OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat) 21 W 129/22
Bestimmung der Barabfindung nach einer am Börsenkurs orientierten Schätzung des "wahren Wertes" des Unternehmensanteils

04.06.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat)
09.02.2024
21 W 129/22
AG 2024, 505

Leitsatz | OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat) 21 W 129/22

Im Fall hinreichender Marktliquidität kann der Börsenkurs der zu bewertenden Gesellschaft im Einzelfall auch dann zur Bestimmung des inneren Wertes des Gesellschaftsanteils herangezogen werden, sofern ein knappes Jahr vor dem Bewertungsstichtag ein öffentliches Übernahmeangebot abgegeben worden ist und eine überschlägige Ertragswertberechnung keinen höheren inneren Wert nahelegt.

Sachverhalt | OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat) 21 W 129/22

Am 10. Februar 2020 kündigte die Y AG ein Übernahmeangebot von 50 € pro Aktie an, woraufhin der Kurs der X AG auf etwa 50 € stieg. Bis zum Ende der verlängerten Annahmefrist am 29. April 2020 wurde das Angebot für 78,51% des Grundkapitals angenommen. Am 3. August 2020 informierte die Y AG über eine geplante Verschmelzung mit Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Die beauftragte Z AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte einen anteiligen Ertragswert von 41,67 € je Aktie. Der umsatzgewichtete Börsenkurs drei Monate vor der Bekanntgabe betrug 46,77 €, was auch als Abfindung vorgeschlagen wurde. Dies wurde von der Q AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigt. Am 15. Dezember 2020 beschloss die Hauptversammlung den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen eine Abfindung von 46,77 € je Aktie.

Die Antragsteller hielten die Abfindung für zu niedrig und initiierten ein Spruchverfahren. 

Das LG Frankfurt a. M. wies die Anträge der Aktionäre ab, da es die Abfindung für angemessen hielt, was es mit dem Börsenkurs der Gesellschaft belegte. Gegen diese Entscheidung legten die Antragsteller Beschwerde ein und argumentierten, dass der Börsenkurs den wahren Unternehmenswert nicht wiedergebe und nur als Untergrenze der Abfindung dienen könne. Zudem sei der Börsenkurs aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 verfälscht gewesen, und der Ertragswert als zu niedrig ermittelt worden.

Das LG hat das Verfahren dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. 

Entscheidung | OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat) 21 W 129/22

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber unbegründet. 

Das LG Frankfurt a. M. hat die Abfindung rechtmäßig als angemessen erachtet. Dies ergibt sich aus einer Schätzung des „wahren Wertes“ des Unternehmensanteils, die sich am Börsenkurs orientiert und durch den von der Übertragungsgutachterin ermittelten anteiligen Ertragswert bestätigt wird. 

Der Börsenkurs darf nicht automatisch herangezogen werden, wenn keine Informationsdefizite, Kursmanipulationen oder Marktenge vorliegen. Vielmehr ist eine Einzelfallentscheidung erforderlich.

Der Senat bezieht sich auf die berechneten Kennzahlen und bestätigt die ausreichende Liquidität der Aktie.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat) 21 W 129/22

Das OLG Frankfurt a. M. entwickelt die bisherige Rechtsprechung zu Squeeze-out Fällen weiter und betont die Bedeutung einer umfassenden Einzelfallbewertung. Der Börsenkurs kann dabei als Schätzgrundlage dienen, wenn er effiziente Informationsverarbeitung und ausreichende Liquidität widerspiegelt. Der BGH verneint einen Zusammenhang zwischen dem Börsenkurs und dem originärem Betafaktor; ein verzerrter Börsenkurs kann dennoch als Schätzungsgrundlage geeignet sein. Diese Entscheidung konnte aber in der Entscheidung des OLG Frankfurt aufgrund von zeitlicher Divergenz keine Berücksichtigung finden. (NZG 2024, 882, beck-online)