16.04.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
11.11.2024
AnwZ (Brfg) 36/23
NZG 2025, 284 = NZA 2025, 190
Keine Syndikusanwaltszulassung für GmbH-Geschäftsführer [ PDF ]
Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt kommt nicht in Betracht, wenn mit dem Antragsteller ein Geschäftsführerdienstverhältnis vereinbart ist, denn dies ist kein Arbeitsverhältnis iSv § 46 II, III BRAO. Der Gesetzgeber hat die Syndikuszulassung durch die in dieser Vorschrift normierte Zulassungsvoraussetzung eines Arbeitsverhältnisses bewusst auf Arbeitnehmer beschränkt. Eine Syndikuszulassung von GmbH-Geschäftsführern, die im Rahmen eines Geschäftsführerdienstverhältnisses und damit nicht als Arbeitnehmer tätig sind, ermöglicht diese Vorschrift dementsprechend nicht. - Leitsatz der Redaktion, NZG 2025, 284
Die Beigelade, welche seit 1994 zugelassene Rechtsanwältin war, wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung am 01.12.2020 zur alleinigen Geschäftsführerin der D-GmbH bestellt. Das zugrundeliegende Vertragsverhältnis, welches als „GmbH-Geschäftsführer-Vertrag“ bezeichnet wurde, wurde am 03.12.2020 abgeschlossen. Anschließend beantragt die Beigeladene am 05.01.2021 die Zulassung dieser Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin, woraufhin sie am 24.08.2021 den Zulassungsbescheid erhielt. Gegen diesen Bescheid wurde Klage erhoben, um ihn aufzuheben. Die Vorinstanz (AGH Hessen v. 06.02.2023 – 2 AGH 9/21) wies diese Klage zrück, da die Zulassungsvoraussetzungen gem. §§ 46a, 46 II bis V BRAO erfüllt seien. Begründet wurde dies damit, dass die Tätigkeit als Geschäftsführerin nicht den Schutzzweck der §§ 46 ff. BRAO berührt und damit als Arbeitsverhältnis gem. § 46 II BRAO angesehen werden kann. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein, da der Geschäftsführervertrag kein Arbeitsverhältnis gem. § 46 II BRAO sei. Begründet wurde dies mit Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 II BRAO sowie der haftungsrechtlichen Situation eines Geschäftsführers.
Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg, da die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin nicht vorliegen. § 46 II BRAO setzt unter anderem voraus, dass der Antragsteller im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber tätig ist, was jedoch bei dem Vertragsverhältnis als Geschäftsführerin nach ständiger Rechtsprechung nicht der Fall ist. Der „GmbH-Geschäftsführer-Vertrag“ ist kein Arbeitsverhältnis gem. § 611a BGB, sondern ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichtetes freies Dienstverhältnis. Ein derartiges Geschäftsführerdienstverhältnis stellt kein Arbeitsverhältnis gem. § 46 II BRAO dar, da der Gesetzgeber die Zulassungsvoraussetzungen bewusst auf Arbeitnehmer beschränkt hat.
Aus dem Wortlaut des § 46 II BRAO lässt sich die Einbeziehung derartiger Vertragsverhältnis nicht schließen. Eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt liegt nach dem Wortlaut des § 46 II BRAO nicht bei jeder nichtselbstständigen anwaltlichen Tätigkeit von Unternehmensjuristen für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber vor, sondern nur dann, wenn diese im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind. „Arbeitgeber“ und „Arbeitsverhältnis“ sind derart definiert, dass nach ständiger Rechtsprechung ein freies Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers nicht davon umfasst ist. Ein davon abweichendes Begriffsverständnis in § 46 II BRAO ist nicht ersichtlich.
Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 46 II BRAO deutet nichts auf ein anderes Auslegungsergebnis hin. Aus den Gesetzesmaterialen zum Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der FGO vom 21.12.2015 (BGBl. 2015 I 2517) lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst die damalige Definition des BAG zum Arbeitsverhältnis zu Grunde gelegt hat. So enthielt der Fraktionsentwurf noch den Begriff „Anstellungsverhältnis“, welcher im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mit „Arbeitsverhältnis“ ersetzt wurde. Außerdem spricht die Gesetzesbegründung von Weisungsbefugnissen des Arbeitgebers, die hinter der Weisungsfreiheit in anwaltlichen Angelegenheiten zurückstehen muss, von der Arbeitnehmereigenschaft des Syndikusanwalts und dessen Eingliederung in die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation. Zudem wurde die ursprünglich vorgesehene Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit der Begründung gestrichen, dass sich die Haftung nach den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Arbeitsrechts richte. Da damit die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auch für Syndizi gelten, besteht kein Bedarf einer Berufshaftpflichtversicherung gegenüber dem eigenen Arbeitgeber. Es ist damit deutlich, dass der Gesetzgeber ausschließliche eine Zulassung solcher Syndikusanwälten wollte, für die die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung gelten. Ebenso lässt der Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des genannten Gesetzes vom 22.10.2020 (BT-Drs. 19/23821) keine anderweitigen Rückschlüsse zu. Darin wird auf die von der Anwaltschaft vertretene Gegenauffassung hingewiesen, diese jedoch zurückgewiesen und ein gesetzgeberisches Handlungsbedürfnis verneint.
