08.07.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
13.05.2025
VIII B 33/24
BeckRS 2025, 11429
Der Kläger war zu Beginn des Streitjahres (2016) faktisch Alleingesellschafter der A-GmbH. Er hielt zwei Drittel der Geschäftsanteile direkt, während das verbleibende Drittel als eigener Anteil von der A-GmbH selbst gehalten wurde. Im Jahr 2016 verpflichtete sich die A-GmbH durch notariellen Vertrag, ihren eigenen Geschäftsanteil unentgeltlich auf den Kläger zu übertragen, sodass dieser alleiniger Gesellschafter wurde.
Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahr 2019 beurteilte das Finanzamt diese unentgeltliche Anteilsübertragung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Es ging davon aus, dass ein fremder Dritter für den Erwerb des betreffenden Geschäftsanteils einen Kaufpreis hätte entrichten müssen. Aufgrund dessen wurde der Einkommensteuerbescheid 2016 geändert und der Vorgang als steuerpflichtiger Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Abgeltungsteuer unterworfen.
Der Kläger beantragte daraufhin, den Einkommensteuerbescheid 2016 zu ändern, da seiner Auffassung nach keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass er bereits zuvor faktisch Alleingesellschafter gewesen sei und sich seine wirtschaftliche Stellung durch die Übertragung nicht verändert habe.
Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei Fragestellungen: Zum einen, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann vorliegt, wenn eine GmbH ihrem Gesellschafter – außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung – einen eigenen Anteil unentgeltlich überträgt, während ein fremder Dritter für diesen Erwerb hätte zahlen müssen. Zum anderen wurde diskutiert, ob eine vGA davon abhängt, ob auf Ebene der GmbH eine Vermögensminderung eintritt, die sich auf den steuerlichen Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt.
Der Bundesfinanzhof wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurück. Er stellte klar, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht voraussetzt, dass auf Ebene der GmbH eine Minderung des Unterschiedsbetrags erfolgt. Für die Besteuerung auf Gesellschafterebene ist daher unerheblich, ob die GmbH in ihrer Bilanz eine entsprechende Minderung des Betriebsvermögens zu verzeichnen hat.
Nach § 272 Abs. 1a und 1b HGB sind eigene Anteile auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen. Sie gelten daher nicht als Wirtschaftsgut im Sinne des Steuerrechts. Ihre Übertragung auf einen Gesellschafter führt bilanziell zu einer Kapitalerhöhung. Mit der Übertragung leben die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Gesellschafterrechte wieder auf. Beim Erwerber stellt der übertragene Anteil damit ein Wirtschaftsgut dar, das er zuvor nicht besaß.
Der Bundesfinanzhof betonte, dass die Begriffe der verdeckten Gewinnausschüttung in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eigenständig und unabhängig voneinander zu verstehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Im konkreten Fall erhielt der Kläger ein Wirtschaftsgut – nämlich den übertragenen Geschäftsanteil – das er vor der Übertragung nicht in seinem zivilrechtlichen Eigentum hatte. Der Tatbestand einer Sachzuwendung war damit erfüllt.
Auch der Umstand, dass der Kläger bereits zuvor faktisch Alleingesellschafter war, steht der Annahme eines Vorteils nicht entgegen. Eine Einschränkung des Vorteilsbegriffs allein wegen wirtschaftlicher Neutralität oder faktischer Beteiligungsverhältnisse sei nicht geboten.
Auch wenn der Gesellschafter bereits zuvor faktisch Alleineigentümer war und sich durch die Übertragung eigener Anteile keine wirtschaftliche Veränderung ergibt, liegt bei einer unentgeltlichen Zuwendung durch die GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Die Übertragung eigener Anteile an einen Gesellschafter begründet somit selbst dann eine steuerpflichtige Zuwendung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn diese zivilrechtlich oder wirtschaftlich als „neutral“ erscheint.