OLG München 34 Wx 431/21
Grundsätzlich keine Notwendigkeit eines Erbscheins bei transmortaler Vollmacht

07.10.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
29.08.2022
34 Wx 431/21
MittBayNot 2022, 266

Leitsatz | OLG München 34 Wx 431/21

  1. Mit dem Erbfall erwirbt der transmortal Bevollmächtigte aufgrund der Ermächtigung der Erblasserin die Befugnis, innerhalb der ihm eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass gehörende Vermögen in Vertretung der Erben zu verfügen.
  2. Der transmortal Bevollmächtigte muss weder die Erben namhaft machen, für die er handelt, noch die Zustimmung der Erben zu seinem Handeln einholen.
  3. Jedenfalls dann, wenn der transmortal Bevollmächtigte nicht Alleinerbe geworden ist, erlischt die transmortale Vollmacht beim Erbfall nicht durch Konfusion.

Sachverhalt | OLG München 34 Wx 431/21

Im Grundbuch ist noch der 2016 verstorbene H.H. als Miteigentümer eingetragen. Dieser wurde vom 2019 verstorbenen G.H. alleinig beerbt. Mit notarieller Urkunde erklärten die Beteiligten die Einigung über den Eigentumsübergang des Miteigentumsanteils von G.H. an sich und es wurde die Eintragung der Auflassung im Grundbuch bewilligt. Die notarielle Urkunde lautet auf Seite 1 unten und Seite 2 oben wie folgt:

„… beide (= die Beteiligten) hier handelnd für sich im eigenen Namen und für die Erben der G. H., die voraussichtlich aufgrund transmortal geltender Vollmacht durch den Bevollmächtigten P.H. erteilt werden soll.“

In der von G.H. für ihren Sohn P.H. ausgestellten Generalvollmacht ist geregelt, dass die Vollmacht nicht durch den Tod der G.H. erlöschen soll. Die Generalvollmacht verleiht die Befugnis, alle Rechtsgeschäfte vorzunehmen, bei denen Stellvertretung zulässig ist, und gilt u.a. auch für alle An- und Verkäufe von Immobilien sowie alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Erklärungen.

Das Grundbuchamt vertrat die Auffassung, für die Wirksamkeit der Vollmacht über den Tod hinaus, auf die sich der Vollmachtnehmer berufe, müsse den Erben die Möglichkeit zum Widerruf gegeben werden. Dies sei nur möglich, wenn diesen die Existenz der Vollmacht bekannt sei. Da in der notariellen Urkunde über den Eigentumsübergang weder die Erben benannt, noch die Erbenstellung nachgewiesen werde, sei die in der erforderlichen Form des § 35 GBO nachzuholen.

Das Grundbuchamt wies den Widerspruch des Notars zurück, woraufhin der Notar namens der Erwerber Beschwerde einlegte. Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Entscheidung | OLG München 34 Wx 431/21

Die zulässige Beschwerde ist im Hauptantrag begründet, weil die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Eintragung erfüllt sind und eine Voreintragung der Erben nach § 39 GBO nicht notwendig ist. Für die Eintragung der Auflassung durch Eigentumsumschreibung bedarf es hier keines Nachweises der Erbfolge in der Form des § 35 GBO. Der Bevollmächtigte P.H. konnte das vollmachtlose Handeln der Beteiligten genehmigen.

§ 20 GBO fordert, dass - zusätzlich zu der Bewilligung des verlierenden Teils (§ 19 GBO, formelles Konsensprinzip) - eine materiellrechtliche Einigung, die den Verfahrensvorschriften der §§ 20, 29 GBO genügt, nachgewiesen wird. Das Grundbuchamt hat dahingehend auch zu prüfen, ob die Auflassung von den verfügungsberechtigten Personen erklärt ist. Einigungsberechtigt sind im Fall der Auflassung eines Grundstücks der Eigentümer als verlierender und der Erwerber als gewinnender Teil. Wird der Erbe durch einen Bevollmächtigten vertreten, sind die Wirksamkeit und der Umfang der Vollmacht vom Grundbuchamt selbständig zu prüfen. Ist im Grundbuch als Eigentümer noch der Erblasser eingetragen, so ist die Voreintragung des Erben als Betroffenen (§ 39 GBO) nach § 40 GBO im Falle der Übertragung eines Rechts nicht erforderlich. Auch die Erbenstellung ist in der Form der §§ 29 ff. GBO nachzuweisen.