Indem der Gesetzgeber die Zulassung bewusst auf Arbeitnehmer beschränkt hat, lässt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Norm nicht ableiten, dass das Dienstverhältnis eines Geschäftsführers unter § 46 II BRAO subsumiert werden kann. Zwar sollte mit der Neuregelung der §§ 46 ff. BRAO eine statusrechtliche Anerkennung der Tätigkeit als Syndikusanwalt in einem Unternehmen erfolgen, jedoch unter gewissen Einschränkungen. Insbesondere sollte weiterhin die Möglichkeit bestehen, dass Syndikusrechtsanwälte von der Rentenversicherungspflicht befreit werden und in dem anwaltlichen Versorgungswerk verbleiben können. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesreform eine Zulassung jeglicher sozialversicherungsrechtlichen anwaltlichen Tätigkeit und damit auch derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers ermöglichen wollten.
Der arbeitsrechtliche Begriff „Arbeitsverhältnis“ und der sozialversicherungsrechtliche Begriff der „Beschäftigung“ ist nicht deckungsgleich. Für Geschäftsführer einer GmbH ergibt sich eine unterschiedliche Einordnung deren Vertragsverhältnis im Bereich des Zivil-/Arbeitsrechts einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits. Der Umstand, dass ein Vertragsverhältnis nach dem Sozialversicherungsrecht als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung, nach den für §§ 46 ff. BRAO maßgeblichen arbeitsrechtlichen Kriterien dagegen als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist und somit trotz sozialrechtlich bestehender Rentenversicherungspflicht eine Syndikuszulassung ausscheidet, ist indes von dem Gesetzgeber in Kauf genommen worden und kann somit nicht als Argument herangezogen werden, um den vom Gesetzgeber in §§ 46 ff. BRAO bewusst gewählten Begriff des Arbeitsverhältnisses – abweichend von dessen arbeitsrechtlichem Inhalt – zu interpretieren. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Zulassung an das arbeitsrechtliche Kriterium anzuknüpfen und nicht an die sozialversicherungsrechtliche Einordnung.
Ebenso wenig kann der Geschäftsführervertrag als Arbeitsverhältnis in analoger Anwendung des § 46 II BRAO angesehen werden. Es lässt sich weder ein unbeabsichtigtes Abweichen des Gesetzgebers von seinem Regelungsplan positiv feststellen, noch ist die konkrete Interessenlage mit derjenigen vergleichbar, für die eine Zulassung nach der gesetzlichen Regelung zu bejahen wäre. Nach dem Konzept des Gesetzgebers sollte nicht jedem anwaltlich tätigen Unternehmensjurist eine Zulassung als Syndikusanwalt ermöglicht werden, sondern nur denjenigen, deren anwaltliche Unabhängigkeit durch die Geltung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gesichert ist. Da die Beigeladene als Geschäftsführerin gem. § 43 II GmbHG weitergehend für jede Fahrlässigkeit haftet, besteht hier keine vergleichbare Interessenslage, sondern grundverschiedene Gestaltungen für die eine Wertungsgleichheit abzulehnen ist.
Auch liegen keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 46 II BRAO vor. Zwar liegt ein Eingriff in die Berufsfreiheit, Art. 12 I GG der Beigeladenen vor, jedoch ist dieser unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt. Überdies konnten die weiteren Fragen offenbleiben, ob die weiteren Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Insbesondere stünde in Frage, ob das vorliegende Vertragsverhältnis durch anwaltliche Tätigkeit geprägt ist oder ob eine Erteilung von Rechtsrat gem. § 46 III Nr. 2 BRAO möglich ist, wenn der Syndikusanwalt zugleich Alleingeschäftsführer ist.
Die Zulassung als Syndikusanwalt setzt einen „klassischen“ Arbeitsvertrag gem. § 611a BGB voraus. Bereits geschlossene Verträge sollten im Hinblick auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen geprüft werden, da eine gegenläufige gesetzgeberische Tätigkeit nicht ersichtlich und auch nicht zu erwarten ist. Eine befürchtete Rücknahme einer Syndikuszulassung unterliegt den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG, welche wohl nicht erfüllt sein dürften. Anderenfalls müsste der daraus folgende Vermögensnachteil gem. § 48 III VwVfG ausgeglichen werden.