07.07.2014
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
18.07.2013
IX ZR 219/11
NZI 2013, 742
Insolvenzanfechtung bei Verwertung einer für Gesellschafterdarelehen bestellten Sicherung [ PDF ]
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH (Schuldnerin). Die Beklagte A ist eine GmbH & Co. KG, an der der alleinige Gesellschafter der Schuldnerin C und dessen Bruder je zur Hälfte beteiligt sind. Der Gesellschafter der Schuldnerin (C) ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer sowohl der Schuldnerin als auch der Beklagten. Die Beklagte A gewährte der Schuldnerin Darlehen iHv rund 100.000 Euro. Zur Sicherung der Darlehen trat die Schuldnerin Mitte 2004 eine gegen einen Dritten bestehende Forderung iHv 130.000 Euro an die Beklagte A ab. Am Mitte 2007 zahlte der Dritte auf Weisung der Schuldnerin einen Betrag von circa 41.000 Euro an die Beklagte A. Knapp zwei Jahre später, am Mitte 2009 wurde Insolvenzantrag über das Vermögen der Schuldnerin gestellt, welcher zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte. Der Kläger nimmt die Beklagte A unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Erstattung der 41.000 Euro und den Beklagten C, der die Einrede der Verjährung erhebt, nach § 43 Abs. 2 GmbHG auf Erstattung dieses Betrages in Anspruch.
Der BGH klärt in seinem Urteil vom 18.07.2013 die Frage, ob der Umstand, dass eine Befriedigung eines Gesellschaftsdarlehens i. S. des § 135 InsO nur innerhalb von einem Jahr vor dem Eröffnungsantrag möglich ist (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO), Sperrwirkung dergestalt entfaltet, als dass eine Anfechtung der Sicherung eines solchen Darlehens, die bis zu zehn Jahren vor Antragstellung möglich wäre (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO), ausgeschlossen ist. Nahezu zeitgleich hatte Bitter (ZIP 2013, 1497, 1500) noch betont, dass wohl Einigkeit insoweit bestehen dürfte, als die Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen sei, wenn die zur Befriedigung des Gesellschafters führende Verwertung der Sicherheit früher als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag erfolgte. Einer solchen Sperrwirkung tritt der BGH eindeutig entgegen (Zustimmend Bork, EWiR 2013, 521 f; Thole; NZI 2013, 745 f. [de lege lata]; a.A. weiterhin Bitter, ZIP 2013, 1583 f.).
Nach Auffassung des BGH findet der Anspruch gegen den Beklagten A seine Grundlage in § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Von dieser Norm werde auch die Sicherungszession erfasst. Die Anwendbarkeit dieser Norm werde nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass A die ihr gewährte Sicherung außerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO (m letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag) zur teilweisen Befriedigung ihrer Forderung verwertet hat.
Der BGH stellt sich damit gegen die im Schrifttum vertretene Auffassung, wonach bei der Verwertung einer Sicherung durch den Gesellschafter wegen der darin lie-genden Befriedigung nur eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht komme. Begründet wurde dies damit, dass eine Sicherung eine bloße Vorstufe der auf ihrer Grundlage bewirkten Befriedigung darstelle und darum § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Verhältnis zu § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Sperrwirkung entfalte (Bork/Schäfer/Thiessen, GmbHG, 2. Aufl., Anhang zu § 30 Rn. 68; Saenger/Inhester/Kolmann, GmbHG, Anhang § 30 Rn. 177; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anhang § 30 Rn. 64; Reuter in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 531, 535 f; wohl auch Altmeppen, NZG 2013, 441, 442.).
Da die einzelne anfechtbare Rechtshandlung ein eigenes selbständiges Rückgewähr-schuldverhältnis begründet, ist der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens zu beurteilen (BGH v. 12.07.2007 – IX ZR 235/03, WM 2007, 2071 Rn. 11.). Darum kann die Gewährung einer Sicherung und die daraus erfolgte Befriedigung jeweils innerhalb der für sie jeweils maßgeblichen Frist selbständig angefochten werden. Zwar sei die aus einer Sicherheitenverwertung resultierende Befriedigung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, wenn die Sicherheit unanfechtbar sei; umgekehrt gelte das aber nicht. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere von einer Rechtshandlung verursachte Wirkungen nur insgesamt oder gar nicht anfechtbar seien, gibt es auch für solche Folgen nicht, die im Kausalverlauf ferner liegen als nähere, unanfechtbare Folgen. Folgerichtig steht der Anfechtbarkeit einer innerhalb von zehn Jahren vor Antragstellung gewährten Sicherung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) nicht entgegen, dass eine spätere, in der Verwertung liegende Befriedigung außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unanfechtbar wäre. Zum Schutze der Insolvenzmasse ist nach der neueren Rechtsprechung des Insolvenzrechtssenats bei der Gläubigerbenachteiligung eine strenge Einzelansicht geboten (Primozic/Doetsch, NJW 2010, 2922, 2924 m.w.N.), so dass bei der Gläubigerbenachteiligung nicht einfach Vor- und Nachteile saldiert werden dürfen. Eine Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ist im Insolvenzanfechtungsrecht grundsätzlich nicht zulässig.
