13.10.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
KG
19.05.2025
2 U 15/25
NJW-Spezial 2025, 464
Unzulässigkeit einer zeitlich unbefristeten Vesting-Klausel [ PDF ]
Die Y GmbH, ehemals E GmbH, ist auf die Entwicklung und den Vertrieb von onlinebasierten Zahlungs- und Kundenbindungssystemen spezialisiert. Der Mitgründer T. war zuvor über seine Unternehmen als Reseller für die Dienste der E GmbH tätig. Im Frühjahr 2021 gründeten die Beteiligten zusammen mit Investoren die damals noch als E Holding GmbH firmierende Verfügungsbeklagte, in die die E GmbH und T.s Unternehmen eingebracht wurden. Mit dem Eintrag des Einzelunternehmens N. eK in die Nu GmbH & Co. KG wurde die Struktur formal abgeschlossen.
Im Mai 2021 schlossen die Gesellschafter ein Shareholder Agreement (SHA), das unter anderem die sogenannten „Bad Leaver“-Regelungen enthielt. Diese sahen vor, dass ein Founder seine Anteile nur bei vorsätzlichem Fehlverhalten oder grober Pflichtverletzung verliert. T. blieb zunächst Geschäftsführer sowohl der E GmbH als auch der Verfügungsbeklagten.
Ab April 2024 kam es zu Konflikten zwischen den Gründern T. und A. Über ein Untersuchungsbericht der Kanzlei K. wurde T. unter Sperrung seiner Zugänge freigestellt, und die Gesellschafterversammlung beschloss im Juni 2024 seine Abberufung wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen, darunter Vermögensschädigungen, Verstöße gegen die Geschäftsordnung und missbräuchliche Nutzung von Geschäftschancen. Im November 2024 wurde die Abberufung um private Steuerverfehlungen ergänzt, und die Vesting-Klausel der Bad Leaver-Regelung wurde ausgeübt. Die Verfügungsbeklagte reichte daraufhin eine Gesellschafterliste ein, die die Klägerin nicht mehr als Gesellschafterin ausweist.
Die Klägerin beantragte zunächst, die Eintragung einer geänderten Gesellschafterliste zu verhindern und sie weiterhin als Gesellschafterin zu behandeln. Das Landgericht wies die Anträge zurück, da die Abberufung von T. aus wichtigem Grund rechtmäßig erfolgt sei, insbesondere aufgrund vorsätzlicher Pflichtverletzungen. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein, wobei sie insbesondere die Weiterbehandlung als Gesellschafterin sowie die Unwirksamkeit der Vesting-Klausel geltend macht.
Die Berufung ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Das Kammergericht hält die Klausel in § 15.1 des Shareholder Agreements für unwirksam. Sie unterliegt einer Inhaltskontrolle, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB. Grund für die Bedenken ist, dass die Klausel den Verlust der Gesellschafterstellung ohne zeitliche Begrenzung vorsieht und damit nicht ausreichend berücksichtigt, dass ein Ausschluss eines Gesellschafters gegen dessen Willen nur als letztes Mittel zulässig ist. Ein Gesellschafter darf nur bei Vorliegen eines hinreichenden sachlichen Grundes, wie etwa einer schweren Verletzung von Pflichten, einem Verstoß gegen Wettbewerbsverbote oder einem tiefgreifenden Zerwürfnis unter den Gesellschaftern, von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
Die Klausel verknüpft jedoch automatisch die Abberufung als Geschäftsführer mit dem Verlust der Mitgliedschaft. Damit wird bereits der Entzug der Geschäftsführertätigkeit als ausreichender Grund für den Ausschluss der Gesellschafterstellung angesehen, obwohl hierfür mildere Maßnahmen, wie die reine Entziehung der Geschäftsführung, ausreichen würden. Durch diese unbefristete Kopplung wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzt, da Gesellschafter so ohne weiteren sachlichen Grund von ihrer Beteiligung an der Gesellschaft ausgeschlossen werden könnten.
Leuering betont, dass das KG bereits zuvor klargestellt hat, dass Vesting-Regelungen bei Start-up-Unternehmen wirksam sein können, wenn sie den Fortbestand der Gesellschafterstellung eines Gründers an dessen weiteren Einsatz binden und zeitlich befristet sind. In der aktuellen Entscheidung differenziert das Gericht diese Rechtsprechung weiter: Zeitlich unbefristete Regelungen seien unwirksam. Damit schränkt das KG die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der privaten Unternehmensorganisation ein. Da die Entscheidung auf § 138 I BGB gestützt wird, dürften auch andere kreative Gestaltungen, die wirtschaftlich dasselbe Ziel verfolgen, nichtig sein (Leuering in NJW-Spezial 2025, 464).
Darüber hinaus muss die Ausschließung eines Gesellschafters gegen dessen Willen muss ultima ratio bleiben und erfordert einen hinreichenden sachlichen Grund, z. B. nachhaltige und grobe Verletzung von Gesellschafterpflichten. Vorsätzliches oder strafrechtlich relevantes Handeln des Geschäftsführers muss daher konkret und glaubhaft nachgewiesen werden, um eine Abberufung und den Verlust der Gesellschafterstellung zu rechtfertigen. Der betroffene Gesellschafter kann jedoch durch Erlass einer einstweiligen Verfügung vor fehlerhafter Einziehung seiner Anteile geschützt werden. Bei der Zumutbarkeit der weiteren Tätigkeit eines Founders als Gesellschafter-Geschäftsführer ist indes eine Gesamtabwägung im Einzelfall vorzunehmen.