LG Frankfurt a. M. 3-09 O 78/13
Gesellschaftsrechtliche Treuepflichten und Insolvenz

16.10.2013

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Frankfurt a. M.
13.08.2013
3-09 O 78/13
NZG 2013, 1064

Leitsatz | LG Frankfurt a. M. 3-09 O 78/13

  1. Zur Verpflichtung der Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung im Wege der einstweiligen Verfügung, Forderungen gegen die Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG hinsichtlich ihrer Gewinne für die Geschäftsjahre 2010 und 2011 bis 31. 12. 2014 zu stunden und einen entsprechenden qualifizierten Rangrücktritt nach §39 InsO zu erklären.
  2. Zum Anspruch der klagenden Medienholding AG auf Sicherung ihrer Rechte als Gesellschafterin auch im Insolvenzverfahren, da die Beklagte das Insolvenzverfahren nur betreibe, um sich im Hinblick auf die Medienholding AG aus gesellschaftsrechtlichen Bindungen zu lösen.

Sachverhalt | LG Frankfurt a. M. 3-09 O 78/13

Die Verfügungskl. und die Verfügungsbekl. streiten über die Beanspruchung der Gewinnforderungen aus ihren Beteiligungen an der Suhrkamp GmbH & Co. KG der Jahre 2010 und 2011, sowie über die Behandlung der weiter anfallenden Gewinnforderungen bis zum 31. 12. 2014.

Zur Regelung der Sache wird eine einstweilige Verfügung angestrebt.

Die Suhrkamp GmbH & Co. KG ist so gestaltet, dass die Gesellschafterkreise der jeweiligen Untergesellschaften ebenfalls aus der Verfügungskl. und der Verfügungsbekl. bestehen und ähnliche Mehrheitsverhältnisse wie in der Obergesellschaft vorliegen. Des Weiteren wurde der Verfügungskl. 2009 weitreichende Mitbestimmungsrechte durch die Verfügungsbekl. eingeräumt.

Am 27. 05. 2013 wurde über das Vermögen der Suhrkamp GmbH & Co. KG von der Geschäftsführung ein Insolvenzverfahren gem. §270b InsO (sog. Schutzschirmverfahren) beantragt und am 06. 08. 2013 eröffnet. Die Verfügungskl. beantragt für die Gewinnforderungen vorläufig einen qualifizierten Rangrücktritt gem. §39 II InsO und des Weiteren zusätzlich eine Stundung der Gewinnansprüche der Kommanditisten bis einschließlich 31. 12. 2014 festzusetzen.

Entscheidung | LG Frankfurt a. M. 3-09 O 78/13

Der einstweiligen Verfügung der Verfügungskl. wird stattgegeben.

Das Gericht bestätigt, dass die Unseld Stiftung wegen ihrer mitgliedschaftlichen Treuepflichten es zu unterlassen hat, die Gewinnforderungen der Jahre 2010 und 2011 fällig zu stellen, sondern diese Forderungen dem Institut der Nachrangigkeit gem. §39 II InsO zu unterwerfen sind. Weiter sind die Forderungen bis 31. 12. 2014 zu stunden.

Der Mehrheitsgesellschafter kann regelmäßig durch seine Beteiligung großen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen. Dadurch ist der Minderheitsgesellschafter in besonderem Maße vom Handeln des Mehrheitsgesellschafters abhängig. So muss durch die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander ein Gegengewicht zum Wohle des Minderheitsgesellschafters entstehen, durch das dem Mehrheitsgesellschafter eine besondere Verpflichtung zur Rücksicht zukommt.

Die Treuepflicht kann nach herrschender Meinung durch subjektive Umstände verstärkt werden, wie bspw. die persönliche Bindung der Gesellschafter untereinander, die Größe des Gesellschafterkreises und durch die Organisationsstruktur der Gesellschaft. In diesem Falle würde v.a. der Organisationsstruktur besondere Würdigung zukommen, da sowohl das Kommanditkapital, als auch die Gesellschafterverhältnisse der Untergesellschaften nach ähnlichen Anteilen und dem identischen Gesellschafterkreis bestückt sind. Daraus lässt sich auch eine besonders enge geschäftliche Bindung zwischen den Gesellschaftern ableiten.

Weiter wäre die Fälligstellung der Gewinnforderungen durch die Verfügungsbeklagte ein Verstoß gegen das Treuegebot zwischen Gesellschafter und Gesellschaft. Da dadurch die Gesellschaft in Insolvenzgefahr gerät. Erschwerend kommt hinzu, dass bei einem renommierten Verlag eine Insolvenz medienwirksam aufgearbeitet wird und dadurch zusätzliche Imageschäden unvermeidbar sind. Die durch das Treuegebot nötigen Schritte um dies zu vermeiden wären in diesem Fall Rangrücktritt und Stundung. Diese Maßnahmen sind den Gesellschaftern bei Abwägung der Interessen auch zuzumuten.

Das Gericht geht davon aus, dass die Insolvenzanmeldung aus gesellschaftsfremden Zwecken geschah, mit dem Ziel die Sonderrechte des Minderheitsgesellschafters innerhalb der Insolvenz durch den Insolvenzplan auszuhebeln. Da innerhalb des Insolvenzplans die Zustimmungen nicht einstimmig, sondern mehrheitlich beschlossen werden, erlöschen die Sonderrechte der Verfügungskl. So ließe sich auch ein Formwechsel ohne Zustimmung der Verfügungskl. durchführen.

Durch den Formwechsel in eine AG wären die Sonderrechte der Verfügungskl., bzw. das im Gesellschaftsvertrag festgeschriebene Einstimmigkeitsgebot bei Entscheidungen der Kommanditisten, obsolet.

Praxishinweis | LG Frankfurt a. M. 3-09 O 78/13

Aufgrund dieser Überlegungen geht für das LG Frankfurt von einer Verletzung der Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch dem Minderheitsgesellschafter und von einem nicht vorliegenden Insolvenzgrund bei Antragsstellung aus. Ob der Formwechsel in eine AG zur reinen Beschränkung der Sonderrechte der Verfügungskl. durchgeführt werden soll oder ob dadurch ein Kapitalmarktzugang und somit eine Verbesserung der Verkehrsfähigkeit der Anteile geschaffen wird, bleibt strittig. Tatsächlich wird die Gesellschaft durch die Insolvenz massiv belastet und, falls diese tatsächlich fingiert ist, vom Mehrheitsgesellschafter treupflichtwidrig geschädigt. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig, so dass die weitere Entwicklung mit Spannung erwartet werden darf.