es den Betrag der bei der Gründung nachzuweisenden Mindesteinzahlung auf das Grundkapital im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung unterschreitet. Diese Einzahlung dient dem Gläubigerschutz und soll gewährleisten, dass im Fall der wirtschaftlichen Neugründung die Anforderungen an die reale Kapitalaufbringung wie im Fall der Gründung beachtet werden. Das bedeutet nicht, dass (erneut) in das Nennkapital geleistet werden muss oder geleistet werden kann. Dem Gläubigerschutz ist in gleicher Weise genügt, wenn die Einzahlung bei der Gesellschaft als Kapitalrücklage erfasst wird.
Unerheblich ist, dass der Alleinaktionär der Klägerin als Verwendungszweck der Einzahlung „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ angegeben hat. Dabei handelte es sich, um eine unschädliche Falschbezeichnung. Der Sache nach handelt es sich um eine Einzahlung in die Kapitalrücklage, die den Bestand des steuerlichen Einlagekontos erhöht.
Der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung gilt genauso im Falle der wirtschaftlichen Neugründung: die Gesellschaft hat in diesem Fall die Kapitalausstattung aufzuweisen, der einer neu gegründeten Gesellschaft im Anmeldezeitpunkt entspricht. Bei einer Unterbilanz ist mithin einer reale Mittelzufuhr wertmäßig bis zur Höhe der Mindesteinlage vorzunehmen. Es bestehen also keine strengeren Anforderungen an die wirtschaftliche, als an die rechtliche Neugründung. Erbrachte Einlagen im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Neugründung, die nicht zur Erfüllung ausstehender Einlage erbracht werden, sind im steuerlichen Einlagekonto auszuweisen, § 27 Abs. 1 S. 1 KStG.