13.05.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
18.03.2025
II ZR 77/24
BeckRS 2025, 6054
Gibt ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf deren Geschäftspapier eine Erklärung ab, die Wirkung auf die Vertragsbeziehungen der Gesellschaft entfalten soll, geht der objektive Erklärungswert einer solchen Erklärung grundsätzlich dahin, dass diese im Namen der Gesellschaft abgegeben werden soll.
Der Kläger und seine Brüder T. und J. F. waren zu gleichen Anteilen Gesellschafter der Gebrüder F. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), wobei der Kläger neben T. F. zur Einzelvertretung berechtigter Geschäftsführer der Schuldnerin war. Nach der Satzung der Schuldnerin wird die Gesellschaft bei Abschluss, Änderung oder Beendigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags „durch die Gesellschafter und die Geschäftsführung gemeinsam vertreten“.
In der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin vom 23. Dezember 2019 wurde beschlossen, den Kläger als Geschäftsführer der Schuldnerin abzuberufen und den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers fristlos zu kündigen. Mit Schreiben vom selben Tag auf dem Geschäftspapier der Schuldnerin, das T.F. als Geschäftsführer der Schuldnerin nannte, erklärte T. F., der von der Gesellschafterversammlung mit dem Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger beauftragt worden war, die fristlose Kündigung des mit dem Kläger geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrags gegenüber dem Kläger. Daneben enthielt das Schreiben den Ausspruch eines Hausverbots.
Mit Schlussurteil vom 20. Januar 2022 hat das Landgericht die Schuldnerin zur Zahlung eines Geschäftsführergehalts für den Zeitraum Dezember 2019 bis Dezember 2020 in Höhe von insgesamt 84.825 € verurteilt. Im Laufe des von der Schuldnerin betriebenen Berufungsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden und der Beklagte als Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte nach Zurückweisung der Berufung seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiter.
Die Revision hatte Erfolg. Das Berufungsurteil hielt einer rechtlichen Nachprüfung des BGH nicht stand. Der BGH stützte sich dabei auf die Missachtung allgemein anerkannter Auslegungsregeln durch das Berufungsgericht bei der Auslegung des Kündigungsschreibens vom 23. Dezember 2019. Konkret hatte das Berufungsgericht angenommen, die Kündigung sei nicht wirksam erfolgt, da T. F. die Erklärung lediglich als Vertreter der Gesellschafter abgegeben habe und nicht – wie der Satzung erforderlich – auch (erkennbar) als Geschäftsführer der Schuldnerin.
Der BGH widersprach dem und betonte, dass zwar der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung bilde, es jedoch ständiger Rechtsprechung des BGH entspreche, dass selbst ein vermeintlich klarer und eindeutiger Wortlaut der Erklärung keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände bilde, weshalb insbesondere auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen sei. Gibt ein Geschäftsführer einer GmbH auf deren Geschäftspapier eine Erklärung ab, die Wirkung auf die Vertragsbeziehungen der Gesellschaft entfalten soll, geht der objektive Erklärungswert einer solchen Erklärung grundsätzlich dahin, dass diese im Namen der Gesellschaft abgegeben werden soll. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Geschäftsführer ausdrücklich „in Vertretung“ oder als „Geschäftsführer“ zeichnet, wenn sich seine Stellung, wie hier, für den Erklärungsempfänger erkennbar, durch seine gemäß § 35a Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorgeschriebene Namhaftmachung auf dem Geschäftsbrief ergibt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Auch sei vorliegend der weitere Inhalt des Schreibens für die Auslegung der Erklärung heranzuziehen. In diesem sei neben der Kündigungserklärung ein Hausverbot ausgesprochen worden, das typischerweise eine Maßnahme der Geschäftsführung darstelle und hier auch nicht vom Auftrag der Gesellschafterversammlung umfasst gewesen sei. Durch Ausspruch des Hausverbots und der Kündigungserklärung in einem Schreiben lag aus Sicht des BGH für den Erklärungsempfänger – also den Kläger – objektiv erkennbar eine Kündigungserklärung durch den Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft.
Das Berufungsurteil war danach insgesamt aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Kündigung treffen kann.
Der BGH bestätigt mit seiner Entscheidung erneut die Grundsätze seiner ständigen Rechtsprechung zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen: Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der Erklärung (objektiver Empfängerhorizont) aus Sicht eines objektiven Dritten in der Situation des Empfängers (§§ 133, 157 BGB). Dabei sind neben dem Wortlaut der Erklärung stets die Gesamtumstände zu berücksichtigen, unter denen die Erklärung abgegeben wurde.
Für die Praxis bedeutet das: Auch wenn formal unvollständige Erklärungen (z. B. ohne ausdrücklichen Vertretungshinweis) unter Umständen wirksam sein können, sollten klar erkennbare und eindeutige Formulierungen gewählt werden. Dies betrifft insbesondere Vertretungszusätze wie „in Vertretung“, aber auch eine deutliche Angabe der Funktion des Handelnden.
Nur so lässt sich vermeiden, dass spätere Streitigkeiten über den Erklärungsinhalt oder die Wirksamkeit einer Erklärung entstehen. Rechtssicherheit beginnt mit präziser Gestaltung.