04.06.2012
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
13.10.2011
IX ZR 193/10
NZG 2011, 1384
Einbeziehung des GmbH-Geschäftsführers in den Schutzbereich eines Steuerberatungsvertrages [ PDF ]
Der Geschäftsführer kann als Dritter in den Schutzbereich eines Umsatzsteuermandats einbezogen sein, welches die GmbH erteilt hat. Nach Maßgabe der allgemeinen Voraussetzungen können die steuerlichen Berater der GmbH deshalb verpflichtet sein, deren Geschäftsführern ihren Schaden aus einer steuerlichen Inhaftungnahme zu ersetzen.
Der BGH hatte über die Einbeziehung eines GmbH-Geschäftsführers in den Schutzbereich eines Steuerberatungsvertrages zwischen Steuerberater und GmbH zu entscheiden. Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung der GmbH wurde er vom Finanzamt gem. § 69 AO auf Zahlung von Steuernachforderungen persönlich in Anspruch genommen. Der Kläger begehrt nunmehr von den beklagten Steuerberatern Schadenersatz. Hierzu macht er geltend, die Steuerberater haben ihre Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt, die ursächlich für die Steuernachforderung gegen die GmbH und seine Haftung nach § 69 AO gewesen sei. Ihm stünde daher ein Schadenersatzanspruch aus eigenem Recht zu, da er als Geschäftsführer in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der GmbH und den Beklagten einbezogen gewesen sei.
Der BGH gab dem Kläger Recht und bejahte einen eigenen vertraglichen Anspruch des Geschäftsführers nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Die hierfür erforderliche Leistungsnähe des Geschäftsführers zur steuerlichen Beratung seiner GmbH ergebe sich aus seiner Pflicht, die von den Beratern vorbereitete Steuererklärung der GmbH zu unterzeichnen und zu verantworten. Auch persönlich treffe ihn die Mitwirkungspflicht der GmbH, für deren Erfüllung er typischerweise auf die Unterstützung der steuerlichen Berater angewiesen sei. Der Geschäftsführer sei daher aufgrund unrichtiger Steuererklärungen und unzureichender Mitwirkung für die steuerpflichtige GmbH einem spezifischen steuerlichen Haftungsrisiko ausgesetzt, welches gerade auch bei entsprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf deren pflichtwidriges Handeln zurückgehen könne. Zwar dürfe der Geschäftsführer im Hinblick auf eine vertragliche Beraterhaftung darauf vertrauen, dass die Steuerberater die steuerlichen Fragen fehlerfrei bearbeiten und eine Kontrolle seinerseits nicht notwendig ist. Hinsichtlich der steuerlichen Inhaftungnahme des GmbH-Geschäftsführers gelten jedoch gegenüber der Finanzverwaltung andere Grundsätze. Denn dem Geschäftsführer werde zwar nicht das Verschulden der Steuerberater zugerechnet, jedoch treffen ihn gem. §§ 34, 69 AO eigene Auswahl- und Überwachungspflichten hinsichtlich derjenigen Personen, derer er sich zur Erledigung der ihm auferlegten steuerlichen Pflichten für die GmbH bedient. Dieser strengere Pflichtenmaßstab des Steuerrechts im Vergleich zur vertraglichen Beraterhaftung schaffe – dem BGH zufolge – ein für den Geschäftsführer spezifisches Risiko, für die Folgen einer fehlerhaften Wahrnehmung des Steuermandats der Gesellschaft in Haftung genommen zu werden, obwohl ihm weder vertraglich noch in seiner Eigenschaft als Organträger eine derartige Überwachungspflicht obliege. Dieses Pflichtengefälle rechtfertige daher eine vertragliche Haftung der Steuerberater gegenüber dem Geschäftsführer.
Der BGH bejahte auch die weiteren Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten – sog. Gläubigernähe und Erkennbarkeit des Haftungsrisikos für den Vertragspartner). Zudem sei der Geschäftsführer auch schutzwürdig. Denn seine Inanspruchnahme erfolge gem. § 219 AO nur, wenn die GmbH selbst nicht zahlen kann. Ein Gesamtschuldnerrückgriff des Gesellschafters gegen die GmbH sei dann jedoch ebenfalls unsicher.
Bemerkenswert an dem Urteil des BGH ist, dass der Geschäftsführer einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegen den Steuerberater auch dann geltend machen kann, wenn der GmbH selbst gar kein Schaden entstanden ist und der Steuerberater gegenüber der Gesellschaft als seinem eigentlichen Vertragspartner gar nicht schadensersatzpflichtig ist. Hierzu kann es beispielsweise immer dann kommen, wenn die Gesellschaft aufgrund fehlerhafter Buchführung, ungerechtfertigter Vorsteuerabzüge oder fehlerhafter Beurteilung umsatzsteuerpflichtiger Tatbestände als umsatzsteuerfrei nunmehr der gesetzmäßigen Besteuerung unterworfen wird. Ein Schaden der Gesellschaft liegt in diesen Fällen regelmäßig nicht vor, da auch bei ordnungsgemäßer Pflichterfüllung des Steuerberaters die Steuer entstanden wäre.