07.08.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
LAG Düsseldorf
07.12.2023
3 Ta 273/23
BeckRS 2023, 38963
Auswirkungen einer Unternehmensumwandlung auf das Arbeitsverhältnis eines Geschäftsführers [ PDF ]
Der Kläger war zunächst auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 30.11.2015 als Produktmanager bei der U-GmbH beschäftigt. Seit 2017 war er zudem Geschäftsführer der mit der U-GmbH konzernverbundenen V-GmbH, der Beklagten. In diesem Zusammenhang wurde mit der Beklagten keine vertragliche Vereinbarung getroffen. Stattdessen vereinbarten der Kläger und die U-GmbH im November 2018 eine „Ergänzung des Arbeitsvertrages“, die die Bestellung des Klägers als Geschäftsführer der V-GmbH und einen Katalog zustimmungsbedürftiger Maßnahmen, die der Kläger als Geschäftsführer der B-GmbH bei deren Vertretung zu beachten habe, vorsah.
Am 08.06.2020 vereinbarten der Kläger und die V-GmbH – als „Vertragsänderung“ bezeichnet und unter der Bedingung, dass die Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses unverändert bleiben sollten – einen Dienstortwechsel für die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der V-GmbH sowie eine außertarifliche Vergütung. Eine weitere „Vertragsänderung“ vom 16.06.2020 zwischen den Parteien sah vor, dass der Kläger neben seiner Geschäftsführertätigkeit als Leiter des Produktmanagements für die B-GmbH beschäftigt wird, während alle sonstigen arbeitsvertraglichen Bedingungen unverändert bleiben.
Am 15.06.2020 schloss die U-GmbH wiederum mit dem Kläger eine schriftliche Aufhebungsvereinbarung, nach welcher das Anstellungsverhältnis „gemäß Anstellungsvertrag sowie einschließlich sämtlicher Änderungen und Nachträge unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.12.2022" enden sollte.
Am 18.06.2020 erhielt der Kläger von der U-GmbH und der Beklagten eine „Information über den geplanten Betriebsübergang im Rahmen der Verschmelzung (gemäß § 613a Abs. 5 BGB)“. Darin wurde ihm unter anderem mitgeteilt, dass die U-GmbH beabsichtige, mit der Beklagten zu verschmelzen, und dass sein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergehen würde. Die Beklagte würde ab dem 01.07.2020 als sein neuer Arbeitgeber in alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eintreten, während das bisherige Arbeitsverhältnis zur U. GmbH erlöschen würde.
Im Juli 2020 verschmolz die U-GmbH auf die V-GmbH. Am 17.09.2020 stellte die Beklagte den Kläger bis zum 30.11.2020 widerruflich frei. Am 21.12.2020 wurde seine Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten im Handelsregister eingetragen. Seitdem war der Kläger nicht mehr für die Beklagte tätig.
Der Kläger macht nun mit seiner Klage vor dem ArbG Urlaubsabgeltungansprüche gegen die V-GmbH geltend. Er ist der Auffassung, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet, da seiner Tätigkeit vor und nach der Verschmelzung allein eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zugrunde liege. Das ArbG hat mit Beschluss den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers hat das ArbG nicht abgeholfen, sondern sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Urlaubsabgeltungsforderung des Klägers sei – entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts – gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a), § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gegeben. Es handele sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis.
Zunächst stellt das LAG fest, dass die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte im vorliegenden Fall nicht hindere. Gemäß dieser Vorschrift gelte der Geschäftsführer einer GmbH während des Zeitraums seiner Bestellung als Vertretungsorgan der Gesellschaft nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes. Selbst wenn seinem Bestellungsverhältnis materiellrechtlich also ein Arbeitsverhältnis anstelle eines freien Dienstverhältnisses zugrunde liegen sollte, könne der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet sein. Diese Fiktionswirkung ende jedoch im vorliegenden Fall mit der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten bereits Ende 2020 und somit lange vor Erhebung der Klage.
Der bloße Wegfall der gesetzlichen Fiktion führe jedoch nicht automatisch zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, wenn die klagende Partei lediglich behauptet, in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt (gewesen) zu sein. Durch die Abberufung wandle sich ein bisheriges Dienstverhältnis des Geschäftsführers nicht in ein Arbeitsverhältnis um. Für die Feststellung der die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtbarkeit begründenden Umstände – also das Vorliegen eines Arbeitsvertrages – trage vielmehr der Kläger die Darlegungslast. Zu klären sei also, ob der Tätigkeit des Klägers materiell-rechtlich ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis zugrunde gelegen hat.
Im vorliegenden Fall sei der Kläger ausschließlich auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt worden. Zunächst sei der Kläger mit Arbeitsvertrag vom 30.11.2015 bei der U-GmbH angestellt worden. In diesen Arbeitsvertrag sei die Beklagte entweder durch die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger aus dem Juni 2020 – sofern man diese als Vereinbarung auch zum Vertragseintritt auslege – oder spätestens kraft Gesetzes infolge der Verschmelzung der U-GmbH auf die Beklagte nach den §§ 324 UmwG a.F., 613a BGB eingetreten. Die von dem ArbG und der Beklagten vertretene Ansicht, dass bei einem Betriebsübergang auf die Gesellschaft, deren Vertretungsorgan der Angestellte ist, das Arbeitsverhältnis sich in einen Dienstvertrag umwandelt, finde keine Grundlage im Gesetz und lasse die Vertragsfreiheit der Parteien unberücksichtigt. Vielmehr gehe das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis über und bleibe auch beim Betriebserwerber ein solches, solange die Parteien nicht Abweichendes (wirksam) vereinbaren. Zudem bestehe für eine Statuskorrektur unter Berücksichtigung der tatsächlichen Vertragsdurchführung kein Anlass, wenn die Parteien gerade das besonderen Schutzregeln unterliegende Arbeitsverhältnis als vertragliche Grundlage gewählt haben.
Abschließend stellt das LAG fest, dass es für die Beurteilung der Urlaubsabgeltung als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis unerheblich ist, ob die Urlaubsabgeltung Urlaubsansprüche aus der Geschäftsführertätigkeit des Klägers oder aus der Zeit danach bis zur Beendigung des Vertrags betrifft. Vorliegend existiere stets nur ein Arbeitsverhältnis als vertragliche Grundlage der Geschäftsführertätigkeit und aller anderen Tätigkeiten des Klägers.
Wie bereits den amtlichen Leitsätzen zu entnehmen ist, stellt das LAG Düsseldorf den Grundsatz auf, dass Unternehmenstransaktionen wie Umwandlungen oder Verschmelzungen grundsätzlich keinen Einfluss auf den Charakter der bestehenden und übernommenen Verträge haben. Lediglich der Vertragspartner ändert sich. Etwas anderes gilt nur, wenn explizite Vereinbarungen oder Änderungen der Vertragsbedingungen getroffen werden.
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf verdeutlicht zudem die Bedeutung der eindeutigen Gestaltung der Verträge von Geschäftsführern und Vorständen. Auch die Aufhebung von noch bestehenden Arbeitsverträgen solcher Arbeitnehmer, die später als Vertretungsorgane bestellt werden, sollte beachtet werden und kann fallentscheidende Bedeutung haben.
Die Grundsätze der Entscheidung gelten ebenso für den Vorstand einer Aktiengesellschaft sowie die Organe der sonstigen juristischen Personen.