OLG Brandenburg 3 W 9/20
Folgen des Wegfalls des im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben bzgl. einer Ersatzerbeinsetzung

07.05.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
21.02.2020
3 W 9/20
ZEV 2020, 381

Leitsatz | OLG Brandenburg 3 W 9/20

  1. Ist der Schlusserbe nur mit dem überlebenden Ehegatten verwandt, entspricht es der Lebenserfahrung, dass der vorversterbende Ehegatte seinem Partner regelmäßig das Recht belassen will, als Überlebender jederzeit die Einsetzung des Schlusserben zu ändern, insbesondere im Fall einer Verschlechterung seiner persönlichen Beziehungen zu dem Bedachten.
  2. Die Auslegungsregel gemäß § 2270 Abs. 2 BGB ist nur dann anwendbar, wenn sich die Einsetzung des Ersatzerben durch entsprechende Auslegung zweifelsfrei feststellen lässt, nicht jedoch, wenn die Annahme der Ersatzerbeneinsetzung allein auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 3 W 9/20

In einem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahr 2004 setzten sich der Erblasser und seine im Jahr 2007 vorverstorbene Ehefrau gegenseitig zu Alleinerben und die Nichte des Erblassers zur Schlusserbin des gemeinsamen Nachlasses ein.

Aufgrund des Vorversterbens der Nichte, setzte der Erblasser am 26.9.2009 ein neues Testament auf, in dem er den Antragsteller und seine Schwester, als deren Ersatzerbin ihre Tochter (Beteiligte zu 2), zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Die Schwester verstarb ebenfalls vor dem Erblasser.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage der letztwilligen Verfügung vom 26.9.2009. Hiergegen wandte sich die Beteiligte zu 4 mit der Begründung, die letztwillige Verfügung sei wegen der Bindungswirkung der wechselbezüglichen Anordnungen des Ehegattentestaments aus dem Jahre 2004 unwirksam.

Das Amtsgericht wies den Erbscheinantrag zurück. Hiergegen legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein.

Entscheidung | OLG Brandenburg 3 W 9/20

Das OLG Brandenburg bejahte die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 26.09.2009 und erachtete die Beschwerde daher für begründet.

Die Einsetzung der Nichte des Erblassers zur Schlusserbin des gemeinsamen Nachlasses begründe noch nicht die Annahme der Wechselbezüglichkeit der gemeinschaftlichen Verfügungen der Ehegatten iSv. § 2270 Abs. 1 BGB.

Ist nämlich der Schlusserbe nur mit dem überlebenden Ehegatten verwandt, entspreche es der Lebenserfahrung, dass der vorversterbende Ehegatte seinem Partner regelmäßig das Recht belassen will, als Überlebender jederzeit die Einsetzung des Schlusserben zu ändern, insbesondere im Fall einer Verschlechterung seiner persönlichen Beziehungen zu dem Bedachten.

Nach dem Vorversterben der eingesetzten Schlusserbin sei das Ehegattentestament zunächst dahingehend auszulegen gewesen, ob die Ehegatten einen Ersatzerben eingesetzt haben oder, hätten sie den Tod der Schlusserbin bedacht, eingesetzt hätten. Die Auslegungsregel gem. § 2270 Abs. 2 BGB sei nur dann (sofern kein entgegenstehender Testierwille besteht) anwendbar, wenn sich die Einsetzung des Ersatzerben durch entsprechende Auslegung zweifelsfrei feststellen lässt, nicht jedoch, wenn die Annahme der Ersatzerbeneinsetzung allein auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht. Eine Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments unter Anwendung beider Auslegungsregeln komme nicht in Betracht.

So sei im vorliegenden Fall in keiner Weise angedeutet und auch sonst nicht ersichtlich, dass der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau für die bedachte Schlusserbin einen Ersatzerben einsetzen wollten. § 2069 BGB sei im Übrigen nicht einschlägig, da es sich bei der Nichte des Erblassers nicht um einen Abkömmling handelte.

Im Ergebnis stellte der Senat daher fest, dass die Rechtswirkungen des Ehegattentestaments spätestens mit dem Tod der Schlusserbin entfallen waren, sodass die dort getroffenen Anordnungen der Wirksamkeit der späteren letztwilligen Verfügung des Erblassers nicht entgegenstanden.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 3 W 9/20

Bei gemeinschaftlich errichteten Testamenten stellt sich im Nachhinein oft die Frage der Bindungswirkung, wenn einer der Ehegatten einseitig Änderungen vornehmen möchte. Dabei kommt es maßgeblich auf die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen an, denn ein Widerruf solcher Verfügungen ist nur innerhalb der engen Grenzen des § 2271 BGB möglich.

 

§ 2270 Abs. 2 BGB dient hierbei grundsätzlich als Auslegungsregel. Fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe weg und ergibt sich eine Ersatzerbfolge mangels Feststellbarkeit entsprechender Verfügungsinhalte allein aus § 2069 BGB, ist § 2270 Abs. 2 BGB jedoch nur anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der Erblasser feststellen lassen.