OLG München 33 U 241/22
Rückforderungsprozess der Erben gegen den Testamentsvollstrecker

27.10.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
07.04.2025
33 U 241/22
BeckRS 2025, 6685 = NJW-Spezial 2025, 296

Leitsatz | OLG München 33 U 241/22

  1. Auch bei angeordneter Testamentsvollstreckung sind die Erben berechtigt, Schadensersatzansprüche gegen den amtierenden Testamentsvollstrecker geltend zu machen, denn insoweit ist der Testamentsvollstrecker an der Ausübung des Amtes verhindert, § 2224 Abs. 1 S. 2 BGB.
  2. Das Amt des Testamentsvollstreckers endet im Falle der Abwicklungsvollstreckung von selbst, wenn der Testamentsvollstrecker seine Aufgaben vollständig erledigt hat, das erteilte Zeugnis wird von selbst kraftlos.
  3. § 27, § 7 Nr. 1 BeurkG schließen lediglich einen bestimmten Weg zur Erreichung dieses Ziels aus, verbieten aber nicht die Ernennung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker noch dessen Tätigwerden in diesem Amt.
  4. Ein Testamentsvollstrecker verwirkt seinen Vergütungsanspruch, wenn er die Kosten für persönliche Rechtsstreitigkeiten unrechtmäßig aus dem Nachlass entnimmt.
     

Sachverhalt | OLG München 33 U 241/22

Die Erblasserin verstarb im Jahr 2018. Ihr Ehemann ist im Jahr 2019 nachverstorben. Aus der Ehe gingen der Kläger und seine Geschwister hervor. Die Ehegatten hatten mehrere Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente errichtet, in welchen sie einen Testamentsvollstrecker zur Abwicklung und Verwaltung des Nachlasses bestimmten. Im Jahr 2002 haben die Eheleute einen „Testament-/Erbvertragsnachtrag“ errichtet, in welchem sie unter anderem den beklagten Notar als Mittestamentsvollstrecker bestimmten. Im Jahr 2014 schlossen die Eheleute einen notariellen Erbvertrag, den der Notar beurkundet hat. Darin widerriefen die Eheleute die früher errichteten Verfügungen von Todes wegen mit Ausnahme des privatschriftlichen Testaments aus dem Jahr 2002. 

Im Verfahren vor dem Nachlassgericht wurde den Testamentsvollstreckern ein Zeugnis als Testamentsvollstrecker über den Nachlass von der Erblasserin erteilt. Mit Beschluss vom 27.01.2025 wies das Nachlassgericht einen Antrag des klagenden Sohns der Eheleute auf Entlassung des Testamentsvollstreckers zurück. Beide Testamentsvollstrecker erstellten ein Nachlassverzeichnis im Erbfall der Erblasserin und ermittelten einen Nachlasswert. Der beklagte Notar stellte eine Abrechnung für seine Tätigkeit und entnahm diesen Betrag einem Nachlasskonto. Der Kläger verlangte Rückzahlung der Vergütung in den Nachlass, da der Beklagte wegen Verstoßes gegen §§ 7, 27 BeurkG, § 125 S. 1 BGB schon nicht wirksam zum Testamentsvollstrecker bestimmt worden und das Honorar unangemessen sei. Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Notars. 

Entscheidung | OLG München 33 U 241/22

Die Berufung bleibt erfolglos. Das OLG München nimmt eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Notars und in der Folge eine Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB an.
 
Die Ernennung des Notars zum Testamentsvollstrecker verstößt zwar vorliegend nicht gegen die §§ 7, 27 BeurkG, denn dieser hat nicht, wie es von den Vorschriften untersagt wird, seine eigene Ernennung beurkundet. In der von ihm beurkundeten Urkunde wurde lediglich auf die handschriftliche Verfügung der Ehegatten Bezug genommen, in welcher diese den Notar bezeichnet hatten. Dies verstößt nicht gegen das Beurkundungsgesetz und stellt auch keine Umgehung der maßgeblichen Vorschriften dar. Der Senat folgt hier der Rechtsprechung des BGH, wonach durch das Gesetz weder die Ernennung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker noch dessen Tätigwerden in diesem Amt, also das mit der letztwilligen Verfügung angestrebte Ziel, verboten wird. Die §§ 27, 7 Nr. 1 BeurkG schließen lediglich einen bestimmten Weg zur Erreichung dieses Ziels aus, nämlich eine Beurkundung der Ernennungserklärung durch den betreffenden Notar. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 2 BeurkG vor, denn das eigenhändige Testament ist dem notariellen Erbvertrag nicht beigefügt. Daher gilt es nicht als in der Niederschrift enthalten und der Notar hat im Ergebnis seine Ernennung nicht protokolliert. 

Allerdings hat der Beklagte seinen Anspruch auf Vergütung in voller Höhe verwirkt. Eine Verwirkung des Anspruchs des Testamentsvollstreckers auf Vergütung nach § 242 BGB ist nur anzunehmen, wenn dieser in besonders schwerwiegender Weise vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen hat. Sie kann auch eintreten, wenn der Testamentsvollstrecker sich bewusst über die Interessen, für die er als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, hinwegsetzt und mit seiner Tätigkeit eigene Interessen oder die anderer Personen verfolgt, oder wenn ihm die Interessen der von ihm betreuten Personen ganz gleichgültig sind und er sein Amt so nachlässig versieht, dass von einer ordnungsgemäßen Amtsführung nicht die Rede sein kann. Zur Ermittlung des Nachlasses gab das Gericht dem Testamentsvollstrecker zwecks einer Darstellung der Vergütungsgrundlage als beweisbelasteter Partei auf, Kostenvorschüsse für Immobiliengutachter einzuzahlen. Die angefallenen Auslagen des Sachverständigen hat der Testamentsvollstrecker aus dem Nachlass entnommen, obwohl es sich hier um eine Klage gegen diesen persönlich richtet und er demzufolge für deren Kosten persönlich aufkommen muss. Nach § 2213 BGB darf ein Testamentsvollstrecker nur bei Prozessen, die sein Amt betreffen, die Kosten aus dem Nachlass entnehmen, nicht jedoch bei Prozessen, die ihn persönlich betreffen. Um solche persönlichen Verfahren handelt es sich bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 2219 BGB wegen einer Verletzung seiner Amtspflicht und bei Klagen, die den Vergütungsanspruch des Testamentsvollstreckers betreffen. Die Entnahme der Kosten für seine eigene Prozessführung stellt demnach eine erhebliche und fortgesetzte Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers dar. Die Höhe der Auslagenentnahme von insgesamt 27.000 EUR beeinträchtigt die Interessen des Nachlasses schwer. 

Praxishinweis | OLG München 33 U 241/22

Unter die sich gegen den Nachlass richtenden Prozesse fallen alle gerichtlichen Streitigkeiten, in denen wegen einer Nachlassverbindlichkeit eine Leistung aus dem Nachlass verlangt wird oder deren Feststellung beansprucht wird. Zu § 2213 BGB gehört allerdings nicht die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Testamentsvollstrecker persönlich. Dieser ist hier nicht als Partei kraft Amtes, sondern persönlich zu verklagen (Dr. Hans-Jochem Mayer, FD-RVG 2025, 806573).