24.12.2021
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
23.02.2021
II R 29/19
DStR 2021, 1816
Erbschaftsteuer: Der Begriff des Grundstücks beim Erwerb eines Familienheims [ PDF ]
Sollte als Grundstück des Familienheimerwerbs die wirtschaftliche Einheit iSd BewG zu verstehen sein und erlässt das Belegenheitsfinanzamt einen entsprechenden Feststellungsbescheid, ist diese Feststellung bindend und kann im Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht erfolgreich angegriffen werden.
(amtl. Leitsatz)
Die Klägerin ist Erbin der Erblasserin, welche bis zu ihrem Tod in einer Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus gewohnt hatte. Nach dem Tod der Erblasserin nutzte die Klägerin die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken (Grundstück 1). Das Haus stand auf einem Flurstück, welches sich im hälftigen Miteigentum der Erblasserin befunden hatte. Unmittelbar angrenzend befindet sich ein noch unbebautes Grundstück, welches im Alleineigentum der Erblasserin stand und somit auch im Wege der Erbfolge auf die Klägerin übergegangen ist (Grundstück 2).
In ihrer Erbschaftssteuererklärung deklarierte die Klägerin unter anderem den Erwerb dieser beiden Grundstücke mit einer verdichteten Wertangabe und machte die Steuerbefreiung in vollem Umfang gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG geltend. Das Finanzamt (Beklagter) erließ am 20.04.2015 einen insoweit antragsgemäßen Erbschaftssteuerbescheid. Das Belegenheitsfinanzamt, welches für die Bewertung des Grundbesitzes zuständig ist, setzte den Wert der beiden Grundstücke als jeweils eigene wirtschaftliche Einheit fest. Daraufhin erließ der Beklagte am 09.09.2015 einen geänderten Erbschaftssteuerbescheid, worin es der Steuerfestsetzung die Grundstücke jeweils als Einzelflächen zugrunde legte und die beantragte Steuerbefreiung nur noch für das Grundstück 1 gewährte.
Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde abgelehnt. Das Finanzamt hat die erhobene Klage abgewiesen. Die Klägerin legt Revision ein.
Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen. Das Finanzgericht habe im Ergebnis zutreffend entschieden, dass eine Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG lediglich für das Grundstück 1 zu gewähren ist.
Durch den Verweis in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG auf § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG wird der Anwendungsbereich in Bezug auf erfasste Grundstücksarten näher bestimmt. Die Norm definiert allerdings nicht, in welchem Umfang der zu der Wohnung gehörende Grund und Boden an der Begünstigung teilhat. Demnach komme entweder das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne oder die wirtschaftliche Einheit gemäß § 2 Abs. 1 BewG in Betracht. Für die Auslegung nach zivilrechtlichen Grundsätzen spreche die bürgerlich-rechtliche Prägung des Erbschaftssteuerrechts, welches grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfe. Allerdings verweise die Norm gerade in das BewG und nicht in das BGB.
Dem Belegenheitsfinanzamt obliege gemäß § 157 Abs. 1, 3 S. 1 BewG neben der Wertstellung auch die verbindliche Feststellung über die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens. Die für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens erforderlichen Grundbesitzwerte seien gemäß § 179 AO gesondert festzustellen. Daher könne die Entscheidung über die Feststellung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens nur durch Anfechtung des Wertfeststellungsbescheids angegriffen werden.
Folglich könne die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG im Streitfall lediglich für das Grundstück 1, auf dem sich das Familienheim befinde, gewährt werden. Einer Entscheidung, ob das Grundstück im Sinne des BewG oder des BGB zu verstehen ist, bedarf es nicht. Denn zivilrechtlich ergebe sich dies aus der katastermäßigen Selbstständigkeit des Grundstücks 1. Bewertungsrechtlich ergebe sich dies aus den beiden getrennten Feststellungsbescheiden des Belegenheitsfinanzamts für die beiden Grundstücke 1 und 2. Letztere seien auch hinsichtlich der Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit bindend. Somit war das Finanzamt befugt, nach dem Ergehen der Feststellungsbescheide den Erbschaftssteuerbescheid abzuändern.
Die Änderungsbefugnis ergebe sich aus § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei einer Abgrenzung nach zivilrechtlichen Maßstäben und nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO bei einer bewertungsrechtlichen Betrachtung. Erst die Feststellungsbescheide machten deutlich, dass es sich um zwei Flurstücke handele und auch, dass der Umfang der wirtschaftlichen Einheit für beide Grundstücke getrennt festgelegt wurde. Da sich das Familienheim auf dem Grundstück 1 befindet, kommt eine Steuerbefreiung nur für dieses Grundstück in Betracht. Eine Steuerbefreiung für beide Grundstücke ist ausgeschlossen.
Der Bundesfinanzhof entscheidet im vorliegenden Urteil, wie das Grundstück als Familienheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zu definieren ist. Dabei ist zu beachten, dass eine Steuerbefreiung nur für ein Grundstück gewährt werden kann, auf welchem sich das Familienheim befindet, sofern sich das Familienheim auf einem grundbuchrechtlich eigenständigen Flurstück befindet und als eine eigene wirtschaftliche Einheit bewertet wurde. Es könnte mithin in Betracht gezogen werden, zwei unmittelbar angrenzende Flurstücke noch zu Lebzeiten des Erblassers zu vereinigen. Darüber hinaus müsste das Grundstück dann allerdings auch bewertungsrechtlich als eine wirtschaftliche Einheit angesehen werden. Die Entscheidung gibt keinen Aufschluss darüber, welche Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind, sollte die zivilrechtliche und bewertungsrechtliche Einordnung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.