13.05.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
14.03.2025
V ZR 153/23
BeckRS 2025, 4303
Grundstücksräumung nach Aufhebung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren [ PDF ]
(amtliche Leitsätze)
Der Kläger war seit 1993 als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Ab dem Jahr 2008 wurde – ohne Kenntnis des Klägers – ein Zwangsversteigerungsverfahren in das Grundstück betrieben. Im Zuge dessen erhielt die Beklagte zu 1 im Jahr 2010 den Zuschlag und wurde als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Beklagten zu 2, ließ sie das bestehende Wochenendhaus abreißen und errichtete ein neues Wohnhaus, das beide seit 2012 bewohnen. Zur Sicherung der für den Neubau aufgenommenen Kredite wurde das Grundstück mit einer Grundschuld in Höhe von 280.000 € zuzüglich Zinsen belastet. 2014 wurde der Zuschlagsbeschluss auf Initiative des Klägers, der erst nach dem Zuschlag von der Versteigerung erfahren hatte, rechtskräftig aufgehoben.
Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten zu 1 die Berichtigung des Grundbuchs sowie von beiden Beklagten die Räumung und Herausgabe des Grundstücks, den Abriss des errichteten Wohnhauses, die Zahlung einer Nutzungsentschädigung sowie die Löschung der eingetragenen Grundschuld. Die Beklagten beantragen die vollständige Abweisung der Klage und berufen sich hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht, das sie mit eigenen Aufwendungen für den Hausbau begründen, deren Wert sie mit mindestens 500.000 € angeben. Während das Landgericht der Klage nur teilweise stattgegeben hatte, hat das Oberlandesgericht auf die Berufung des Klägers der Klage in nahezu vollem Umfang stattgegeben. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision und verfolgen ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.
Der BGH hat der Revision der Beklagten stattgegeben und das Verfahren insgesamt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Zwar bestätigte der BGH die Annahme des Oberlandesgerichts, dass dem Kläger grundsätzlich sowohl ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) als auch auf Räumung des (§ 1004 Abs. 1 BGB) und Herausgabe (§ 985 BGB) des Grundstücks zusteht. Er habe sein Eigentum durch den im Zwangsversteigerungsverfahren erteilten Zuschlag nicht verloren. Zwar habe der Zuschlag gemäß § 90 Abs. 1 ZVG einen originären Eigentumserwerb des Erstehers zur Folge (hier: Beklagte zu 1). Durch die rechtskräftige Aufhebung des Zuschlagsbeschluss verliere der Ersteher das Eigentum aber rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zuschlagsbeschlusses wieder an den Schuldner (hier: Kläger), wodurch das ursprüngliche Eigentum in vollem Umfang wieder auflebe. Da ein Beschluss, mit dem ein Zuschlag aufgehoben wird, ebenso wie ein Urteil der materiellen Rechtskraft fähig sei, kommt es auf dessen Rechtmäßigkeit nicht an. Einwendungen hiergegen könnten ausschließlich im Rahmen der für solche Entscheidungen vorgesehenen Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe geltend gemacht werden, nicht jedoch in einem Folgeprozess, in dem die rechtskräftige Entscheidung lediglich eine Vorfrage darstelle.
Anders als die Vorinstanz geht der BGH aber davon aus, dass den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Verwendungsersatz nach § 996 BGB für den Hausbau zustehen könne. Hiernach kann der Besitzer für andere als notwendige Verwendungen Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit und vor dem Beginn der in § 990 BGB bestimmten Haftung gemacht werden und der Wert der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigentümer die Sache wiedererlangt. Der BGH hat hierbei nun eine grundlegende Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung vorgenommen. Während bislang Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen darstellten, die der Sache zugutekommen sollten, ohne sie grundlegend zu verändern (sog. enger Verwendungsbegriff; eine nicht ersatzfähige grundlegende Veränderung sollte bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück vorliegen, sofern das Grundstück fortan für einen anderen Zweck genutzt wurde), erkennt das Gericht nun auch solche Vermögensaufwendungen des Besitzers als Verwendungen an, die (der Sache zugutekommen und) diese grundlegendend verändern (sog. weiter Verwendungsbegriff). Hintergrund dieser Neuausrichtung ist der Gedanke eines fairen Interessenausgleichs zwischen gutgläubigem Besitzer und Eigentümer, wie ihn die §§ 994 ff. BGB bezwecken. Der Eigentümer werde nicht in seinem Vermögen beeinträchtigt, sondern lediglich in seiner Dispositionsbefugnis, weil die Ersatzpflicht im Rahmen des § 996 BGB nur bei einer Verkehrswerterhöhung bestehe und durch die tatsächlichen Aufwendungen des Besitzers begrenzt sei. Demgegenüber verbliebe dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer nach dem engen Verwendungsbegriff nur das mit Blick auf die Höhe der Abrisskosten regelmäßig wirtschaftlich wertlose Wegnahmerecht aus § 997 BGB, was eine unangemessene Härte zur Folge hätte. Die bisherige Praxis unter Verwendung des engen Verwendungsbegriffs habe in vielen Fällen zu unbilligen Ergebnissen und großer Rechtsunsicherheit geführt, da sie schwer praktikable Abgrenzungen erfordert habe. Grund hierfür sei insbesondere das Fehlen von geeigneten Kriterien gewesen, wann noch eine erhaltende oder verbessernde und wann bereits eine grundlegend verändernde Aufwendung vorliege.
