30.09.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
23.01.2024
II ZB 7/23 (parallel dazu: II ZB 8/23)
GRUR-RS 2024, 5836
Kein Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten aus dem Handelsregister [ PDF ]
Der Antragsteller ist Geschäftsführer einer Verwaltungs-GmbH und als solcher seit 2012 im Handelsregister unter Nennung seines Geburtsdatums und seines Wohnortes eingetragen.
Die berufliche Tätigkeit des Antragstellers besteht im Umgang mit Sprengstoffen. Aufgrund dessen hat der Antragsteller die Sorge, er könne Opfer eines Raubes oder einer Entführung werden, mit dem Ziel an die Gefahrenstoffe zu gelangen. Deshalb beantragt der Antragsteller beim AG - Registergericht - die Entfernung seines Geburtsdatums, sowie seines Wohnortes aus dem Handelsregister. Eine entsprechende Sperre hatte der Antragsteller bereits hinsichtlich des Melderegisters vorgenommen.
Das AG - Registergericht - hat den Antrag zurückgewiesen. Der Beschwerde des Antragstellers wurde nicht abgeholfen. Auch der Hilfsantrag, mit dem der Antragsteller eine Herausgabe der Daten nur nach Interessenabwägung erreichen wollte, war nicht erfolgreich. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine Anträge weiter.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet und daher erfolglos.
Es ergibt sich weder aus der DSGVO, noch aus nationalem Recht eine Anspruchsgrundlage für die Entfernung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers aus dessen Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister.
Ein Anspruch auf Entfernung der Daten aus Art. 17 Abs. 1, 2 DSGVO ist gem. Art. 17 Abs. 3 lit. b) Fall 1 DSGVO ausgeschlossen. Zwar ist das Begehren der vollständigen Entfernung der Daten grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1, 2 DSGVO umfasst. Eintragung, Speicherung und Offenlegung von Geburtsdatum und Wohnort stellen jedoch die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne von Art. 17 Abs. 3 lit. b) Fall 1 DSGVO dar. Diese ergibt sich aus der Pflicht zur Anmeldung der GmbH gem. § 7 Abs. 1 GmbHG, welcher nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GmbHG die Legitimation der Geschäftsführer beizufügen ist. Auch eine Änderung der Geschäftsführer ist anzumelden, § 39 Abs. 1 GmbHG. Dabei ist gem. § 24 Abs. 1 HRV (auch) das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben. Die Pflicht zur Anmeldung unter Nennung des Wohnortes ist hingegen nicht ausdrücklich normiert, jedoch gewohnheitsrechtlich begründet. Das Gewohnheitsrecht steht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht.
Die Eintragung hat gemäß § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB durch dauerhafte inhaltlich unveränderte Speicherung im elektronisch zu führenden Handelsregister zu erfolgen (siehe auch § 387 Abs. 2 FamFG, § 47 Abs. 1 S. 1 HRV). Eine Entfernung von vorhandenen Eintragungen durch technische Eingriffe oder sonstige Maßnahmen ist dem Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG, § 12 Satz 2 HRV untersagt. Auch die Löschung einer Eintragung gem. §§ 393 ff. FamFG erfolgt nicht durch Entfernung der Eintragung, sondern ihrerseits als eigene Eintragung, um den Vorgang der Löschung als solchen im Register für Dritte nachvollziehbar zu machen.
Somit ist die infragestehende Datenverarbeitung zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen tatsächlich erforderlich. Die rechtlichen Verpflichtungen verfolgen zudem ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 3 S. 2, 4 DSGVO. Insbesondere sollen Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs gewährleistet werden. Die zuvor genannten Vorschriften enthalten zudem klare und präzise Regelungen im Hinblick auf die Datenverarbeitung und tragen den EU-Grundrechten (insb. Art. 7 und Art. 8 GRCh) in verhältnismäßiger Weise Rechnung.
Es ist zudem nicht ersichtlich, dass der unbeschränkte Zugang zu Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers zu einer relevanten Erhöhung einer berufsbedingt generell bestehenden Gefahrenlage führen würde. Dass die unbeschränkte Einsehbarkeit von Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister im Internet bisher in erheblicher Weise ausgenutzt wird und sich so risikoerhöhend auswirkt, sei weder allgemein noch konkret hinsichtlich der Person des Antragstellers festgestellt. Offengelassen wird jedoch, ob bei tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Gefahr für Leib und Leben, ausnahmsweise spezielle Identifikationsmerkmale die erforderlichen Daten ersetzen können.
Im Übrigen ist auch der mit der Datenverarbeitung einhergehende Grundrechtseingriff (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) aus den oben genannten Gründen gerechtfertigt.
Auch ergibt sich kein Anspruch des Antragstellers aus nationalem Recht. Ungeachtet der Frage, ob und inwiefern Ansprüche aus nationalem Recht ggf. von der DSGVO gesperrt werden, liegen die Voraussetzungen der infrage kommenden Anspruchsgrundlagen (§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog § 823 Abs. 1 BGB, § 839 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG gerichtet auf Folgenbeseitigung/Unterlassung) nicht vor. Die Datenverarbeitung wie ausgeführt nicht rechtswidrig.
Zudem wurde der Hilfsanspruch durch das Beschwerdegericht zurecht verneint. Ein Recht des Anspruchstellers auf Einschränkung der Verarbeitung gem. Art. 18 Abs. 1, 2, Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO besteht nicht. So sind die Daten weder in ihrer Richtigkeit bestritten, noch unrechtmäßig verarbeitet oder nicht mehr benötigt (vgl. Art 18 Abs. 1 lit. a) - c) DSGVO. Ein Widerspruchsrecht im Sinne von Art. 18 Abs. 1 lit. d) i.V.m. Art. 21 Abs. 1 S. 1 DSGVO besteht außerdem nicht, da die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erfolgt, Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Dass außerdem die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e) vorliegen, ist im Ergebnis nicht beachtlich und vermag kein Widerspruchsrecht gem. Art. 21 Abs. 1 S. 1 DSGVO zu begründen. Ein Widerrufsrecht soll nach teleologischer Auslegung des Art. 21 Abs. 1 S. 1 DSGVO nur in den Fällen vorliegen, in denen die Datenverarbeitung ausschließlich wegen Art. 6 Abs. 1 lit. e) oder f) DSGVO zulässig ist.
Eine Anspruchsgrundlage für die Löschung von nach dem Gesetz oder aufgrund Gewohnheitsrechtes erforderlichen persönlichen Daten aus dem Handelsregister besteht grundsätzlich weder im Unions-, noch im nationalen Recht. Ob sich mitunter (wie von Teilen der Literatur vertreten) eine andere Bewertung ergeben kann, wenn für den Antragsteller eine tatsächliche Gefahr für Leib oder Leben besteht, hat der BGH offengelassen.