27.09.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Köln
03.05.2023
2 Wx 56/23
NZG 2024, 80
Im Vereinsregister ist am 28.12.2004 eingetragen worden, dass der Beteiligte als Vorstandsvorsitzender aus dem Vorstand ausgeschieden ist. Aus dem chronologischen Auszug des Vereinsregisters, der auch die gelöschten Daten enthält, ergibt sich die ehemalige Vorstandstätigkeit des – unter Nennung seines vollständigen Namens und Geburtsdatums eingetragenen – Beteiligten. Mit an das Ministerium für Justiz des Landes NRW gerichteten Schreiben hat der Beteiligte u.a. beantragt, dafür Sorge zu tragen, dass die Angabe seines Geburtsdatums und die Dauer seiner Vorstandstätigkeit nicht mehr voraussetzungslos über das Internet verfügbar gemacht werden. Dieses Schreiben des Beteiligten ist an das AG Bonn zur weiteren Veranlassung weitergeleitet worden. Durch erlassenen Beschluss hat die Rechtspflegerin des Registergerichts den Antrag des Beteiligten auf Löschung persönlicher Daten (Geburtsdatum) aus dem Vereinsregister zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Vereinsregister öffentlichen Glauben gem. § 15 HGB genieße, wodurch sowohl der Rechtsverkehr als auch der Eingetragene geschützt werde. Der Vorstand vertrete den Verein im Rechtsverkehr. Eine eindeutige und zweifelsfreie Identifizierung der Vorstandsmitglieder sei daher erforderlich.
In der Sache hat die Beschwerde indes keinen Erfolg.
Für das Begehren des früheren Vereinsvorstandsvorsitzenden fehlt nach Ansicht des Gerichts es an einer Rechtsgrundlage. Ein Löschungsanspruch aus Art. 17 I, II DS-GVO sei nicht ersichtlich, denn diese Bestimmungen gelten gem. Art. 17 III Buchst. b DS-GVO nicht, soweit die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, notwendig ist. Hier ergibt sich eine solche Verpflichtung aus § 387 II FamFG i.V.m. §§ 3, 11 VRV. Soweit sich der frühere Vereinsvorstandsvorsitzende auf Art. 18, 21 DS-GVO stützt, dringt er damit nicht durch. Ein Widerspruchsrecht gem. Art. 21 I DS-GVO steht dem früheren Vereinsvorstandsvorsitzenden gem. § 79a III BGB nicht zu. Dementsprechend ist auch Art. 18 I Buchst. b DS-GVO nicht einschlägig, weil diese Bestimmung das Bestehen eines Widerspruchsrechts gem. Art. 21 I DS-GVO voraussetzt, das hier aber aus vorgenannten Gründen nicht besteht (für den Fall eines im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers einer GmbH ebenso: OLG Celle, NZG 2023, 950). Auch § 395 FamFG ist hier nicht einschlägig, denn die Aufnahme des Geburtsdatums und Wohnorts des früheren Vereinsvorstandsvorsitzenden in das Vereinsregister war im Hinblick auf § 387 II FamFG iVm § 3 S. 3 Nr. 3 VRV nicht unzulässig iSv § 395 FamFG. Die Löschung durch bloße „Rötung“ entspricht § 11 VRV.
