15.05.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Bamberg
06.11.2024
10 Wx 20/24
ZIP 2024, 2934
Am 19. September 2023 wurde eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) aus dem Handelsregister gelöscht. Die Antragstellerin beantragte daraufhin die Einsicht in die Bücher und Schriften des Liquidators und Verwahrers der GmbH, unter Vorlage eines Auftrags aus dem Jahr 2021 sowie einer entsprechenden Rechnung aus dem Jahr 2022.
Im erstinstanzlichen Verfahren gab der Antragsgegner an, dass zwar Unterlagen über eine Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin vorlägen, jedoch aus diesen nicht die behauptete, jedoch unerfüllte Forderung abgeleitet werden könne. Das Erstgericht entschied mit Beschluss vom 2. Mai 2024, dem Antrag stattzugeben, da die Antragstellerin ein ausreichendes berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme dargelegt habe.
Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner Beschwerde ein und wiederholte sein erstinstanzliches Vorbringen.
Am 13. August 2024 erließ der Senat einen Hinweisbeschluss, der dem Antragsgegner am 20. August 2024 zugestellt wurde. Darin wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerde aufgrund mangelnder Beschwer unzulässig und zudem unbegründet sein dürfte.
Am 19. September 2024 teilte der Antragsgegner mit, dass Vergleichsverhandlungen mit der Antragstellerin geführt würden und beantragte daher das Ruhen des Verfahrens. Auf die Möglichkeit zur Stellungnahme reagierte die Antragstellerin jedoch nicht.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist bereits unzulässig und wäre überdies auch unbegründet, somit blieb sie ohne Erfolg.
Zulässigkeit
Die Beschwerde ist statthaft (§§ 402 I, 375 Nr. 6 i.V.m. §§ 58 ff. FamFG), erreicht jedoch nicht die erforderliche Beschwer (§ 61 I FamFG).
Der Beschwerdewert bemisst sich nicht nach dem Interesse der Antragstellerin an der Einsichtnahme, sondern nach dem Abwehrinteresse des Antragsgegners (vgl. BGH 17.9.2024 – II ZR 223/22, BeckRS 2024, 27022 Rn. 23; NJW-RR 1991, 956). Dies entspricht der Vorgehensweise bei der Abwehr eines Auskunftsanspruchs (vgl. BGH 9.10.1989 – II ZB 4/89, BeckRS 1989, 31066343). Mangels weiterer relevanter Anhaltspunkte und trotz allgemeiner Preissteigerungen ist der Beschwerdewert gemäß der Aufbewahrungspflicht nach § 74 II GmbHG folglich auf maximal 150 EUR festzulegen (vgl. OLG Celle NZG 2018, 265 mwN).
Weder hat der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 19. September 2024 keine abweichenden Ausführungen gemacht, noch ist eine Zulassung der Beschwerde durch das Erstgericht gemäß § 61 III 1 FamFG erfolgte. Somit ist die Beschwerde unzulässig.
Begründetheit
Die Antragstellerin hat ihr Interesse an der Einsichtnahme in die Unterlagen der liquidierten Gesellschaft hinreichend glaubhaft gemacht (§ 74 III 2 GmbHG). Weitere Anforderungen sind nach dem Zweck der Vorschrift nicht erforderlich (vgl. OLG Zweibrücken 13.11.1997 – 3 W 204/97, BeckRS 1997, 16262; vgl. Altmeppen/Altmeppen GmbHG, 11. Aufl. 2023, GmbHG § 74 Rn. 17; Bartl/Bartl/Beine/Koch/Schlarb/Schmitt/Koch GmbH-Recht, 8. Aufl. 2019, GmbHG § 74 Rn. 9; Henssler/Strohn/Büteröwe Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2024, GmbHG § 74 Rn. 20; Rowedder/Pentz/Gesell GmbHG, 7. Aufl. 2022, GmbHG § 74 Rn. 10, mwN; Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 74 Rn. 14; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG, 21. Aufl. 2023, GmbHG § 74 Rn. 16; Saenger/Inhester/Kolmann/Riedemann GmbHG, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 74 Rn. 30, mwN; BeckOK-GmbHG/Ziemons/Jaeger/Pöschke/Lorscheider, 60. Ed., GmbHG § 74 Rn. 14 f.; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Müller GmbHG, 4. Aufl. 2023, GmbHG § 74 Rn. 25; MüKoGmbHG/Müller, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 74 Rn. 24; Passarge/Torwegge/Passarge Die GmbH in der Liquidation, 3. Aufl. 2020, Rn. 749; BeckOK GmbHG/Henssler/Taube, GmbHG § 74 Rn. 108; Wicke/Wicke GmbHG, 5. Aufl. 2024, GmbHG § 74 Rn. 5).
Eine Titulierung der Forderung ist nicht notwendig (vgl. Eller, Liquidation der GmbH, 4. Aufl. 2021).
Der Antragsgegner bestreitet nicht, dass es eine Geschäftsbeziehung zwischen der liquidierten Gesellschaft und der Antragstellerin gab. Ob noch offene Forderungen bestehen und ob diese bei der Liquidation berücksichtigt wurden, kann jedoch nicht Gegenstand des Einsichtsverfahrens sein.
Das bloße Vorbringen einer nicht existierenden oder erloschenen Forderung ist für die Interessenabwägung nicht relevant. Es gibt keinen Persönlichkeitsschutz des Antragsgegners, wenn er eine nicht mehr bestehende Forderung geltend macht (vgl. Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 74 Rn. 14). Auch eine teilweise Befriedigung der Gläubiger oder eine unterbliebene Meldung zum Liquidationsverfahren hindern das Einsichtsrecht nicht.
Ein zusätzlicher Nachweis über die ordnungsgemäße Verfolgung der Ansprüche der Gesellschaft ist nicht erforderlich und kann ggf. erst nach Einsichtnahme erfolgen. Auch eine inhaltliche Einschränkung der Einsichtnahme kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BayObLG NZG 2003, 439; OLG Celle NZG 2018, 265). Somit ist die Beschwerde unbegründet.
Die Entscheidung des OLG Bamberg verdeutlicht, dass der vermögensrechtliche Wert des Abwehrinteresses eines Liquidators bei Einsichtsverlangen eines Gläubigers einer gelöschten GmbH gering ist. Es genügt zudem, dass der Antragsteller seine Gläubigerstellung glaubhaft macht – ein weitergehender Nachweis ist nicht erforderlich.