OLG München 23 U 5742/19
Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Unternehmensverkauf über Krisenanzeichen und Verlustausmaß

29.09.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
03.12.2020
23 U 5742/19
GmbHR 2021, 551

Leitsatz | OLG München 23 U 5742/19

  1. Bei einem Unternehmensverkauf muss der Verkäufer in der Regel auch ungefragt über gewichtige Krisenanzeichen und das richtige Ausmaß von Verlusten informieren.
  2. Irreführende Angaben zur wirtschaftlichen Lage können durch im weiteren Verlauf des Verkaufsprozesses zur Verfügung gestellte Unterlagen nicht beseitigt werden, wenn diese ihrerseits kein vollständiges Bild dazu vermitteln.
  3. Ein vertraglicher Haftungsausschluss wegen Mängeln erfasst grundsätzlich nicht die Haftung für schuldhafte Aufklärungspflichten aus cic.

Sachverhalt | OLG München 23 U 5742/19

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einem gesellschaftsrechtlichen Notarvertrag über den Unternehmenskauf einer GmbH & Co. KG.

Der Kläger war im Jahr 2012 alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG (KG), sowie alleiniger Geschäftsführer der Komplementär GmbH (K GmbH). Die KG betrieb eine Diskothek, welche sie am 15.08.2012 von der B GmbH erworben hatte, sowie eine Spielhalle und bis zum 30.06.2013 eine Bar.

Im Herbst 2013 bot der Kläger die Diskothek zum Kauf an, wobei er mit einem „sehr schnellem return of investment“ warb. Es kam daraufhin zu Verhandlungen mit den Beklagten zu 1.) und 2.). In Zuge dessen wurde diesen Summen- und Saldenrechnungen sowie betriebswirtschaftliche Erfolgsrechnungen (BWA) vorgelegt. Die BWA von Januar bis September 2013 wies ein negatives Betriebsergebnis von -56.405,94 € aus, die von Januar bis Dezember 2013 von -30.756,95 €. Auf Nachfrage erwiderte der Kläger: „…Deine Bedenken …möchte ich mit den aktuellen Umsätzen entkräften. … Wie du siehst, bzw. von mir angekündigt, geht das ganze jetzt wieder erheblich ins Plus.“ Neben den negativen BWA gab es verschiedene Anzeichen für Illiquidität der Gesellschaft, worüber der Kläger nicht informierte.

Die Parteien schlossen am 01.04.2014 einen notariellen Einbringungs- und Veräußerungsvertrag. Der Kläger brachte seine Anteile an der GmbH in die KG ein und übertrug die Geschäftsführungsbefugnis für die Anteile an die Kommanditisten der KG. Die Beklagten wurden weitere Kommanditisten der KG und zahlten eine Einlage von 100.000 € sowie weitere 40.000 € zur Tilgung des Darlehens bei der GmbH.

Am 23.02.2015 stellten die Beklagten für die KG einen Insolvenzantrag, woraufhin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der erstellte Jahresabschluss für 2013 wies einen Jahresfehlbetrag von 89.312,27 € aus, welcher durch zusätzliche Verluste durch die Bar zustande kam.

Der Kläger kündigte daraufhin ein Darlehen und klagte auf Zahlung. Die Beklagten erklärten am 18.06.2015 die Anfechtung des notariellen Vertrages und fordern die Rückabwicklung des Vertrages.

Entscheidung | OLG München 23 U 5742/19

Das OLG hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage hin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für begründet erachtet und den Beklagten Käufern Schadensersatz aus c.i.c. zugesprochen.

Zum einen habe der Verkäufer falsche Tatsachen vorgespielt, weil er durch seine Aussage, das ganze gehe wieder erheblich ins Plus, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu positiv dargestellt habe. Er habe dadurch beim Käufer den Eindruck erweckt, das Unternehmen habe in der Vergangenheit bereits einmal Gewinn erwirtschaftet. Gleiches gelte für seine Annonce, die auf Grund der fehlenden Rentabilität ohne Tatsachengrundlage abgegeben wurde.

Außerdem träfe dem Verkäufer beim Unternehmensverkauf eine gesteigerte Aufklärungspflicht (BGH vom 04.04.2001, VIII ZR 32/00), weil der Erwerber von außen nur schwer das Kaufobjekt richtig bewerten könne. Diese umfasse solche Umstände, die die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft ernsthaft gefährden, insbesondere die Insolvenzreife. Der Verkäufer habe diese Pflicht verletzt, weil er weder hinreichend über wirtschaftliche Krisenanzeichen noch über das wahre Ausmaß der Unrentabilität informiert habe. So war der tatsächliche Jahresfehlbetrag mehr als doppelt so hoch wie der Betrag, der in den zur Verfügung gestellten BWA ausgewiesen wurde.

Die Anfechtungserklärung sei auch fristgerecht erfolgt, weil nicht feststehe, dass die Käufer mehr als ein Jahr vor Anfechtungserklärung von dem wahren Ausmaß der wirtschaftlichen Situation der KG wussten.

Daran ändere die mit Geschäftsübergabe bestehende Möglichkeit die Geschäftsunterlagen zu sichten nichts.

Der im Vertrag geregelte Haftungsausschluss käme nicht zur Anwendung, weil er sich nur auf Sachmängel beziehe und im Übrigen gem. § 276 Abs. 3 BGB ohnehin nicht greife, weil der Verkäufer vorsätzlich die Tatsachen verschwiegen habe.

Praxishinweis | OLG München 23 U 5742/19

Die OLG-Entscheidung zeigt, dass irreführende Aussagen für die wirtschaftliche Situation der zu verkaufenden Gesellschaft schnell als arglistige Täuschung gewertet werden können und der Vertrag damit rückabgewickelt wird, sowie Schadensersatzansprüche verlangt werden können.

Es sind daher die gesteigerten Aufklärungspflichten zu beachten, wonach auch ungefragt über die für den Käufer wesentlichen Umstände unterrichtet werden muss. Hierzu gehören insbesondere solche, die den Vertragszweck des Käufers vereiteln oder die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft ernsthaft gefährden können.