20.06.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
16.01.2025
IV R 28/23
RFamU 2025, 185
Die Beteiligten streiten über die Höhe des verrechenbaren Verlustes nach § 15a EStG für die Streitjahre 2018 und 2019. Streitig ist, ob eine (Sach-)Einlage im Jahr 2018 das Kapitalkonto erhöht hat und wie sich Hinzurechnungen gemäß § 7g Abs. 2 S. 1 EStG auf die Höhe des verrechenbaren Verlustes der Streitjahre ausgewirkt haben.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren Komplementärin nicht am Kapital beteiligt ist. Ihr alleiniger Kommanditist (Beigeladener) ist mit einer Kommanditeinlage von 1.000 € beteiligt. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages (GesV) führt die Klägerin für jeden Gesellschafter Kapital- und Darlehenskonten sowie gemeinschaftliche Rücklagen- und Verlustvortragskonten. § 10 GesV sieht vor, dass ein Gesellschafter Guthaben auf seinem Darlehenskonto jederzeit entnehmen darf. Ein Gesellschafterbeschluss vom 21.12.2017 richtete zum 01.01.2018 ein sog. Kapitalkonto III ein, auf dem Einlagen und positive Jahresüberschüsse nach Ausgleich des Verlustvortrags gebucht werden sollten, negative Ergebnisse jedoch weiter dem Verlustvortragskonto zugeordnet und Darlehensguthaben unbeschränkt verfügbar bleiben durften. Stimmrechte gewährten Einlagen auf dem Kapitalkonto III keine. Im Streitjahr 2018 leistete der beigeladene Kommanditist eine Sacheinlage von 26.289,97 €, die als einzige Einlage auf dem Kapitalkonto III verbucht wurde.
Für das Streitjahr 2018 minderte die Klägerin ihren außerbilanziellen Gesamthandsverlust nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG durch Hinzurechnung i.H.v. 16.000 €, weil sie 2015 einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) gemäß § 7g Abs. 1 EStG in Anspruch genommen hatte. Im Rahmen ihrer steuerlichen Gewinnermittlung 2018 kürzte die Klägerin diverse Anschaffungskosten gem. § 7g Abs. 2 S. 2 EStG um insgesamt 16.000 €. Im Streitjahr 2019 tätigte die Klägerin eine weitere Anschaffung, der IAB hierfür aus dem Jahr 2016 betrug 12.000 € und die Anschaffungskostenkürzung im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung 2019 8.787,35 €.
Das Finanzamt stellte verrechenbare Verluste von 32.574,32 € (2018) und 48.151,36 € (2019) fest und berücksichtigte die auf dem Kapitalkonto III gebuchte Einlage nicht in der Kapitalkostenentwicklung gem. § 15a EStG. Der Berechnung des vom Beigeladenen nach § 15a EStG abziehbaren Verlustes legte das FA den um 16.000 € (2018) bzw. 8.787,35 € (2019) geminderten Jahresfehlbetrag zugrunde.
Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos.
Die Revision ist unbegründet. Das FG habe zutreffend erkannt, dass die vom FA festgestellte Höhe des verrechenbaren Verlustes des Beigeladenen nicht zu beanstanden ist.
Zunächst stellt der BFH fest, dass die Einlage auf dem Kapitalkonto III keinen Einfluss auf das Kapitalkonto des Beigeladenen hätte, da es sich nicht um ein Eigenkapitalkonto i.S.d. § 15a EStG handele.
Die rechtliche Einordnung der Konten, die eine KG für ihre Kommanditisten führt, richte sich nach dem Zivilrecht. Führt eine KG mehrere Konten für die Kommanditisten, sei anhand des Gesellschaftsvertrags zu bestimmen, welche zivilrechtliche Rechtsnatur diese Konten hätten, also ob sie Eigenkapital oder Forderungen bzw. Schulden (Fremdkapital) ausweisen. Nur Eigenkapitalkonten seien Kapitalkonto im Sinne des § 15a EStG. Ein Kapitalkonto im Sinne des § 15a EStG liege in der Regel vor, wenn darauf auch Verluste verbucht würden, die stehengebliebene Gewinne aufzehren können. Entscheidend sei, dass das Konto durch die Verlustbeteiligung der gesamthänderischen Bindung unterliege. Auch der Verfügbarkeit des Guthabens komme erhebliche Bedeutung zu: Verfügungsbeschränkungen sprächen für ein Eigenkapitalkonto i.S.d. § 15a EStG, eine freie Verfügbarkeit (unbeschränkter Auszahlungsanspruch) dagegen. Denn Einlagen im rechtlichen Sinne würden sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht frei entnehmbar seien. Daher könnten auf Gesellschafterkonten mit jederzeitiger Auszahlbarkeit keine Einlagen im rechtlichen Sinne gebucht werden. Ein weiteres Indiz für ein Eigenkapitalkonto sei, wenn das Guthaben zusätzliche Stimm- oder Mitwirkungsrechte verleihe. Ebenso sprächen Höchstbeträge, gestellte Sicherheiten oder Tilgungsvereinbarungen i.R.d. Kapitalüberlassung für die Einordnung als Kapitalkonto.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei das sog. Kapitalkonto III im vorliegenden Fall nach Auffassung des BFH kein Kapitalkonto i.S.d. § 15a EStG, insbesondere weil darauf keine Verluste gebucht würden und es damit nicht der gesamthänderischen Bindung unterliege. Ferner unterliege das Kapitalkonto III keiner Verfügungsbeschränkung, da sich eine solche weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus dem Gesellschafterbeschluss ergebe. Die Gesellschafter könnten Guthaben jederzeit umbuchen und auszahlen lassen. Auch die Bezeichnung als „Kapitalkonto“ und die Zuordnung zum Eigenkapital ändere daran nichts. Schließlich verleihe das Konto auch keine zusätzlichen Stimm- oder Mitwirkungsrechte.
