OLG Zweibrücken 8 W 13/24
Keine teilweise Testamentseröffnung bei fehlender Trennbarkeit der Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament

10.09.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Zweibrücken
16.05.2024
8 W 13/24
ErbR 2025, 480

Leitsatz | OLG Zweibrücken 8 W 13/24

Nach § 349 Abs. 1 FamG sind bei der Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments Verfügungen des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners den sonstigen Beteiligten nicht bekannt zu geben sind, soweit sie sich von den Verfügungen des Erstverstorbenen „trennen“ lassen. Trennbarkeit von Verfügungen ist nicht gegeben, wenn diese sprachlich in Mehrheitsform („Wir-Form“) abgefasst sind oder von den Ehegatten die Verfügungen mit „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet worden sind. Dem stehen weder ein Geheimhaltungsinteresse des Erblassers noch ein solches des überlebenden (Mit-)Testators entgegen.

Sachverhalt | OLG Zweibrücken 8 W 13/24

Die 2013 verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 1) verheiratet. Am 23.10.2019 errichteten die Eheleute vor einer Notarin ein gemeinschaftliches Testament, das anschließend in amtliche Verwahrung gegeben wurde. Nach dem Tod der Erblasserin reichte der Beteiligte zu 1) den Hinterlegungsschein sowie die Sterbeurkunde beim Nachlassgericht ein und beantragte, das Testament nur teilweise – nämlich ohne die Ziffer 3 – zu eröffnen und den weiteren Beteiligten bekannt zu geben. Für den Fall, dass das Nachlassgericht eine vollständige Eröffnung beabsichtige, bat er um eine beschwerdefähige Entscheidung.

Mit Beschluss vom 10.01.2024 kündigte das Nachlassgericht an, das notarielle gemeinschaftliche Testament vollständig zu eröffnen und allen Beteiligten mitzuteilen. Zur Begründung führte es aus, § 349 Abs. 1 FamFG sehe zwar vor, dass bei gemeinschaftlichen Testamenten trennbare Verfügungen des Überlebenden nicht bekannt zu geben seien, im vorliegenden Fall handele es sich bei Ziffer 3 jedoch um eine gemeinschaftliche, nicht trennbare Verfügung.

Hiergegen legte der Beteiligte zu 1) Beschwerde ein. Er vertritt die Auffassung, die Frage, ob eine Verfügung trennbar sei, sei nicht allein nach sprachlichen, sondern auch nach inhaltlichen Kriterien zu beurteilen. Entfalte eine Verfügung ihre Rechtswirkungen erst nach dem Tod des überlebenden Ehegatten, sei sie im ersten Erbfall nicht relevant und daher nicht zu eröffnen. Dies gelte insbesondere dann, wenn der überlebende Ehegatte nach dem Testament befugt sei, diese Bestimmungen noch zu ändern. Zudem bestehe ein schutzwürdiges Interesse des Überlebenden daran, dass erst nach seinem Tod wirksam werdende Anordnungen nicht vorzeitig bekannt würden.

Entscheidung | OLG Zweibrücken 8 W 13/24

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet und hatte somit keinen Erfolg.

Gemäß § 248 Abs. 1 FamFG hat das Nachlassgericht ein in seiner Verwahrung befindliches Testament zu eröffnen, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt. Die Eröffnung bezieht sich dabei grundsätzlich auf das gesamte Testament, ohne dass in diesem Zusammenhang die Wirksamkeit der einzelnen Verfügungen zu prüfen wäre.
Für gemeinschaftliche Testamente sieht § 349 Abs. 1 FamFG jedoch eine Ausnahme vor: Im Geheimhaltungsinteresse des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners dürfen dessen Verfügungen den übrigen Beteiligten nicht bekannt gegeben werden, soweit sie sich von den Verfügungen des Erstverstorbenen trennen lassen. Der Begriff „trennen“ entspricht dabei dem früheren „sondern“ in § 2273 BGB a. F. und wurde nur redaktionell angepasst.

Das Nachlassgericht hat zu Recht festgestellt, dass die unter Ziffer 3 des gemeinschaftlichen notariellen Testaments enthaltenen Verfügungen nicht trennbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an einer Trennbarkeit insbesondere dann, wenn die Regelungen in der „Wir-Form“ formuliert sind oder mit Formulierungen wie „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet werden. Solche Bestimmungen sind gemeinschaftliche Verfügungen beider Ehegatten und nicht allein dem Überlebenden zuzurechnen. Dass eine vom Erstversterbenden für den Fall seines Längerlebens getroffene Verfügung durch seinen früheren Tod gegenstandslos geworden sein mag, ändert daran nichts, da die Wirksamkeit bei der Testamentseröffnung nicht zu prüfen ist.

Ein Geheimhaltungsinteresse des Erblassers oder des überlebenden Testators steht der vollständigen Eröffnung ebenfalls nicht entgegen. Ehegatten hätten es in der Hand, durch klare sprachliche Trennung – insbesondere bei notariellen Testamenten – ihre jeweiligen Verfügungen so zu gestalten, dass eine Teilbekanntgabe möglich wäre.
Auch das Recht des überlebenden Ehegatten, die unter Ziffer 3 getroffenen Bestimmungen zu ändern, hindert die Eröffnung und Bekanntgabe nicht. Diese Änderungsbefugnis bleibt unberührt, und die Bekanntgabe setzt für die weiteren Beteiligten keine Fristen für Ausschlagung oder Anfechtung hinsichtlich der Verfügungen des Überlebenden nach dem zweiten Erbfall in Lauf.

Somit hatte das Nachlassgericht zutreffend entschieden, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute bereits jetzt, nach dem Tod der Erblasserin, vollständig zu eröffnen und den weiteren Beteiligten gegenüber vollständig bekannt zu geben ist.

Praxishinweis | OLG Zweibrücken 8 W 13/24

Nach § 349 Abs. 1 FamFG sind Verfügungen des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners bei der Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments nur dann nicht bekannt zu geben, wenn sie sich von den Anordnungen des Erstverstorbenen trennen lassen. Eine solche Trennbarkeit ist ausgeschlossen, wenn die Verfügung in der Mehrheitsform („Wir-Form“) abgefasst ist oder mit Formulierungen wie „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet wird, da in diesen Fällen nicht nur der Überlebende, sondern auch der Erstverstorbene die Verfügung getroffen hat. Dass eine vom Erstverstorbenen für den Fall seines Längerlebens getroffene Anordnung durch seinen vorzeitigen Tod gegenstandslos geworden ist, ändert daran nichts, weil bei der Testamentseröffnung die Wirksamkeit der Verfügungen nicht zu prüfen ist. Weder ein Geheimhaltungsinteresse des Erblassers noch des überlebenden (Mit-)Testators steht der Bekanntgabe in diesem Rahmen entgegen. Ehegatten haben es vielmehr durch andere sprachliche Gestaltung in der Hand, ihre jeweiligen Verfügungen in trennbarer Weise vorzunehmen. Dies gilt insbesondere bei notariellen Testamenten.