09.05.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Karlsruhe
16.07.2024
19 W 29/24 (Wx)
NJW-RR 2024, 1549
Anforderungen an die Notbestellung eines Vorstandsmitglieds nach § 29 BGB [ PDF ]
Der Verein Golfclub H. e.V. ist seit 2023 in einem vorläufigen Insolvenzverfahren, das durch den einzigen verbleibenden Vorstandsvorsitzenden beantragt wurde. Die Vereinssatzung regelt in § 12, dass der Vorstand aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter und höchstens sechs weiteren Mitgliedern besteht. Gemäß § 14 der Satzung bilden den Vorstand im Sinne des § 26 BGB der Vorsitzende und dessen Stellvertreter, die jeweils einzelvertretungsberechtigt sind. Zur Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung verlangt § 11 der Satzung die Anwesenheit von zwei Vorstandsmitgliedern und mindestens 10 % der stimmberechtigten Mitglieder. Zum Zeitpunkt der Entscheidung bestand der Vorstand nur noch aus dem im Vereinsregister eingetragenen Vorsitzenden.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragten beim AG die gerichtliche Bestellung des Beteiligten zu 1) als weiteres Vorstandsmitglied nach § 29 BGB. Sie machten geltend, dass die gerichtliche Bestellung eines Notvorstands erforderlich für die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung sei, der Vorsitzende eine ordnungsgemäße Geschäftsführung verweigere und keine ordentliche Mitgliederversammlung einberufe.
Das AG lehnte den Antrag ab. Es sah keinen dringenden Grund für die Bestellung eines Notvorstands, da der Vorsitzende weiterhin vertretungsberechtigt sei und Mitgliederversammlungen einberufen könne. An die Stelle der nicht mehr durchführbaren Satzungsbestimmung des § 11 trete die gesetzliche Bestimmung, sodass die einzuberufende Mitgliederversammlung weiterhin beschlussfähig sei. Gegen diese Entscheidung legten die Beteiligten zu 1) bis 3) Beschwerde ein.
Die zulässige Beschwerde gem. §§ 58 ff. FamFG ist unbegründet. Das AG habe den Antrag auf gerichtliche Bestellung des Beteiligten zu 1) als weiteres Vorstandsmitglied nach § 29 BGB zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet, da die Voraussetzungen des § 29 BGB nicht vorlägen. Die Bestellung eines weiteren Vorstandsmitglieds durch das Gericht sei nicht dringend erforderlich.
Zunächst fehle kein zur Vertretung des Vereins unentbehrliches Vorstandsmitglied, da der Vorsitzende gemäß § 14 der Vereinssatzung einzeln zur Vertretung des Vereins berechtigt sei.
Soweit geltend gemacht werde, dass der Vorsitzende eine ordnungsgemäße Geschäftsführung verweigere, keine ordentliche Mitgliederversammlung einberufe und einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins gestellt habe, sei nach Auffassung des OLG Karlsruhe zu beachten, dass die Regelung des § 29 BGB nicht dazu diene, in vereinsinterne Streitigkeit einzugreifen. Insoweit müsse der Verein die eigenen, in der Satzung geregelten Mittel anwenden, insbesondere entsprechende Beschlüsse der Mitgliederversammlung herbeiführen, auch zur Neuwahl von Vorstandsmitgliedern. Beruft der Vorsitzende keine Mitgliederversammlung ein, stehe den Vereinsmitgliedern ein Vorgehen nach § 37 Abs. 2 BGB zur Verfügung.
Auch die Beschwerdebegründung, der Vorsitzende könne die satzungsgemäßen Aufgaben nicht erfüllen, weil die Satzung einen mehrgliedrigen Vorstand vorsehe, sei unzutreffend. Entscheidend sei, dass ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied verbleibt, das die Aufgaben weiterhin wahrnehmen kann und muss. Die Satzung sehe zwar einen mehrgliedrigen Vorstand vor, enthalte jedoch keine Bestimmung, die das Handeln eines einzelnen Vorstandsmitglieds ausschließe. In einem solchen Fall bilde der verbliebene Vorsitzende allein den Vorstand. Soweit die streitgegenständliche Satzung regle, dass der Vorstand bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Vorstandsmitglieder beschlussfähig sei und mit Stimmenmehrheit entscheide, erfülle der nur aus dem Vorsitzenden bestehende Vorstand diese Anforderungen, der nun mit seiner Stimme beschließe. Zudem sei der Vorsitzende gemäß § 14 der Satzung alleinvertretungsberechtigt.
Zwar sei zutreffend, dass nach dem Wortlaut von § 11 der Vereinssatzung die Mitgliederversammlung nur beschlussfähig sei, wenn mindestens zwei Vorstandsmitglieder und ein Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, die nach dem Wortlaut der Satzung für die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung erforderlich sind, könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass an die Stelle der Satzung die Regelungen des BGB treten. Die planwidrige Regelungslücke in § 11 der Vereinssatzung könne jedoch im Wege einer ergänzenden Auslegung aufgrund des Sinngehalts der Regelung, der Bedeutung der Mitgliederversammlung als oberstes Organ des Vereins und des Gesamtzusammenhangs der Satzung dahingehend geschlossen werden, dass für die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung neben der erforderlichen Anwesenheit der Vereinsmitglieder auch die Anwesenheit des einzig verbliebenen Vorstandsmitglieds genüge.
Die Bedeutung der Entscheidung geht weit über das Vereinsrecht hinaus und kann dahingehend verallgemeinert werden, dass § 29 BGB nicht der Klärung verbands- bzw. gesellschaftsinterner Streitigkeiten dient. Denn einerseits findet § 29 BGB im Recht der GmbH entsprechende Anwendung. Andererseits verfügt auch das Aktienrecht mit § 85 AktG über eine inhaltlich vergleichbare Spezialregelung.
Darüber hinaus ist der Entscheidung des OLG Karlsruhe zuzustimmen. Denn zum einen stellt die gerichtliche Bestellung eines Notvorstands einen Eingriff in die Vereinsautonomie dar, der nicht in Betracht kommen kann, solange das einzelvertretungsberechtigte Vorstandsmitglied den Verein weiterhin aktiv und passiv vertreten kann. Auch die ergänzende Satzungsauslegung erscheint sachgerecht. Die dem Wortlaut der Satzung nach zur Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung erforderliche Anwesenheit mindestens zweier Vorstandsmitglieder diente aufgrund der Stimmrechtsgleichheit von Vereins- und Vorstandsmitgliedern ersichtlich der Informationsversorgung der Mitglieder, welche aber auch bei Anwesenheit des einzig verbliebenen Vorstandsmitglieds gewährleistet ist. Letztlich stärkt die Entscheidung die Rechte der Mitgliederversammlung. Während die Befugnisse des Vorstandsmitglieds unangetastet bleiben, wird die Überwachungsfunktion der Versammlung abgesichert.