OLG Düsseldorf 3 W 21/25
Richterliche Überzeugung von der Echtheit eines Testaments

15.08.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
24.02.2025
3 W 21/25
BeckRS 2025, 7299 = NJW-Spezial 2025, 296

Leitsatz | OLG Düsseldorf 3 W 21/25

  1. Kommt ein gerichtliches Schriftgutachten zu dem Schluss, dass wesentliche Bestandteile des Testaments (hier: Unterschrift und Namenszug im Fließtext) vom Erblasser stammen, und lässt es die Frage nach der Urheberschaft des übrigen Textes offen, kann die Authentizität des Testaments gleichwohl nach den konkreten Umständen des Falles feststehen.
  2. Als solche Umstände kommen in Betracht, dass (1) der gerichtliche Sachverständige aufgrund Materialuntersuchung sowohl Manipulationen am Testamentstext als auch eine vorlagenorientierte Textnachahmung ausschließt, (2) Schriftbild und Inhalt des Textes homogen sind und keine Hinweise auf eine Fälschung enthalten sowie (3) im gesamten Verfahrensverlauf kein einziger Gesichtspunkt für die Annahme aufgetreten ist, dass der Erblasser sein Testament unvollständig niedergeschrieben hat und von dritter Seite ergänzt worden ist. 
     

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 3 W 21/25

Der Erblasser hinterlässt eine Tochter als einziges Kind und eine Lebensgefährtin. Die Tochter begehrt die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Dem tritt die Lebensgefährtin des Erblassers entgegen und beantragt ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins unter Verweis auf ein entsprechendes handschriftliches Testament des Erblassers vom Mai 2021, dessen Formgültigkeit zwischen Tochter und Lebensgefährtin streitig ist. Ein vom Amtsgericht eingeholtes Sachverständigengutachten stellte fest, dass die Unterschrift und der Namenszug mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Erblasser stammen, die restliche Textschrift aber nicht prüfbar sei. Nach Auffassung des Amtsgerichts sei aus diesem Grund eine formgültige Testamentserrichtung nicht nachgewiesen und die Erbfolge bestimme sich nach § 1924 Abs. 1 BGB. Alleinerbin sei somit die Tochter des Erblassers. Dagegen wendet sich die Lebensgefährtin des Erblassers mit ihrer Beschwerde. Dieser hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und sie dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.  

Entscheidung | OLG Düsseldorf 3 W 21/25

Die Beschwerde hat Erfolg. Durch das Schriftgutachten konnte die Lebensgefährtin des Erblassers den Nachweis einer formgültigen Testamentserrichtung zwar nicht führen, allerdings ist der Senat aufgrund der sonstigen Umstände des Falls hinreichend sicher davon überzeugt, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung vollständig niedergeschrieben und unterschrieben hat. 

Der gerichtliche Sachverständige kam unter Berücksichtigung der Besonderheiten in der Schrift des Erblassers zu dem Ergebnis, dass Unterschrift und Namensniederschrift auf dem Testament mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von 90% vom Erblasser stammten. Dagegen war für den Gutachter die restliche Textschrift in dem Testament nicht zu beurteilen. Die Frage nach der Authentizität des Testaments kann durch das Gutachten allerdings nicht abschließend beantwortet werden. Nach § 37 Abs. 1 FamFG hat das Gericht der Sachentscheidung und damit auch seiner Überzeugungsbildung den gesamten Verfahrensstoff zugrunde zu legen. An den Beweis einer Tatsache im Prozess sind keine übertrieben strengen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist zwar die volle richterliche Überzeugung, dies meint aber nicht absolute Gewissheit. Ausreichend ist ein Grad von Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Mit diesem Grad an Wahrscheinlichkeit steht nach Ansicht des Senats fest, dass der Testamentstext vollumfänglich vom Erblasser niedergeschrieben worden ist. Wenn sowohl die Unterschrift als auch der Namenszug im Fließtext des Testaments vom Erblasser stammen und konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der übrige Text von einem Dritten niedergeschrieben wurde, ist bei einer lebensnahen und verständigen Würdigung von der Authentizität des Testaments auszugehen. Der Gutachter konnte weder Manipulationen am Testamentstext noch Hinweise auf eine Fälschung feststellen. Insbesondere enthielten weder der Inhalt noch das Schriftbild des Testamentstextes Brüche, Lücken oder andere Auffälligkeiten, die auf eine Schreibleistung einer dritten Person hätten deuten können. Zudem hat der Senat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung berücksichtigt, dass im gesamten Verfahrensverlauf kein einziger konkreter Anhaltspunkt für die Urheberschaft eines Dritten zutage getreten ist. So ist nicht ansatzweise erkennbar geworden, welche dritte Person bei welcher Gelegenheit aus welchem Motiv heraus welchen konkreten Teil des Testaments geschrieben haben sollte. 

Der Senat stellt außerdem fest, dass der Erblasser seine Lebensgefährtin zur testamentarischen Alleinerbin berufen hat, auch wenn er nach dem Wortlaut des Testaments als sein Vermögen allein Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus aufführte. Wenn der Wortlaut einer testamentarischen Verfügung keinen hinreichend klaren Aufschluss über den letzten Willen des Erblassers gibt, kann sich eine Erbeinsetzung auch aus dem Umstand ergeben, dass der Erblasser den Bedachten einzelne Gegenstände oder einzelne Gruppen seines Vermögen zugewandt hat. Eine solche Zuwendung ist zwar nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Allerdings greift diese Auslegungsregel nicht, wenn ein entgegenstehender Wille des Erblassers ermittelt werden kann. Eine hieran orientierte Auslegung kann im Einzelfall dazu führen, dass nur scheinbar eine Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände vorliegt, der Erblasser aber vielmehr mit diesen einzeln aufgeführten Gegenständen einen Bruchteil seines Vermögens, eine Vermögensgruppe oder auch sein ganzes Vermögen zuwenden wollte. Wenn der Erblasser durch seine letztwillige Verfügung praktisch sein gesamtes Vermögen nach Einzelgegenständen oder Gruppen von Gegenständen unter den bedachten Personen aufgeteilt hat, ist in der Regel anzunehmen, dass der Wille des Erblassers auf eine Erbeinsetzung gerichtet war. 
 

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 3 W 21/25

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, dass insbesondere in den Fällen, in denen Schriftsachverständige offenlassen, ob der begutachtete Testamentstext vom Erblasser stammt oder nicht, aus dem Nachweis, dass die Unterschrift auf dem Testament vom Erblasser stammt, geschlussfolgert werden kann, dass auch der über der Unterschrift stehende Text vom Erblasser niedergeschrieben wurde (Wolfgang Roth, NJW-Spezial 2025, 296).