LG Mannheim 21 O 1/20
Auflösung einer Gesellschaft durch einfachen Mehrheitsbeschluss

27.09.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Mannheim
18.03.2021
21 O 1/20
BeckRS 2021, 4985

Leitsatz | LG Mannheim 21 O 1/20

  1. Die Auflösung einer Kommanditgesellschaft kann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, auch wenn die gesellschaftsvertragliche Klausel (hier: „Soweit dieser Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt, werden alle Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefasst. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.“) die Auflösung nicht explizit nennt, indes „alle“ Beschlüsse erfasst.
  2. Die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft an sich gehört nicht zu den relativ unentziehbaren Rechten. Der mit hinreichender Mehrheit gefasste Auflösungsbeschluss trägt damit grundsätzlich seine Legitimation in sich, sodass die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat.

Sachverhalt | LG Mannheim 21 O 1/20

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eine mit einfacher Mehrheit beschlossenen Aufhebungsbeschluss einer KG.

Die Kläger sind Kommanditisten einer KG und wenden sich gegen den Auflösungs- und Liquidationsbeschluss der Gesellschafterversammlung, welche nur mit den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters getroffen wurden.

Der Gesellschaftsvertrag sah zur Auflösung keine explizite Regelung vor. Nach diesem sollten alle Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit getroffen werden, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vorsieht.

Die Liquidation sollte so ablaufen, dass die Komplementärin hierzu beauftragt wird und alle unbaren Vermögenswerte (Immobilien) an den meistbietenden der Gesellschafter veräußert werden soll.

Die Kommanditisten sind der Auffassung, die Beschlüsse hätte einstimmig erfolgen müssen und würden die Rechte als Minderheitsgesellschafter treuwidrig missachten, weshalb die Beschlüsse formell und materiell rechtswidrig seien.

Der Beklagte beantragte hilfswiderklagend die Kläger zu verpflichten, an der Auflösung und Liquidation mitzuwirken.

Entscheidung | LG Mannheim 21 O 1/20

Das Gericht hat die Klage zugunsten des Beklagten abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Die Beschlüsse seien formell und materiell rechtmäßig.

Die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit erfolge im Wege der Auslegung des Gesellschaftsvertrages. Dieser bestimmt nach dem Wortlaut des § 7 GV, dass grundsätzlich alle Beschlüsse der einfachen Mehrheit bedürfen. An einer anderen Stelle habe der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen, wobei die Auflösung nicht explizit geregelt sei. Daher sei der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Auflösung dahingehend auszulegen, dass nur eine einfache Stimmenmehrheit für den Beschluss ausreichend sei.

Die Auflösung der Gesellschaft habe auch kein Sonderrecht i.S.v. § 35 BGB oder relativ unentziehbares Recht der Kommanditisten zum Gegenstand. Letztere seien nur gesetzlich oder vertraglich individuell zustehende Rechte, welche die Stellung als Gesellschafter maßgeblich prägen. Die Mitgliedschaft als solche sei nicht per se ein solches Recht, weil die Auflösung der Gesellschaft in der Regel nicht in dem Interesse der Kommanditisten steht und die Auflösung deshalb – selbst bei qualifizierter Mehrheitsklausel – fast nicht wirksam beschlossen werden könnte. Dieses Ergebnis könne nicht gewollt sein.

Da die Beschlüsse rechtmäßig ergangen seien, müssten die Kommanditisten auch an deren Umsetzung mitwirken.

Praxishinweis | LG Mannheim 21 O 1/20

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine klare Regelung im Gesellschaftsvertrag ist, welche die Bedingungen für die Auflösung der Gesellschaft definiert. Insbesondere die Kommanditisten sollten bei Gesellschaftsgründung auf eine entsprechende Regelung drängen, wenn entsprechende einfache Mehrheitsentscheidungen verhindert werden sollen. Des Weiteren sollte immer die Motivation hinterfragt werden, die hinter den Beschlüssen steht, weil auch bei Rechten, die nicht unentziehbar sind, der Nachweis der Treuwidrigkeit gelingen kann. Die Entscheidung stellt dem Mehrheitsgesellschafter keinen Freischein für sämtliche Beschlüsse aus.