15.12.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
22.05.2025
V ZB 46/24
ZEV 2025, 587
Der Grundbesitz stand ursprünglich im Eigentum des Erblassers. Dieser hatte den Generalbevollmächtigten eine über den Tod hinauswirkende notarielle Generalvollmacht zur Besorgung sämtlicher seiner Angelegenheiten erteilt. Nach dem Tod des Erblassers wurde die befreite Vorerbin als Eigentümerin in die Grundbücher eingetragen. Im August 2023 erfolgte in Abteilung II die Eintragung des folgenden Nacherbenvermerks:
„Nacherbfolge ist angeordnet. Nacherben beim Tode der befreiten Vorerbin sind die Abkömmlinge der Vorerbin, mit Ausnahme adoptierter Abkömmlinge. Ersatznacherbin ist die von dem Testamentsvollstrecker zu errichtende […] Stiftung.“
Die befreite Vorerbin und die Generalbevollmächtigten haben im April 2024 unter Vorlage der Generalvollmacht die Löschung der Nacherbenvermerke bewilligt und beantragt. Das Grundbuchamt hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der befreiten Vorerbin hat das OLG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Löschungsantrag weiter.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der BGH stellt fest, dass die Löschung der Nacherbenvermerke nicht verweigert werden kann. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einen Nacherbenvermerk nach § 51 GBO zu löschen, wenn die Löschung von den Nacherben und den Ersatzerben bewilligt oder der Unrichtigkeitsnachweis geführt wird. Eine entsprechende Unrichtigkeit des Grundbuchs kann sich insbesondere daraus ergeben, dass das zum Nachlass gehörende Grundstück endgültig aus dem Nachlass ausgeschieden ist und sich die Nacherbfolge somit nicht mehr darauf erstreckt. Vorliegend geht es aber darum, dass die befreite Vorerbin ihr Löschungsbegehren auf die vorgelegten Löschungsbewilligungen der Generalbevollmächtigten stützt. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein transmortal Bevollmächtigter bis zum Eintritt des Vorerbfalls nur zur Vertretung des Vorerben, nicht aber des Nacherben berechtigt sein könne. Dies ist umstritten. Das Beschwerdegericht war der Ansicht gefolgt, dass eine vom Erblasser über den Tod hinaus erteilte Vollmacht den Bevollmächtigten lediglich bis zum Nacherbfall zur Vertretung des Vorerben berechtige. Erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls könne der Bevollmächtigte den Nacherben vertreten. Eine Wahrnehmung der Rechte der Nacherben durch Dritte vor dem Nacherbfall werde erbrechtlich nur durch eine Nacherbentestamentsvollstreckung nach § 2222 BGB ermöglicht. Nach einer anderen Ansicht, der auch der BGH folgt, kann ein Dritter mit einer über den Tod des Erblassers hinauswirkenden Vollmacht dazu ermächtigt werden, vor dem Nacherbfall nicht nur den Vorerben, sondern auch den Nacherben zu vertreten.
Eine Vollmacht kann im Rahmen des § 168 S. 1 BGB über den Tod des Vollmachtgebers hinauswirken. Obwohl der Bevollmächtigte seine Vertretungsmacht ausschließlich vom Erblasser ableitet, vertritt er nach dem Todesfall nicht den Erblasser oder den Nachlass, sondern die Erben, aber beschränkt auf den Nachlass. Dies ist auch bei einer postmortalen Vollmacht der Fall, die erst mit dem Tod des Vollmachtgebers wirkt. Im Rahmen der Vor- und Nacherbschaft wird mit dem Erbfall zunächst der Vorerbe zum Erben, auf den nach § 1922 BGB im Wege der Universalsukzession der Nachlass übergeht. Der Nacherbe erlangt aber bereits mit dem Erbfall eine unentziehbare und unbeschränkbare Rechtsstellung. Diese gewährt ihm in Bezug auf die Erbschaft zahlreiche Rechte und sichert ihm das künftige Erbrecht. Aus diesem Grund kann auch der Nacherbe durch einen Dritten vertreten werden, der durch den Erblasser transmortal bevollmächtigt ist. Dies entspricht auch dem Zweck der transmortalen Vollmacht. Der Erblasser möchte mit Erteilung einer transmortalen Vollmacht die Fürsorge für den Nachlass und dessen Handlungsfähigkeit sicherstellen. Da die Übergangszeit bis zur Klärung der Erbenstellung oder Erteilung eines Erbscheins mitunter sehr lang sein kann, soll es dem Bevollmächtigten möglich sein, in dieser Zeit über Nachlassgegenstände zu verfügen. Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn bei einer Nacherbschaft der Bevollmächtigte nur den Vorerben und nicht auch den Nacherben vertreten könnte. Beispielsweise wären Verfügungen über Grundstücke oder Grundstücksrechte aufgrund der nach §§ 2112 ff. BGB bestehenden Verfügungsbeschränkungen kaum noch möglich, da der Vorerbe regelmäßig ohne Zustimmung des Nacherben nicht über ein Grundstück oder das Grundstück betreffende Rechte verfügen kann. Weiterhin würde die transmortale Vollmacht im Rechtsverkehr erheblich entwertet, wenn nach dem Tod des Vollmachtgebers Unklarheit über die Reichweite der Bevollmächtigung entstünde. Insbesondere im Grundbuchverkehr soll die transmortale Vollmacht Nachweisschwierigkeiten und Verzögerungen vermeiden. Eine damit verbundene potenzielle Schwächung des Nacherbenschutzes ist hinzunehmen, da der Erblasser bestimmt, wie weit die Rechte des Nacherben reichen. Die einem Dritten erteilte transmortale Vollmacht kann nach dem Eintritt des Vorerbfalls auch die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch umfassen. Der Erblasser kann zwar nicht einerseits die Vor- und Nacherbfolge anordnen und andererseits bestimmen, dass der Nacherbenvermerk nicht eingetragen werden soll. Allerdings handelt der Bevollmächtigte nach dem Tod des Erblassers nicht mehr für diesen, sondern u.a. auch für die Nacherben. Da die Nacherben die Möglichkeit haben, die Löschung des Nacherbenvermerks zu bewilligen, kann dies auch ein transmortal bevollmächtigter Dritter, wenn dieses Recht von der Vollmacht umfasst ist. Der Umfang der Bevollmächtigung ist dann durch Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Enthält die Vollmacht keine dahingehenden Einschränkungen, muss angenommen werden, dass der Erblasser die Verfügungsmacht des Bevollmächtigten für die Zeit nach seinem Tod außer Frage stellen will. Dies gilt erst recht bei einer umfassenden Generalvollmacht.
Die Entscheidung des BGH hat Zuspruch verdient. Durch sie wird die Rechtsstellung der transmortal Bevollmächtigten, insbesondere der General- und Vorsorgebevollmächtigten, gestärkt. Ziel ist es, dem Willen des Vollmachtgebers nach einer beschleunigten und vereinfachten Nachlassabwicklung zum rechtlichen Erfolg zu verhelfen. Der BGH weist in einem obiter dictum zudem darauf hin, dass dies auch für die postmortale Vollmacht gelten soll. Die Entscheidung des Senats schwächt zwar unter Umständen die rechtliche Position des Nacherben, sie stärkt aber andererseits die Testier- und Gestaltungsfähigkeit des Erblassers und dient darüber hinaus auch der Sicherheit des Rechtsverkehrs im Umgang mit trans- bzw. postmortal Bevollmächtigten (Litzenburger, FD-ErbR 2025, 813886).