Fernerhin war die Beklagte A als Gesellschafterin im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Denn von der Bestimmung werden auch Finanzierungshilfen Dritter erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung infolge einer horizontalen oder vertikalen Verbindung einem Gesellschafter gleichsteht. Die Beteiligung kann in der Weise ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der Darlehen nehmenden und der Darlehen gebenden Gesellschaft, und zwar an der letztgenannten maßgeblich beteiligt ist. Dazu genügt bei einer GmbH – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung der Stimmmacht in der Satzung – eine Beteiligung von mehr als 50 %. Eine maßgebliche Beteiligung ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter einer hilfenehmenden GmbH zwar nur zu genau 50 % an der hilfeleistenden GmbH beteiligt, aber zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist. Diese Voraussetzungen lagen bei dem Beklagten C vor. Keine Bedeutung hat es, dass die Beklagte A nach ihrem Ge-sellschaftszweck zu einer Darlehensgewährung berechtigt war. Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers wird nicht durch den Gesellschaftszweck begrenzt.
Dieses Urteil wirft viele – noch ungeklärte – Fragen auf, klärt aber (zum Teil inzident) auch Einige (zB Anspruchskonkurrenz). So geht der BGH – ohne Erörterung des Streitstandes (Umfassend Bitter, ZIP, 2013, 1583, 1586) – offensichtlich davon aus, dass die Nachrangigkeit der Darlehensforderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) nicht zu einer Unverwertbarkeit der Sicherheit, wenn sie insolvenzanfechtungsfest ist, führt. So hat er in Rn. 21 die Anfechtungsfestigkeit angesprochen, aber hat in diesem Zusammenhang gerade nicht erwähnt, dass die Verwertung aufgrund Nachrangigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausgeschlossen und die Sicherheit trotz Insolvenzfestigkeit wirtschaftlich wertlos ist. So bleibt die Nachrangigkeit des Darlehens nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO innerhalb der 10-Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO (wirtschaftlich) erhalten, da die Bestellung der Sicherheit angefochten werden kann. Erst nach diesem Zeitraum hindert die Nachrangigkeit nicht die Verwertung der Sicherheit auch bei Akzessorietät (Baumbach/Hueck/Lorenz, GmbHG, 20. Aufl. 2013, Anhang § 30 Rn. 69 a. E.).
In seinem Urteil vom 28.06.2013 ließ der BGH (BGH v. 28.06.2012, IX ZRE 191/11; NZG 2012, 1103) die Frage, ob dem Absonderungsrecht – an der für das Gesellschafterdarlehen gewährten Sicherheit – auch unabhängig von der Anfechtbarkeit der Sicherheit die Anerkennung zu versagen wäre, aber bewusst offen.
Ungeklärt ist bisher, ob der Bargeschäftseinwand nach § 142 InsO bei § 135 Abs. 1 InsO hinsichtlich der Sicherheitenbestellung im Gegenzug zur Kreditgewährung greift (Uhlenbrock/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 135 Rn. 10; Thole, ZHR 176 (20112), 513, 542 f.; Bitter, ZIP 2013, 1583, 1586; Bitter, ZIP 2013, 1497, 1503 ff.; a.A. Altmeppen, ZIP 2013, 1745, 1749 f.; vgl. K. Schmidt/Ganter/Weiland, InsO, 18. Aufl. 2013; § 142 Rn. 10 m.w.N.).
Höchstrichterlich – mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 07.05.2013 – geklärt ist diesbezüglich nur, dass generell die Rückzahlung eines Darlehens nicht als Bargeschäft gewertet kann. Auch die Frage, ob bei anfänglicher Besicherung eine Anfechtung generell ausgeschlossen sein sollte (Thole, ZHR 176 (2012), 513, 542 f. m.w.N.), war bisher nicht Gegenstand einer Entscheidung.