Zudem hat der BGH klargestellt, dass die Beklagten nicht zum Rückbau des errichteten Hauses verpflichtet werden könnten. Ein Beseitigungsanspruch des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB sei gegenüber einem gutgläubigen Besitzer wie den Beklagten ausgeschlossen. Zwar enthalte das Gesetz keine ausdrückliche Regelung zum Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Beseitigung und dem auf Verwendungsersatz. Aus dem Zusammenspiel von § 993 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB mit § 989 BGB ergebe sich jedoch, dass ein gutgläubiger und unverklagter Besitzer in besonderem Maße schutzwürdig sei. Er haftet nicht auf Schadensersatz und ein Rückgriff auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften ist ausgeschlossen. Diese gesetzliche Wertung sei auch bei der Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen, obwohl es sich dabei formal nicht um einen Schadensersatzanspruch handele. Der BGH begründet dies damit, dass der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB im wirtschaftlichen Ergebnis mit einem Schadensersatzanspruch vergleichbar sei. Im Übrigen bestünde aus Sicht des BGH ein Wertungswiderspruch, wenn der redliche und unverklagte Besitzer zwar keinen Ersatz für den Abriss eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes (hier: Wochenendhaus) leisten müsste, aber ein von ihm selbst errichtetes Gebäude auf eigene Kosten abreißen müsste. Der BGH stellte zudem klar, dass für die Nützlichkeit einer Verwendung nach § 996 BGB allein die objektive Verkehrswerterhöhung entscheidend ist. Der subjektive Wert für den Eigentümer sei dabei unerheblich.
Auch die Verurteilung zur Löschung der Grundschuld hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar habe die Beklagte zu 1 als Nichtberechtigte dem Kläger gegenüber wirksam über das Grundstück verfügt, da die finanzierende Bank der Beklagten die Grundschuld gutgläubig erworben habe. Ein hierauf gestützter Bereicherungsanspruch nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB scheide aber aus, weil die Beklagte zu 1 "durch die Verfügung" im Sinne dieser Vorschrift nicht die Grundschuld, sondern nur die Sicherung ihres Darlehens erlangt habe. Ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 989 f. BGB sei bereits deshalb ausgeschlossen, da die Beklagten bei Bestellung und Eintragung der Grundschuld im Jahr 2011 noch gutgläubig und unverklagt waren.
Auf Grundlage dieser höchstrichterlichen Ausführungen muss das OLG Brandenburg nun weitere Feststellungen zu den Verwendungen der Eheleute treffen und neu entscheiden. Besonders bemerkenswert ist dabei die Abkehr des BGH von seiner bisherigen restriktiven Auslegung des Verwendungsbegriffs in § 996 BGB. Durch die Zubilligung des Zurückbehaltungsrechts aufgrund der Verwendungen, gibt der BGH seinen bisher vertretenen engen Verwendungsbegriff auf und schließt sich dem in großen Teilen der Literatur gefolgten weiten Verwendungsbegriff an. Demnach sind für den Hausbau getätigte Aufwendungen auch dann ersatzfähige Verwendungen im Sinne von § 996 BGB, wenn sie die Sache grundlegend verändern, sofern sie objektiv zur Steigerung des Verkehrswerts der Sache führen. Unerheblich ist dabei, ob der Eigentümer ein eigenes Interesse an der Vermögensaufwendung hat. Nach Auffassung des BGH, werden so widerstreitende Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer in Ausgleich gebracht. Begrüßenswert ist hierbei insbesondere, dass bisherige Abgrenzungsschwierigkeiten und damit in Zusammenhang stehende Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung zukünftig entfallen oder Abgrenzungen zumindest erleichtert werden.