Hier ist noch der verstorbene H.H. im Grundbuch eingetragen, dessen Erbin die ebenfalls verstorbene G.H. ist. Deren Erbenstellung ist durch Vorlage des Erbscheins in der Form des § 29 GBO nachgewiesen. Grundsätzlich wären also deren Erben verfügungs- und damit einigungsberechtigt und hätten die Bewilligung abzugeben.

Bei der Beurkundung handelten jedoch nicht die Erben, sondern die Beteiligten als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Dass nicht die Erben, sondern für diese die Beteiligten unter Hinweis auf die dem P.H. erteilte transmortale Vollmacht handelten, steht der Eintragung nicht entgegen. P.H. konnte als Bevollmächtigter der Erben über den Miteigentumsanteil verfügen und somit das vollmachtlose Handeln der Beteiligten genehmigen.

Die in notariell beglaubigter Abschrift und damit in der Form des § 29 GBO vorgelegte Generalvollmacht ist ausdrücklich für sämtliche Angelegenheiten erteilt, soweit diese gesetzlich zulässig sind. Sie ist daher grundsätzlich geeignet zur Vertretung in allen grundstücksbezogenen Angelegenheiten, in denen eine Vertretung zulässig ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich um eine transmortale Vollmacht, die sich mit dem Tod des Vollmachtgebers in eine Vollmacht für die Erben umwandelt. Mit dem Erbfall erwirbt der Bevollmächtigte aufgrund der Ermächtigung der Erblasserin die Befugnis, innerhalb der ihm eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass gehörende Vermögen in Vertretung der Erben zu verfügen.

Der Bevollmächtigte muss weder die Erben namhaft machen, für die er handelt, noch die Zustimmung der Erben zu seinem Handeln einholen. Die Bejahung eines allgemeinen Zustimmungszwangs liefe dem Zweck der über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkenden Vollmacht zuwider, den Auftrag und seine Verwirklichung gerade von dem Willen späterer Erben unabhängig zu machen.

Gemäß § 40 Abs. 1, 1. Alt. GBO ist weder eine Voreintragung der Erbin des H.H. noch eine Voreintragung der Erben der G.H. erforderlich. Die Erbenstellung der G.H ist durch Erbschein gemäß § 35 GBO nachgewiesen. Die Voreintragung erübrigt sich auch für die Erbeserben. Für diese hat P.H. als transmortal Bevollmächtigter gehandelt und muss insoweit keinen Erbnachweis vorlegen.

Die Vollmacht ist darüber hinaus nicht deshalb durch Konfusion erloschen ist, weil der Bevollmächtigte Miterbe ist. Soweit vertreten wird, dass die transmortale Vollmacht erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird, mangelt es vorliegend bereits an einer Stellung des P.H. als Alleinerben.

Praxishinweis | OLG München 34 Wx 431/21

In der vorliegenden Entscheidung schließt sich das OLG München der herrschenden Meinung an, dass eine Voreintragung der Erben in das Grundbuch nicht notwendig ist. Die Erbenstellung ist insoweit durch Erbschein gem. § 35 GBO nachgewiesen. Auch für die Erbeserben ist eine Eintragung hier nicht notwendig, da für diese der transmortal Bevollmächtigte gehandelt hat.

Darüber hinaus stellt das OLG München, dass die Erbenstellung des Bevollmächtigten hier nicht zur Erlöschung der Vollmacht durch Konfusion führt, da dieser nicht Alleinerbe ist. Hier verweist das OLG auf eine andere Entscheidung des Senats, in dem das Erlöschen durch Konfusion aufgrund der Alleinerbenstellung bejaht wurde (OLG München, Beschluss vom 04.01.2017 - 34 Wx 382/16, FGPrax 2017, 65).