KG 21 U 156/23
AGB-rechtliche Anforderungen an Bauträgervollmachten zur Änderung von Teilungserklärungen

27.05.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
23.04.2025
21 U 156/23
BeckRS 2025, 8143

Leitsatz | KG 21 U 156/23

  1. Sehen die AGB eines Bauträgervertrags eine Vollmacht des Erwerbers an den Bauträger zur Änderung der Teilungserklärung vor, so ist diese nur wirksam, wenn sie die folgenden Beschränkungen einhält:

    - Das Sondereigentum und etwaige Sondernutzungsrechte des Erwerbers müssen unangetastet bleiben.
    - Das zur Benutzung des Sondereigentums erforderliche Gemeinschaftseigentum darf nicht mehr als unwesentlich beeinträchtigt werden.
    - Dem Erwerber dürfen keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegt werden.
    - Die Zweckbestimmungen der Sondereigentumsrechte an dem Grundstück dürfen nicht mehr als unwesentlich geändert werden.
     
  2. Darüber hinaus muss nicht geregelt werden, dass die Vollmacht nur aus „triftigem Grund“ verwendet werden darf, geschweige denn, dass solche Gründe im Einzelnen aufgelistet werden müssten.
  3. Verfügt ein Bauträger nicht über eine Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung, steht ihm aus dem Bauträgervertrag in Verbindung mit § 242 BGB gegen den Erwerber jedenfalls ein Anspruch auf Zustimmung zu derartigen Änderungen zu, solange sie die unter 1. aufgeführten Grenzen einhalten.
  4. Im Einzelfall kann der Änderungsanspruch des Bauträgers über die unter 1. aufgeführten Grenzen hinausgehen. 
     

Sachverhalt | KG 21 U 156/23

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Genehmigung eines vierten Nachtrags zur Teilungserklärung und zur Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Grundlage ist ein Bauträgervertrag, den die Parteien im Juli 2016 über eine Teileigentumseinheit abgeschlossen hatten. Die Klägerin war gemeinsam mit der G1 GmbH Bruchteilseigentümerin eines größeren Grundstücks in Berlin-Mitte, auf dem ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet und in einzelne Wohnungs- und Teileigentumseinheiten aufgeteilt wurde. Diese Einheiten wurden unterschiedlichen Untergemeinschaften zugeordnet, darunter auch die Untergemeinschaft B, die sogenannte Beherbergungseinheiten umfasste.

Bereits im Mai 2015 wurde eine Teilungserklärung beurkundet. Im Zuge der weiteren Projektentwicklung wurden Änderungen dieser Erklärung notwendig. Die Klägerin und die G1 GmbH ließen in Ausübung der ihnen in verschiedenen Bauträgerverträgen – darunter auch mit den Beklagten – erteilten Vollmachten mehrere Nachträge beurkunden. Der zweite Nachtrag aus dem Jahr 2017 sah insbesondere vor, dass die ursprünglichen 38 Beherbergungseinheiten in 58 kleinere Einheiten aufgeteilt und einem zentral organisierten Beherbergungsbetrieb unterstellt werden sollten. Auch die Einheit 210, die von den Beklagten erworben wurde, war von kleineren Änderungen im Zuschnitt betroffen.

Nach Beanstandungen durch das Grundbuchamt erklärten die Klägerin und die G1 GmbH im April 2022 einen vierten Nachtrag, mit dem unter anderem Planunterlagen angepasst, Angaben im Teilungsverzeichnis korrigiert und rechtliche Klarstellungen zu den vorgenommenen Änderungen getroffen wurden. Dabei handelten sie auch als Vertreter der Erwerber, obwohl die Beklagten die ihnen zuvor erteilte Vollmacht inzwischen widerrufen hatten. Aus diesem Grund forderte die Klägerin die Beklagten im Mai 2022 auf, den Nachtrag zu genehmigen. Dieser Aufforderung kamen die Beklagten nicht nach, weshalb die Klägerin Klage vor dem LG Berlin erhob. Neben der Genehmigung des Nachtrags verlangte sie ursprünglich auch die Zahlung eines offenen Restbetrags aus dem Bauträgervertrag, was im Laufe des Verfahrens jedoch übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.

Das LG wies die Klage mit Urteil vom 28. November 2023 ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, im Namen der Beklagten den Vertragsgegenstand des Bauträgervertrags nachträglich zu ändern. Die entsprechende Vollmachtsklausel sei wegen unangemessener Benachteiligung nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Auch eine Pflicht zur Zustimmung aus Treu und Glauben nach § 242 BGB bestehe nicht.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Sie macht geltend, sie sei zu den im zweiten und vierten Nachtrag enthaltenen Änderungen berechtigt gewesen, insbesondere aufgrund der erteilten Vollmacht, die ihrer Auffassung nach wirksam sei. Die Beklagten halten dem entgegen, dass die Berufung unbegründet sei, und beantragen deren Zurückweisung. Ziel der Klägerin ist es, die Beklagten zur Genehmigung des vierten Nachtrags verurteilen zu lassen.

