OLG München 7 U 7279/20
Ausschluss eines Gesellschafters und Einziehung seiner Anteile

25.03.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
16.06.2021
7 U 7279/20
NZG 2021, 1223

Leitsatz | OLG München 7 U 7279/20

  1. Bei der Abstimmung über die Erhebung einer Ausschließungsklage hat der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden soll, kein Stimmrecht (Anschluss an BGH NJW 1955, 667).  (Rn. 49)
  2. Ob tatsächlich ein wichtiger Grund für den Ausschluss eines Gesellschafters vorliegt, ist für den Beschluss über die Erhebung der Ausschließungsklage unerheblich, denn diese Frage ist ausschließlich im Rechtsstreit über die Ausschließungsklage zu entscheiden (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 1650). (Rn. 50)
  3. Ein rechtskräftiges Ausschließungsurteil ermächtigt die Gesellschaft, den nunmehr trägerlos gewordenen Anteil des ausgeschlossenen Gesellschafters zu verwerten, wobei eine der möglichen Verwertungsarten neben der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an einen Dritten oder der Übernahme der Anteile durch die Gesellschaft die Einziehung der Gesellschaftsanteile darstellt, selbst wenn dies in der Satzung nicht vorgesehen ist. (Rn. 55 – 56)
  4. Ein Einziehungsbeschluss ist unwirksam, wenn bereits bei Beschlussfassung feststand, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft bezahlt werden kann (Anschluss an BGH BeckRS 2018, 16736). (Rn. 58)
  5. Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über ihre Vertretung im Ausschließungsprozess folgt als Annex aus ihrer Zuständigkeit, über die Erhebung einer Ausschlussklage zu beschließen. (Rn. 70)

(nichtamtliche Leitsätze)

Sachverhalt | OLG München 7 U 7279/20

Die Beklagte ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro, das voll eingezahlt ist. Ihr Alleingesellschafter war zunächst WK. Die Satzung der GmbH regelt weder den Ausschluss eines Gesellschafters noch die Einziehung der Anteile eines Gesellschafters. WK übertrug am 19.11.2009 jeweils 50% der Anteile an der Gesellschaft an den X (Sohn des WK) und an den Y gegen Zahlung von insgesamt 25.000 Euro. Der Kaufpreis wurde von X und Y je zur Hälfte gezahlt. Der Nebenintervenient übernahm am 21.09.2017 in Vollzug einer Urkunde des Notars N den Geschäftsanteil des Y.

Der Kläger reichte am 25.06.2018 eine Klage beim LG München ein, in welcher er den Ausschluss des Beklagten (hier Nebenintervenient) aus der GmbH und die Einziehung bzw. Abtretung der Geschäftsanteile an sich oder einen Dritten gegen Abfindung begehrt. Der A wurde daraufhin mit Beschluss des AG München zum Notgeschäftsführer der Beklagten (GmbH) bestellt.

Der Kläger lud mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2018 zu einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 28.11.2018 ein. Es wurde kein Versammlungsleiter bestimmt. Der Nebenintervenient nahm an der Abstimmung bzgl. des streitigen Beschlussvorschlags teil und stimmte dagegen, während der Kläger dafür stimmte. Das Abstimmungsergebnis ist streitig.

Die Klage wurde mit Endurteil vom 28.02.2019 vom LG München abgewiesen, da feststehe, dass das Vermögen der Beklagten nicht ausreiche, um die Abfindung des Nebenintervenienten daraus zu bezahlen. Die Berufung des Klägers ist vor dem Senat anhängig. Das OLG München hob den Schluss des AG München vom 20.07.2018 auf und das AG bestellte Herrn M zum Notgeschäftsführer der Nebenintervenientin. Das LG München wies die Klage schließlich mit Urteil vom 22.09.2020 als unzulässig ab. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis, da das verfolgte Ziel auch ohne den begehrten Titel, nämlich mit Gestaltungsklage erreicht werden könne. Der Kläger legt Berufung ein und verfolgt sein erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Entscheidung | OLG München 7 U 7279/20

Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet. Begründet sei die Klage insoweit, als festzustellen war, dass die Parteien in der Gesellschafterversammlung vom 28.11.2018 zu folgendem Ergebnis gekommen seien: Gegen den Nebenintervenienten werde eine Ausschluss- und Einziehungsklage aus der GmbH gegen Zahlung einer Abfindung erhoben. Außerdem werde der Gesellschafter J ermächtigt, die GmbH bei der Ausschlussklage zu vertreten.