Die Eintragung des Geburtsdatums (und des ehemaligen Wohnortes) des früheren Vereinsvorstandsvorsitzenden in das Vereinsregister und die Löschung des früheren Vereinsvorstandsvorsitzenden durch bloße „Rötung“ nach seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender verstößt nicht gegen europäisches Recht. Der Einwand des Bet., dass europäisches Recht vorrangig sei und das nationale Recht verdränge, verhilft seiner Beschwerde nicht zum Erfolg, weil das europäische Recht in der DS-GVO entsprechende Ausnahmen vorsieht und dem nationalen Gesetzgeber Regelungsinhalte belassen hat. Nach der Gesetzesbegründung zu § 79a BGB gilt für Eintragungen im Vereinsregister der Grundsatz der Erhaltung der Eintragung, welche den Kern des materiell-rechtlichen Publizitätsprinzips bildet. Diese wird unter anderem dadurch geschützt, dass Eintragungen gem. § 383 III FamFG nicht mit der Beschwerde anfechtbar sind. Es würde dem Kern des Grundsatzes der Publizitätswirkung widersprechen, sollten Eintragungen über einen längeren Zeitraum nicht einsehbar sein. Die Aufrechterhaltung der Leichtigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch uneingeschränkt einsehbare Register ist im allgemeinen öffentlichen Interesse. Ein Widerspruch der betroffenen Person gem. Art. 21 DS-GVO, der zu einer Einschränkung der Verarbeitung von Registerdaten führen könnte, wird deshalb durch § 79a III BGB auf der Grundlage des Art. 23 I Buchst. e DS-GVO ausgeschlossen. Auch insoweit bleibt es bei den registerrechtlichen Vorschriften über die Löschung und Berichtigung (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl. auch BeckOK BGB/Schöpflin, 65. Ed., Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 5). Ein Recht der betroffenen Person auf Löschung von Daten, die im Vereinsregister oder in den Registerakten gespeichert sind, kann nach Art. 17 I DS-GVO gegenüber dem registerführenden Gericht nicht geltend gemacht werden, da die Daten im Register und den Registerakten zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse gespeichert werden, so dass nach Art. 17 III Buchst. b DS-GVO ein Recht auf Löschung nicht besteht (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl. auch BeckOK BGB/Schöpflin, § 79a Rn. 7). Eine Beschränkung des Rechts der betroffenen Person auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 I DS-GVO ist nicht erforderlich. Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Vereinsregister oder den Registerakten ist, auch wenn das Recht geltend gemacht wird, nach Art. 18 II DS-GVO weiterhin uneingeschränkt möglich. Das Führen des Vereinsregisters ist ein wichtiges öffentliches Interesse (vgl. auch Erwägungsgrund 73 der DS-GVO), so dass die Datenverarbeitung nicht eingeschränkt werden muss (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl. auch BeckOK BGB/Schöpflin, § 79a Rn. 8).
Hinsichtlich des Arguments, dass die Daten nicht mehr erforderlich seien, weil der frühere Vereinsvorstandsvorsitzende schon im Jahr 2004 aus dem Amt ausgeschieden sei, erinnert das Gericht daran, dass es gerade Folge der uneingeschränkten Publizitätswirkung des Vereinsregisters ist, dass auch überholte Eintragungen aus dem Register ersichtlich sind, dieser Umstand vielmehr durch „Rötung“ gekennzeichnet wird. Hierfür spricht, dass aus dem Register nicht nur die jeweils aktuelle Situation, z.B. bezüglich der Vertretungsbefugnisse, ersichtlich sein muss, sondern auch die früher bestehenden Vertretungsbefugnisse.
Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht, dass die DSGVO nicht zu einer grundsätzlichen Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Vereinsregister oder Registern anderer Art führt. Vielmehr lässt die Verordnung Raum für nationale Regelungen, die die Veröffentlichung und Speicherung persönlicher Daten in öffentlichen Registern zum Schutz des Rechtsverkehrs und des öffentlichen Glaubens zum Gegenstand haben. Dementsprechend müssen Vereinsvorstände auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstand damit rechnen, dass sensible Daten wie Namen und Geburtsdaten weiterhin im Vereinsregister eingetragen und abrufbar bleiben, unabhängig davon, dass die Amtszeit des früheren Vorstandsvorsitzenden im vorliegenden Fall im Jahr 2004 endete. Ein Widerspruchsrecht gegen derartige Eintragungen im Vereinsregister wird ihnen dabei nicht eingeräumt (Santa/Schiller, GWR 2024, 77). Festzuhalten bleibt insofern, dass die Registerpublizität und der damit zusammenhängende Schutz des Rechtsverkehrs jeweils hohe öffentliche Güter sind, welche vor datenschutzrechtlichen Angriffen zu schützen sind (Preis/Wentz, EWiR 2024, 75-76.). Wie lange das dadurch begründete allgemeine öffentliche Interesse an der Abrufbarkeit personenbezogener Daten jedoch tatsächlich besteht und ab welchem Zeitpunkt die Grundrechte des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden dieses überwiegen ist jedoch weiterhin unklar. Leuering und Rubner schlagen dessen bzgl. vor, das Einsichtsrecht wie bei § 12 I GBO auf diejenigen zu beschränken, die ein berechtigtes Interesse aufweisen (Leuering/Rubner NJW-Spezial 2023, 752). Eine Stellungnahme des BGH im anhängigen Verfahren II ZB 7/23 bleibt jedoch abzuwarten (Preis/Wentz, EWiR 2024, 75-76).