BGH V ZR 225/24
Juristische Person als Verwaltungsbeirat

03.11.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
04.07.2025
V ZR 225/24
BeckRS 2025, 17657

Leitsatz | BGH V ZR 225/24

  1. Zum Mitglied des Verwaltungsbeirats einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer können auch juristische Personen (hier: Gemeinde) bestellt werden, nicht aber – vorbehaltlich anderer Vereinbarung – deren gesetzliche Vertreter oder bevollmächtigte Mitarbeiter, die selbst nicht Wohnungseigentümer sind.
  2. Beschlüsse über die Bestellung zum Verwaltungsbeirat, in denen solche Vertreter oder Mitarbeiter namentlich benannt werden, sind im Zweifel so auszulegen, dass die durch sie vertretene juristische Person zum Verwaltungsbeirat bestellt werden soll. 

Sachverhalt | BGH V ZR 225/24

Die Klägerin und die Gemeinde sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom September 2022 stellte sich eine bei der Gemeinde angestellte Mitarbeiterin, die selbst kein Mitglied der GdWE ist, für die Gemeinde zur Wahl des Verwaltungsbeirats. Daraufhin beschlossen die Wohnungseigentümer ihre Wahl in den Verwaltungsbeirat. Hiergegen wendet sich die Klägerin, deren Klage vor dem Amtsgericht München und dem Landgericht München I erfolglos blieb. Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel mit der vom Landgericht zugelassenen Revision weiter. 

Entscheidung | BGH V ZR 225/24

Der BGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Wohnungseigentümer nicht die namentlich bezeichnete Mitarbeiterin der Gemeinde, sondern vielmehr die Gemeinde selbst zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt haben. Hierfür war der Beschluss der Wohnungseigentümer auszulegen. Dabei ist maßgeblich, wie der Beschluss nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Auslegung ist der protokollierte Wortlaut des Beschlusses. Außerhalb davon liegende Umstände dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind, weil sie sich beispielsweise aus dem übrigen Versammlungsprotokoll oder aus in Bezug genommenen Dokumenten ergeben. Zieht man in diesem Fall allein den Wortlaut des Beschlusses heran, so würde ein unbefangener Betrachter diesen so verstehen, dass die namentlich bezeichnete Mitarbeiterin der Gemeinde gewählt wurde. Allerdings ergibt sich aus den protokollierten Umständen der Beschlussfassung, dass diese Mitarbeiterin nicht persönlich in den Verwaltungsbeirat gewählt werden sollte, sondern vielmehr die von ihr vertretene Gemeinde. Mit der Namensnennung sollte lediglich angegeben werden, wer zu dieser Zeit bei der Gemeinde für die Wahrnehmung der Beiratstätigkeit zuständig ist. Aus Sicht eines unbefangenen Betrachters ist bei Kenntnis des Protokolls somit nicht davon auszugehen, dass die Mitarbeiterin der Gemeinde die Aufgaben des Mitglieds der Verwaltungsbeirats persönlich und unabhängig von ihrer Anstellung bei der Gemeinde übernehmen wollte. Dies folgt nach Ansicht des Senats bereits daraus, dass sie selbst nicht Mitglied der GdWE ist. Damit fehlt der betreffenden Mitarbeiterin das eigene, von der Tätigkeit für ihre Arbeitgeberin unabhängige Interesse an der Übernahme solcher Aufgaben und der damit verbundenen persönlichen Haftung. Hinzukommt, dass die Mitarbeiterin persönlich nicht wirksam zum Mitglied des Verwaltungsbeirats hätte bestellt werden können, da sie selbst nicht Wohnungseigentümerin ist. In der Folge ist über die Auslegung am Wortlaut des Beschlusses hinausgehend zu beachten, dass in einer solchen Konstellation im Zweifel anzunehmen ist, dass die zur gesetzmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollten. Diese Auslegungsregel geht hier der reinen Orientierung am Wortlaut vor.
 
