BGH V ZB 63/23
Betreibung des Teilungsversteigerungsverfahrens durch Miterben trotz Pfändung und Überweisung seines Erbteils

13.06.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
30.03.2025
V ZB 63/23
WM 2025, 802 = BeckRS 2025, 7875

Leitsatz | BGH V ZB 63/23

  1. Gehört nicht das Grundstück selbst, sondern ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück zum Nachlass, kann jeder Miterbe nicht nur die Teilungsversteigerung des Bruchteils (sog. kleines Antragsrecht), sondern auch allein und ohne Zustimmung der anderen Miterben die Teilungsversteigerung des gesamten Grundstücks verlangen (sog. großes Antragsrecht).
  2. Ein Miterbe wird durch die Pfändung und Überweisung seines Erbteils nicht gehindert, ein Teilungsversteigerungsverfahren selbstständig ohne Mitwirkung des Pfändungsgläubigers zu betreiben, um den vormals dem Erblasser zustehenden Anspruch auf Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück gemäß § 2039 Satz 1 BGB geltend zu machen (Fortführung von Senat, Urteil vom 12. Juli 1968 – V ZR 29/66, NJW 1968, 2059, 2060). 
     

Sachverhalt | BGH V ZB 63/23

Die Beteiligte zu 2 ist als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen. Als Eigentümerinnen eines weiteren Miteigentumsanteils sind die Beteiligten zu 1 und 2 in Erbengemeinschaft eingetragen. Am 2. November 2018 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 1 die Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an. Die Beteiligte zu 2 pfändete den Miterbenanteil der Beteiligten zu 1 und erwirkte die Überweisung des Anteils zur Einziehung. Die Erbteilspfändung wurde am 19. November 2020 in das Grundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 2020 übertrug die Beteiligte zu 1 der Beteiligten zu 3 ihren Erbteil. Auf Antrag der Beteiligten zu 3 wurde am 4. März 2021 ein Widerspruch zu ihren Gunsten in das Grundbuch eingetragen. Am 12. April 2021 beantragte die Beteiligte zu 3 den Beitritt zu dem Teilungsversteigerungsverfahren. Nachdem das Vollstreckungsgericht darauf hingewiesen hatte, dass sie mit der Übertragung kraft Gesetzes an die Stelle der Beteiligten zu 1 getreten sei, nahm die Beteiligte zu 3 ihren Antrag auf Beitritt zurück. 

Die Beteiligte zu 2 beantragte, das Teilungsversteigerungsverfahren aufzuheben oder hilfsweise einzustellen, soweit es aus dem Anordnungsbeschluss vom 2. November 2018 betrieben wird. Das Vollstreckungsgericht hatte die Anträge zurückgewiesen und auch die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat keinen Erfolg gehabt. 

Entscheidung | BGH V ZB 63/23

Zurecht hat das Beschwerdegericht die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder einstweilige Einstellung des Verfahren nach § 28 ZVG liegt nicht vor. 

Ist dem Vollstreckungsgericht ein aus dem Grundbuch ersichtliches Recht bekannt, welches der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht, hat dieses das Verfahren gem. § 28 Abs. 1 ZVG sofort aufzuheben, wenn das Hindernis nicht zu beheben ist, oder bei Behebbarkeit des Hindernisses unter Bestimmung einer Frist, binnen welcher der Gläubiger die Hebung des Hindernisses nachzuweisen hat, das Verfahren einzustellen. Gemäß § 28 Abs. 2 ZVG gilt Entsprechendes, wenn dem Vollstreckungsgericht eine Verfügungsbeschränkung oder ein Vollstreckungsmangel bekannt ist. § 28 ZVG findet auf das Verfahren zur Teilungsversteigerung insoweit entsprechende Anwendung, als sich das Hindernis für dieses Verfahren als beachtlich erweist.

Wenn ein Grundstück zum Nachlass gehört, ist jeder Miterbe berechtigt, die Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Teilung zu beantragen, §§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1 BGB, §§ 180 Abs. 1, 181 Abs. 2 ZVG. Jeder Miterbe kann, wenn ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück zum Nachlass gehört, nicht nur die Teilungsversteigerung des Bruchteils (sog. kleines Antragsrecht), sondern auch allein und ohne Zustimmung der anderen Miterben die Teilungsversteigerung des gesamten Grundstücks verlangen (sog. großes Antragsrecht). Dabei macht der Miterbe den vormals dem Erblasser zustehenden Anspruch auf Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft geltend, §§ 749 Abs. 1, 2039 S. 1 BGB, was keine verbotene Verfügung über einen Nachlassgegenstand ist, sondern der Umwandlung des Anspruchs in den Erlös dient.

Zwar verbietet der Gesetzeswortlaut des §§ 829 Abs. 1 S. 2, 857 Abs. 1 ZPO dem Pfändungsschuldner jede Verfügung schlechthin, jedoch ist dies anerkanntermaßen einschränkend dahin auszulegen, dass lediglich keine das Pfändungsrecht beeinträchtigende Verfügungen vorgenommen werden dürfen. Trotz Pfändung und Überweisung ist der Pfändungsschuldner, der nach wie vor Träger des gepfändeten Rechts ist, also zu derartigen Einwirkungen berechtigt. An die Stelle des Auseinandersetzungsanspruchs tritt der (ungeteilte) Anspruch auf Auszahlung des anteiligen Übererlöses, wodurch das Pfändungspfandrecht nicht beeinträchtigt, sondern verwirklicht wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1258 BGB. 

Auch die Übertragung des Erbteils nach Eintragung der Pfändung steht der angeordneten Teilungsversteigerung nicht entgegen. Es ist zwar umstritten, ob die Übertragung, wenn sie nicht dazu führt, dass sich sämtliche Erbteile in einer Hand vereinigen, absolut wirksam oder gegenüber dem Pfändungsgläubiger unwirksam ist, jedoch ist es für die Fortführung des Teilungsversteigerungsverfahrens ohne Belang, ob die Beteiligte zu oder die Beteiligte zu 3 als Antragstellerin anzusehen ist. 

Auch eine Aufhebung des Verfahrens nach §§ 180 Abs. 1, 29 ZVG hatte nicht zu erfolgen, da schon nicht festgestellt werden konnte, ob die erforderliche Rücknahme des Antrags auf Teilungssversteigerung erklärt wurde.

Praxishinweis | BGH V ZB 63/23

Jeder Miterbe ist allein, also ohne Zustimmung der anderen Miterben, gem. §§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 180 Abs. 1, 181 Abs. 2 ZVG berechtigt, die Zwangsversteigerung des gesamten Grundstücks zum Zwecke der Teilung zu beantragen. Dass der Antragssteller materiell nicht berechtigt ist, kann nur im Wege der Widerspruchsklage, § 771 ZPO geltend gemacht werden.