BGH II ZR 143/23
Keine Begrenzung der Haftung des Kommanditisten einer durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten KG

16.06.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
03.12.2024
II ZR 143/23
DStR 2025, 852

Leitsatz | BGH II ZR 143/23

Die Haftung des Kommanditisten, der der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten Kommanditgesellschaft angehört, ist nicht entsprechend § 161 Abs. 2, § 160 Abs. 1 S. 1 HGB in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung begrenzt.

Sachverhalt | BGH II ZR 143/23

Die Insolvenzschuldnerin, eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, war als Kommanditistin an zwei Containerschiffsgesellschaften beteiligt. Nach Insolvenzeröffnung am 30.04.2014 forderte der klagende Insolvenzverwalter Rückzahlungen aus erhaltenen Ausschüttungen gemäß § 172 Abs. 4 HGB. Die Beklagte hatte Ausschüttungen i.H.v. 10.800 EUR erhalten, wovon 8.886,08 EUR nicht gewinnbasiert waren. 5.000 EUR wurden bereits zurückgezahlt. Andere Kommanditisten leisteten Rückflüsse i.H.v. über 1,4 Mio. EUR. Die Forderungen in der Insolvenztabelle belaufen sich auf rund 1,8 Mio. EUR, u.a. aus Gewerbesteuern nach Tonnagebesteuerung. Der Kläger verlangt im Wege der Teilklage 1.554,43 EUR. Während das Amtsgericht dem stattgab, wies das Berufungsgericht die Klage ab. Die Forderung sei jedoch entsprechend § 160 Abs. 1 S. 1 HGB aF nach Ablauf von fünf Jahren nach Insolvenzeröffnung erloschen. Der Kläger verfolgt sein Begehren im Wege der zugelassenen Revision weiter.

Entscheidung | BGH II ZR 143/23

Die Revision des Klägers hat Erfolgt. Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht verneinte rechtsfehlerhaft die fortbestehende Haftung der Kommanditistin für die Gewerbesteuerforderung in Höhe von 1.056.522,50 €, da § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. eine fünfjährige Nachhaftung ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsehe. Die Frist habe am 30. April 2014 zu laufen begonnen und sei am 30. April 2019 abgelaufen. Zudem seien bereits 1.452.512,10 € zurückgeführt worden, was zur Deckung der sonstigen Verbindlichkeiten ausreiche. Die Eintragung der Steuerforderung in die Insolvenztabelle habe die Frist nicht gehemmt, § 159 Abs. 4 HGB sei nicht einschlägig. Eine persönliche Einwendung des Gesellschafters sei gegeben, sodass § 129 Abs. 1 HGB einem Einwendungsvorbehalt nicht entgegenstehe.

Das Berufungsgericht unterlag einem Rechtsirrtum, indem es die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einer gesellschaftsrechtlichen Beendigung gleichstellte und § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB analog anwendete. Maßgeblich, so der BGH, bleibt das vor dem 1. Januar 2024 geltende.

Eine analoge Anwendung von § 160 HGB a.F. auf insolvenzbedingte Gesellschaftsauflösungen scheidet mangels planwidriger Regelungslücke und Vergleichbarkeit aus. Die Insolvenz stellt keine derart vergleichbare Lage dar, da die Haftung der Gesellschafter hier abschließend über § 159 HGB a.F. geregelt ist. Diese Norm enthält eine spezielle Verjährungsregel, die auch auf durch Insolvenzeröffnung (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB a.F.) aufgelöste Gesellschaften Anwendung findet.

Die Wirkung der Anmeldung zur Insolvenztabelle auf die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB erstreckt sich nach § 159 Abs. 4 HGB a.F. auch auf die Gesellschafter, die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben. Eine weitergehende Ausschlussfrist, wie sie § 160 Abs. 1 HGB für ausgeschiedene Gesellschafter vorsieht, ist im System der Insolvenz nicht vorgesehen. Die Gefahr einer unzumutbaren Dauerrisikolage besteht hier nicht, da die Befriedigung der Gläubiger zentral durch das Insolvenzverfahren gewährleistet wird.

Soweit frühere Entscheidungen des BGH gewisse Parallelen zwischen Insolvenz und Gesellschafterausscheiden gezogen haben (z. B. BGHZ 228, 28 Rn. 29; BGHZ 239, 37 Rn. 37), bezogen sich diese allein auf den Umfang der Haftung, nicht aber auf deren Dauer.

Das MoPeG hat mit § 151 Abs. 1 HGB n.F. klargestellt, dass Verjährung nunmehr an das Erlöschen der Gesellschaft und nicht mehr an ihre Auflösung anknüpft (vgl. BT-Drucks. 19/27635, S. 251).

Der BGH führt weiter aus, dass die Entscheidung sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, § 561 ZPO. Die vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachte Haftung stützte sich auf eine bereits vor Insolvenzeröffnung entstandene Steuerverbindlichkeit, die infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart zu begründen war und durch Ausschüttungen zwischen 2002 und 2008 konkretisiert worden sei.

Praxishinweis | BGH II ZR 143/23

Zur Einordnung der Entscheidung sei klargestellt, dass der BGH seine Beurteilung auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des MoPeG stützt. Die bisherige Rechtslage nach den §§ 159, 160 HGB a.F. bleibt auch weiterhin auf Konstellationen anwendbar, in denen die Gesellschaftsauflösung – etwa durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens – oder das Ausscheiden eines Gesellschafters vor dem 1. Januar 2024 erfolgt ist. Auch diese Entscheidung betrifft somit Fragen des intertemporalen Rechts. Diese kommen zu Zeit, und vermutlich noch eine Weile, verstärkt vor.

§ 151 Abs. 1 HGB n.F. enthält nun die spezialgesetzliche Vorschrift zur Verjährung von Haftungsansprüchen gegen Gesellschafter einer Personengesellschaft nach deren Insolvenz. Anders als die Vorgängerregelung knüpft die Norm den Fristbeginn nicht mehr an den Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft, sondern an deren tatsächliches Erlöschen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber keine zusätzliche zeitliche Beschränkung der Gesellschafterhaftung während des Bestehens einer aufgelösten Gesellschaft gewollt hat. Die Verjährung soll vielmehr erst mit dem endgültigen Wegfall der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft in Gang gesetzt werden. Diese Regelung findet nicht nur bei der Liquidation Anwendung, sondern erfasst gleichermaßen das Erlöschen durch Beendigung des Insolvenzverfahrens.