Allerdings sei die Berufung im Übrigen unbegründet. Entgegen der Auffassung des LG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung, ob die Gesellschafterversammlung einen Beschluss über den Verbleib des trägerlosen Gesellschaftsanteils des Nebenintervenienten bei unterstelltem Ausschluss gefasst habe. Unabhängig davon bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis bereits deshalb, weil die Satzung der Gesellschaft den Ausschluss nicht regelt und die Gesellschaft einen Ausschluss nur durch Gestaltungsklage bewirken könne, über welche zuvor in der Gesellschafterversammlung abgestimmt werden müsse. Sei, wie hier, die Beschlussfassung streitig, müsse die Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellung des Beschlussergebnisses bestehen. Daran ändere auch nichts, dass der eine Gesellschafter eine Klage auf Ausschließung des anderen Gesellschafters erheben könne, weil es sich bei der GmbH um eine zweigliedrige GmbH handelt. Die Verneinung eines Rechtsschutzbedürfnisses würde einer Gesellschaft vielmehr die Erhebung einer Ausschließungsklage verwehren, da es sich bei dem Klageerhebungsbeschluss der Gesellschafterversammlung schließlich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung einer durch die Gesellschaft erhobenen Ausschlussklage handelt.

Im Hinblick auf den Beschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage gegen den Nebenintervenienten sei der Beschluss mit einer Mehrheit von 75 % gefasst worden. Der Nebenintervenient habe dabei kein Stimmrecht gehabt, da sich die Ausschlussklage auf ihn selbst bezieht. Unerheblich sei für die Beschlussfassung, ob tatsächlich ein wichtiger Grund für den Ausschluss des Nebenintervenienten besteht.
Ein Beschluss, dass der Geschäftsanteil des Nebenintervenienten mit Rechtskraft des Urteils über seinen Ausschluss eingezogen werde, sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig und damit nicht zustande gekommen. Ein rechtskräftiges Ausschließungsurteil ermächtige die Gesellschaft jedoch, den trägerlos gewordenen Anteil des ausgeschlossenen Gesellschafters zu verwehrten. Dabei müsse bei einer Ausschließung aus wichtigem Grund entgegen § 34 Abs. 2 GmbHG auch keine Grundlage in der Satzung vorhanden sein. Allerdings verletze der Einziehungsbeschluss die §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG, da bei Beschlussfassung bereits festgestanden habe, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft bezahlt werden kann. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht mithilfe einer bilanzmäßigen Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva.

Die Kompetenz der Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über die Vertretung durch den Kläger im Prozess erwachse aus der grundsätzlichen Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung. Wer die Gesellschaft bei der Klageerhebung vertritt sei nämlich ein Annex zur Entscheidung über die Klageerhebung und könne daher von der Gesellschafterversammlung entschieden werden.

Ob wegen der Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses der gesamte Beschluss gemäß § 139 BGB nichtig ist, sei anhand des mutmaßlichen Willen der Gesellschafterversammlung und demnach durch Auslegung des Beschlusses zu ermitteln. Es sei bei dem Beschluss vor allem um die Schaffung der Voraussetzungen für die Erhebung einer Ausschlussklage gegangen, sodass die Einziehung vorerst nachrangig gewesen sei. Daher sei dem Beschluss kein Einheitlichkeitswille zu unterstellen. Es liege mithin eine Teilnichtigkeit i.S.d. § 139 BGB vor und die Nichtigkeit des einen Beschlusses lässt die Wirksamkeit der anderen Beiden unberührt.

Praxishinweis | OLG München 7 U 7279/20

Sofern die Gesellschafter einer Gesellschaft den Ausschluss eines Gesellschafters begehren, dann sollte ein Ausschließungs- und Entziehungsbeschluss lediglich gefasst werden, wenn beide im späteren Prozess Aussicht auf Erfolg haben. Das gilt, obwohl die beiden Beschlüsse durchaus unabhängig voneinander sein können. Im späteren Klageweg ist es für die Gesellschaft allerdings nicht vorteilhaft, wenn nur ein Teil des Ausschlussprozesses vollzogen werden kann, d.h. wenn das Schicksal des trägerlosen Anteils nicht durch Klage geklärt werden kann. Vor allem, wenn es der Gesellschaft mangels finanzieller Mittel offensichtlich nicht möglich ist, dem ausscheidenden Gesellschafter eine angemessene Abfindung zu zahlen, sollte ggf. zunächst von einem Ausschluss abgesehen werden. Die Revision ist derzeit beim BGH anhängig.