Entscheidung | KG 21 U 156/23

Die Berufung ist zulässig und hat teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie allerdings unbegründet.

Die Klägerin hat lediglich teilweise einen Anspruch auf Genehmigung des 4. Nachtrags zum Bauträgervertrag 210. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus der Verpflichtung der Beklagten zur Vertragstreue gemäß § 242 BGB. Er besteht in Bezug auf die Punkte II.1., II.4. und II.5. des 4. Nachtrags, die Änderungen der Teilungserklärung betreffen. Infolgedessen hat die Klägerin auch Anspruch auf Genehmigung der Punkte I., IV., V. und VI., da diese lediglich ergänzende Bedeutung haben. Kein Anspruch besteht hingegen hinsichtlich der Punkte II.2. und II.3., die ebenfalls Änderungen der Teilungserklärung regeln, sowie der Punkte III.1. bis III.3., welche die Gemeinschafts- und Verwaltungsordnung betreffen.

Im Einzelnen ist Punkt II.1. des 4. Nachtrags genehmigungsfähig. Die Klägerin hat insoweit einen Anspruch aus § 242 BGB in Verbindung mit dem Bauträgervertrag (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 16, juris). Voraussetzung hierfür ist ein Genehmigungsbedürfnis. Ein solches fehlt, wenn die Klägerin auf Grundlage einer wirksamen Vollmacht im Sinne von § 12.1.1. des Bauträgervertrags bereits wirksam für die Beklagten hätte handeln können. Eine solche Vollmacht lag jedoch nicht vor, da § 12.1.1. des Vertrags wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 17 ff., juris). Der spätere Widerruf durch die Beklagten ist daher ohne Bedeutung.

Grundsätzlich darf sich ein Bauträger vom Erwerber eine Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung einräumen lassen, da während der Projektrealisierung Änderungsbedarf auftreten kann (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 19, juris). Diese Vollmacht muss jedoch inhaltlich beschränkt sein. Sie darf nicht zur nachträglichen Änderung des Vertragsgegenstands oder der vertraglichen Pflichten in unzumutbarer Weise führen. Im Innenverhältnis müssen bestimmte Beschränkungen gelten: Das Sondereigentum sowie Sondernutzungsrechte des Erwerbers dürfen nicht betroffen sein, das Gemeinschaftseigentum darf nur unwesentlich beeinträchtigt werden, und dem Erwerber dürfen keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegt werden. Ferner darf die Vollmacht nicht zu mehr als unwesentlichen Änderungen der Zweckbestimmung der Sondereigentumseinheiten berechtigen, beispielsweise durch Umwandlung von Wohn- in Teileigentum oder umgekehrt (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 19, juris).

Diese Einschränkungen stellen sicher, dass die Regelung den Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB genügt. Eine zusätzliche Voraussetzung eines „triftigen Grundes“ für Änderungen ist nicht erforderlich, wenn die inhaltlichen Beschränkungen eingehalten werden (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 22, juris). Dies ergibt sich auch aus der Auslegung des § 308 Nr. 4 BGB im Lichte der Klauselrichtlinie (Richtlinie 93/13/EWG). Der BGH verlangt lediglich, dass die Leistungsänderung auf Fälle beschränkt ist, die für den Verbraucher zumutbar sind. Eine ausdrückliche Aufzählung triftiger Gründe ist daher nicht zwingend notwendig.

Im konkreten Fall sind die Beklagten als Verbraucher anzusehen, auch wenn der Vertragsgegenstand eine Gewerbeeinheit betrifft und sie im Vertrag angegeben haben, Unternehmer im Sinne des UStG zu sein (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 26 ff., juris). Selbst wenn man sie als Unternehmer einordnet, müsste die Regelung der Änderungsvollmacht an den Anforderungen des § 307 Abs. 1 BGB gemessen werden, die im Wesentlichen denen des § 308 Nr. 4 BGB entsprechen (vgl. BGH v. 8. Juli 2022 – V ZR 206/21, Rn. 31, juris). Denn ein nachträgliches einseitiges Änderungsrecht ist auch Unternehmern gegenüber nur in engen Grenzen zulässig.

Kein Anspruch besteht hingegen hinsichtlich Punkt II.2. des 4. Nachtrags. Ein Genehmigungsbedürfnis liegt zwar vor, da die Änderungsvollmacht gemäß § 12.1.1. unwirksam ist (vgl. KG v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 67). Ein Anspruch aus § 242 BGB ergibt sich jedoch nicht. Maßgeblich ist nicht nur der Inhalt der Änderung, sondern die damit bezweckte Umgestaltung der Beherbergungseinheiten von 38 auf 58 Einheiten. Diese stellt keine bloße Teilung bestehender Einheiten dar, sondern beinhaltet auch eine Zweckänderung bislang als Lager- oder Abstellraum genutzter Flächen (vgl. KG v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 70). Dies führt zu einer nicht mehr unwesentlichen Änderung der Zweckbestimmung und ist somit genehmigungsunfähig.

