OLG München 33 Wx 44/25 e
Zur Ermittlung des Testierwillens

29.10.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
09.10.2025
33 Wx 44/25 e
BeckRS 2025, 27476

Leitsatz | OLG München 33 Wx 44/25 e

Der Auslegung einer Individualerklärung als Verfügung von Todes wegen steht nicht entgegen, dass in der Erklärung über die letztwillige Verfügung hinaus weitere Erklärungsinhalte (hier: Quittung) enthalten sind, soweit sich der Testierwille aus der Erklärung selbst oder den außerhalb der Urkunde liegenden Umständen sicher feststellen lässt.

Sachverhalt | OLG München 33 Wx 44/25 e

Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen einen Beschluss des Nachlassgerichts, das beabsichtigte, einen Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 2 nach gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Der Erblasser, ledig und kinderlos, war im Jahr 2022 verstorben. Die Beschwerdeführerin war seine Lebensgefährtin, die Beteiligte zu 2 seine nächste Verwandte.

In einem handschriftlichen Testament von 1999 hatte der Erblasser die Beschwerdeführerin zwar als Alleinerbin eingesetzt, das Testament aber nicht unterschrieben. In einem weiteren, unterschriebenen Schreiben aus dem Jahr 2002 „bestätigte“ der Erblasser ein Darlehen seiner Lebensgefährtin über 360.000 Euro für die Renovierung seines Hauses und ordnete an, dass dieser Betrag auf sein (beiliegendes) unverändert gültiges Testament dergestalt anzurechnen sei, dass es „im Falle seines Todes“ vom Nachlass abgezogen werden und steuerlich ihr „als Erbin zugutekommen“ solle.

Nachdem das Nachlassgericht die Formunwirksamkeit des Testaments von 1999 festgestellt hatte, reichte die Beschwerdeführerin auch das Schreiben von 2002 ein. Dennoch beantragte die Beteiligte zu 2 später einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie als Alleinerbin ausweist. 

Mit Beschluss vom 18.10.2024 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins an. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor. 

Entscheidung | OLG München 33 Wx 44/25 e

Das OLG München hielt die Beschwerde der Lebensgefährtin für begründet. Zwar sei das handschriftliche Testament aus dem Jahr 1999 wegen fehlender Unterschrift formunwirksam (§ 2247 Abs. 1 BGB), doch handele es sich bei dem Schriftstück aus dem Jahr 2002 um eine formgerechte (§ 2247 Abs. 1 BGB) und mit Testierwillen errichtete eigenständige Verfügung von Todes wegen. Testierwille setze dabei voraus, dass der Erblasser den ernstlich erklärten Willen habe, ein rechtsverbindliches Testament zu errichten. Die Feststellung dessen erfordere eine Prüfung des Gesamtverhaltens des Erklärenden einschließlich aller Nebenumstände (§ 133 BGB), wobei auch Umstände außerhalb der Urkunde sowie die allgemeine Lebenserfahrung von Bedeutung sein könnten. Der Erblasser müsse sich darüber im Klaren sein eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, die auch als solche verstanden werden könne. 

Durch die Anordnung des Erblassers, im Falle seines Todes solle die als Darlehen gewährte Summe vorweg aus dem Nachlass abgezogen werden und steuerlich der Beschwerdeführerin „als Erbin“ zukommen, habe der Erblasser zum einen die Steuerbelastung der Beschwerdeführerin im Rahmen der Erbschaftssteuer herabsetzen wollen, was jedoch nur bei tatsächlicher Erbeinsetzung der Beschwerdeführerin in Betracht komme. Der Erblasser habe zum anderen durch die Formulierung „als Erbin“ eindeutig zum Ausdruck gebracht, die Beschwerdeführerin als seine Rechtsnachfolgerin in wirtschaftlicher Hinsicht anzusehen. Da dies auch in einer formwirksamen Erklärung angeordnet worden sei, gehe der Senat mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einem verbindlichen Testament und somit einer wirksamen Erbeinsetzung aus. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht der einzige Anlass der Erklärung gewesen sei. Auch wenn das Schreiben formal wie eine Quittung beginne („bestätige“ bzw. „anerkenne“), zeige der Gesamtzusammenhang, dass der Erblasser mit Testierwillen gehandelt habe und eine rechtsverbindliche Verfügung von Todes wegen habe treffen wollen.

Praxishinweis | OLG München 33 Wx 44/25 e

Für die Praxis bedeutet dies, dass auch scheinbar alltägliche Schriftstücke testamentarische Bedeutung haben können, sofern sie eine eindeutige Anordnung für den Todesfall enthalten. Der Testierwille muss sich dabei aus dem gesamten Kontext ergeben, also aus Wortlaut, Form und den begleitenden Umständen der Erklärung. 

Notare sollten Mandanten daher zum einen ausdrücklich darauf hinweisen, dass die eigenhändige Unterschrift für die Wirksamkeit eines Testaments unverzichtbar ist und zum anderen jede Erklärung mit erkennbarer Rechtsbindungsabsicht für den Todesfall juristische Wirkung entfalten kann. Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht somit erneut, dass die sorgfältige Einhaltung der Formvorschriften und klare Formulierungen die beste Vorsorge gegen spätere Erbstreitigkeiten sind.