Auch ist der Beschluss nicht deshalb ungültig, weil eine Gemeinde als juristische Person in Gestalt einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt wurde. Zwar ist umstritten, ob eine juristische Person zum Mitglied des Verwaltungsbeirats einer GdWE bestellt werden kann. Hierbei folgt der Senat der Ansicht, dass nur die juristische Person selbst als Wohnungseigentümerin in den Beirat gewählt werden kann, nicht aber deren gesetzlichen Vertreter oder bevollmächtigte Mitarbeiter. 

Schon der Wortlaut des heranzuziehenden § 29 Abs. 1 S. 1 WEG, wonach Wohnungseigentümer durch Beschluss zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt werden, enthält keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Wählbarkeit auf natürliche Personen. Gegen eine solche Beschränkung spricht auch die Gesetzessystematik. Der Begriff des Wohnungseigentümers wird im Rahmen des Wohnungseigentümergesetzes so verwendet, dass hierunter die Person zu verstehen ist, der das Wohnungseigentum materiell-rechtlich zusteht. Dies ist in der Regel derjenige, der im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen ist. So kommt es auch für die Stellung als Wohnungseigentümer darauf an, ob derjenige, der von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt, durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem eingetragenen oder werdenden Eigentümer um eine natürliche oder eine juristische Person handelt. 

Auch der Sache nach wäre ein Ausschluss juristischer Personen von der Beiratstätigkeit nicht zu rechtfertigen. Unterschiedliche Wohnungseigentümerstellungen sind dem Gesetz fremd. Juristische Personen stehen natürlichen Personen als Mitglieder der GdWE in ihren Rechten nicht nach. Eine Beschränkung des passiven Wahlrechts kann nach Ansicht des Senats nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden.
 
Das Argument, es handle sich bei der Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsbeirats um ein höchstpersönliches Amt, bei dem persönliches Engagement des Wohnungseigentümers im Vordergrund stehe und es insbesondere auf seine Vertrauensstellung, Kontinuität und unmittelbare Teilhabe am Verwaltungsgeschehen der Gemeinschaft ankomme, gibt ebenfalls keine Veranlassung, juristischen Personen die Wählbarkeit im Beirat abzuerkennen. Diese tragen vielmehr die Verantwortung dafür, ihre Vertreter sorgsam auszuwählen und so bei der Ausfüllung des Beiratsamtes für eine sachgerechte Besorgung der ihnen übertragenen Geschäfte zu sorgen. Bei Zweifeln darüber, ob die betreffende juristische Person diesen Anforderungen auch tatsächlich nachkommt, kann die Eigentümerversammlung beispielsweise von einer Wahl absehen. Der Fall der Bestellung einer juristischen Person in den Beirat der GdWE ist außerdem vergleichbar mit der Bestellung einer juristischen Person zum Verwalter. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Verwalter um eine Vertrauensstellung handelt und er seine Befugnisse nicht rechtsgeschäftlich auf Dritte übertragen oder diesen zur Ausübung überlassen darf. Beide Fälle sind gleichgelagert, sodass für eine unterschiedliche Behandlung kein sachlicher Grund besteht. 

Praxishinweis | BGH V ZR 225/24

Der BGH hat in seiner Entscheidung zu der lange umstrittenen Frage Stellung bezogen, ob eine juristische Person zum Mitglied des Verwaltungsbeirats einer GdWE bestellt werden kann und damit auf die im Vergleich zu der Zeit des Inkrafttretens des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 1951 veränderten Lebensumstände reagiert. Eigentümer von Wohnungen sind nicht mehr vorrangig natürliche Personen, sondern oftmals auch Bauträger oder juristische Personen, welche die Wohnungen beispielsweise als Kapitalanlage erwerben. Der BGH hat nun geklärt, dass juristische Personen Mitglieder des Verwaltungsbeirats sein können, allerdings nicht deren handelnde Organe. Dies sollte im Rahmen der Beschlussvorbereitung und bei der Erstellung des Beschlusstextes beachtet werden.