Auch Punkt II.3. ist nicht genehmigungsfähig. Dieser regelt ein formales Hindernis für die grundbuchliche Umsetzung der Erhöhung auf 58 Einheiten und ist funktional mit Punkt II.2. verknüpft (vgl. KG v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 74).

Anders ist die rechtliche Bewertung hinsichtlich Punkt II.4. Dieses betrifft die Auflassungserklärung sowie Klarstellungen zur Teilung der ursprünglichen Einheit 49 in zwei Einheiten, wie bereits im 2. Nachtrag vorgesehen. Ein Genehmigungsbedürfnis liegt vor (vgl. KG v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 79), und ein Anspruch auf Genehmigung folgt aus § 242 BGB. Die Teilung einer noch nicht veräußerten Einheit durch den Bauträger stellt eine unwesentliche Änderung dar, die nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zulässig ist (vgl. BGH v. 27. April 2012 – V ZR 211/11, juris; KG, U v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 80).
Auch Punkt II.5. ist genehmigungsfähig. Dieser betrifft geringfügige Änderungen bei mehreren Teileigentumseinheiten, hauptsächlich in Bezug auf Pkw-Stellplätze (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 15. Oktober 2024, S. 9 ff.). Ein Genehmigungsbedürfnis liegt vor, und die Änderungen sind für andere Erwerber unwesentlich, sodass ein Anspruch aus § 242 BGB besteht (vgl. KG v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 82–84).

Hinsichtlich der Punkte III.1. bis III.3. besteht kein Genehmigungsanspruch. Diese betreffen Änderungen der Gemeinschaftsordnung zur Umsetzung der Erweiterung der Beherbergungseinheiten und knüpfen damit unmittelbar an die unzulässige Erhöhung der Einheitenzahl an. Zwar besteht ein Genehmigungsbedürfnis, doch ist ein Anspruch zu verneinen (vgl. KG v. 23. April 2025 – 21 U 156/23, BeckRS 2025, 8143, Rn. 85–93).

Praxishinweis | KG 21 U 156/23

Zunächst ist zu beachten, dass eine entsprechende Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung in Bauträgerverträgen nur dann wirksam ist, wenn sie bestimmte gesetzliche Beschränkungen einhält. Insbesondere müssen das Sondereigentum sowie etwaige Sondernutzungsrechte der Erwerber unangetastet bleiben. Darüber hinaus darf das zur Nutzung des Sondereigentums erforderliche Gemeinschaftseigentum nur unwesentlich beeinträchtigt werden, um die Interessen aller Eigentümer zu schützen. Zusätzlich dürfen den Erwerbern durch Änderungen keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegt werden. Auch die Zweckbestimmungen der Sondereigentumsrechte dürfen nur unwesentlich geändert werden, was insbesondere bedeutet, dass keine grundlegenden Umwidmungen oder Nutzungsänderungen ohne Zustimmung erfolgen dürfen.
Des Weiteren besteht ein Erfordernis, dass die Vollmacht ausdrücklich auf „triftige Gründe“ zu beschränken oder diese im Einzelnen aufzulisten. Vielmehr muss sie insgesamt so ausgestaltet sein, dass die Leistungsänderungen für den Verbraucher zumutbar sind. Sollte ein Bauträger keine wirksame Vollmacht besitzen, steht ihm dennoch aus dem Bauträgervertrag iVm § 242 BGB ein Anspruch auf Zustimmung zu Änderungen zu, solange diese innerhalb der genannten Grenzen bleiben. Im Einzelfall kann dieser Änderungsanspruch jedoch auch über diese Grenzen hinausgehen, sodass eine individuelle Prüfung notwendig ist.

Für die Praxis bedeutet dies konkret, dass vertragliche Regelungen zur Änderung der Teilungserklärung klar, präzise und rechtlich belastbar formuliert werden sollten, um spätere Streitigkeiten und Anfechtungen zu vermeiden. Erwerber sollten bei geplanten Änderungen besonders darauf achten, dass ihre Rechte gewahrt bleiben, und bei wesentlichen oder unzulässigen Änderungen frühzeitig Widerspruch einlegen. 

Zusammenfassend ergeben sich für die Praxis aus der Entscheidung des KG wichtige Hinweise, insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung von Vollmachten zur Änderung der Teilungserklärung in Bauträgerverträgen. So stärkt sie mitunter den Verbraucherschutz, indem sie willkürliche oder unangemessene Vertragsänderungen durch Bauträger einschränkt sowie klare Kriterien für zulässige Änderungen in Bauträgerverträgen setzt. Damit trägt das KG dazu bei, das Verhältnis zwischen Bauträger und Erwerbern transparenter und rechtssicherer zu gestalten.