Darüber hinaus führt der BFH aus, dass die außerbilanzielle Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG keine Auswirkungen auf die Ermittlung des verrechenbaren Verlustes habe, sodass sie das steuerbilanzielle Kapitalkonto des Beigeladenen i.S.v. § 15a EStG unberührt lasse. Denn der Hinzurechnungsbetrag nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG sei keine handels- oder steuerrechtliche Bilanzposition, sondern außerbilanziell zu erfassen. Daher berühre er weder die Steuerbilanz der Gesellschaft noch das steuerliche Kapitalkonto des Kommanditisten. Gleiches gelte für den Investitionsabzugsbetrag (IAB) nach § 7g Abs. 1 EStG, der ebenfalls keine Bilanzposition darstelle und außerbilanziell zu erfassen sei. Aufgrund der außerbilanziellen Wirkung könne weder der IAB gem. § 7g Abs. 1 EStG zur Entstehung bzw. Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führen, noch kann ein negatives Kapitalkonto durch den Hinzurechnungsbetrag des § 7g Abs. 2 S. 1 EStG ausgeglichen bzw. gemindert werden. Dies entspreche dem Sinn von § 15a EStG, der dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit gewähren solle, als er durch die Verluste wirtschaftlich belastet wird. Durch Hinzurechnung oder Investitionsabzug werde der Kommanditist nicht wirtschaftlich belastet, da sich weder Haftungsumfang noch Ausfallrisiko im Innenverhältnis verändern. Auch aus der Verknüpfung von Hinzurechnung und Minderung der Anschaffungskosten (§ 7g Abs. 2 S. 3 EStG n.F.) lasse sich kein anderes Ergebnis herleiten.
Die Entscheidung des BFH enthält zwei unmissverständliche Aussagen.
Zum einen richtet sich die steuerliche Anerkennung eines Eigenkapitalkontos nach zwei wesentlichen Kriterien: das Kapital muss an Verlusten der Gesellschaft teilnehmen sowie einer Verfügungsbeschränkung unterliegen. Diese Auffassung fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des BFH zu § 15a EStG ein, insbesondere in das Urteil vom 10.11.2022 (Az.: IV R 8/19), und bestätigt erneut, dass für die Einordnung die zivilrechtliche Ausgestaltung und nicht die buchhalterische Erfassung maßgeblich ist. Für die Praxis bedeutet dies: Soll eine Einlage das steuerliche Kapitalkonto stärken und die Verlustverrechnung des Kommanditisten sichern, müssen die gesellschaftsrechtlichen Regelungen entsprechend gestaltet sein und tatsächlich ausgeübt werden – insbesondere durch eine ausdrückliche Verlustbeteiligung des Kontos, klare Verfügungsbeschränkungen und eine dokumentierte Zulässigkeit freiwilliger Einlagen durch Gesellschafterbeschluss.
Zum anderen beeinflusst die gewinnerhöhende Hinzurechnung von in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbeträgen als außerbilanzielle Korrektur nicht die Höhe des Kapitalkontos i.S.d. § 15a Abs. 1 S. 1 EStG. Lediglich die steuerbilanzielle Gewinnminderung aus dem Abzug des IAB wirke sich im Abzugsjahr auf die Kapitalkonten und damit die Ermittlung der Verlustverrechnung aus. Auch diese Entscheidung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH, insbesondere dem Urteil vom 27.05.2020 (Az.: XI R 12/18), und entspricht der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF-Schreiben vom 15.06.2022).