21.11.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
06.08.2025
VIII ZR 161/24
NZM 2025, 758
Die Beklagten bewohnen seit dem Jahr 2004 eine Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus in München. Ende 2011 bzw. Anfang 2012 erwarb die L-GmbH & Co. KG (als Ersterwerberin) das gesamte Anwesen. Durch notarielle Erklärung vom 20. Juni 2012 ließ sie das Grundstück nach § 8 WEG in Wohnungseigentum aufteilen; die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 4. April 2013. Mit notariellem Vertrag vom 23. Februar 2016 veräußerte die Gesellschaft die von den Beklagten gemietete Wohnung an die Kläger, die am 8. März 2017 als Eigentümer im Wohnungsgrundbuch eingetragen wurden. Mit Schreiben vom 2. September 2022 kündigten die Kläger sodann (ordentlich) das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. März 2023. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger Räumung und Herausgabe der Wohnung. Die Beklagten beriefen sich demgegenüber darauf, dass die nach § 577a Abs. 1 und 2 BGB geltende Kündigungssperrfrist zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht berücksichtigt worden sei. Während das Amtsgericht München der Klage noch stattgab, wies das Landgericht München I die Klage ab. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Kläger blieb ohne Erfolg.
Nach Ansicht des BGH hatte das Landgericht einen Räumungs- und Herausgabeanspruch der Kläger zu Recht verneint, da das Mietverhältnis nicht durch Eigenbedarfskündigung vom 2. September 2022 beendet worden sei. Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB habe ihnen im Kündigungszeitpunkt wegen der einschlägigen Kündigungssperre nicht zugestanden. Maßgeblich sei § 577a Abs. 1 BGB und – für München – die aufgrund von § 577a Abs. 2 BGB wirksam auf zehn Jahre verlängerte Kündigungssperrfrist der Bayerischen Mieterschutzverordnung. Diese sei bei Zugang der Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen.
Hierzu führte der BGH aus, dass der in Rede stehende Erwerb des ungeteilten Hausgrundstücks durch die L-GmbH & Co. KG, mithin eine Personenhandelsgesellschaft, nicht dem Tatbestand des § 577a Abs. 1a BGB unterfiele und deshalb auch die Vorschrift des § 577a Abs. 2a BGB über die zeitliche Vorverlagerung des Fristbeginns nicht einschlägig sei, sodass es bei der durch § 577a Abs. 1 BGB angeordneten grundsätzlichen Anknüpfung der Kündigungssperrfrist an den Zeitpunkt der (erstmaligen) Veräußerung der zuvor in Wohnungseigentum umgewandelten Mietwohnung verbleibe. § 577a Abs. 1 BGB gewähre einen zeitlich befristeten Kündigungsschutz im typischen Umwandlungsszenario „Begründung von Wohnungseigentum“ an den vermieteten Wohnräumen und anschließender „Erstveräußerung“. Weder der bloße Vermieterwechsel noch die bloße Begründung von Wohnungseigentum lösten deshalb die Sperrfrist aus; erforderlich sei (zusätzlich) die erste Veräußerung der umgewandelten Einheit. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 577a Abs. 1 BGB und werde gestützt von dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Regelungswillen des Gesetzgebers, den Mieter vor dem erhöhten Kündigungsrisiko zu schützen, das mit einem Erwerb umgewandelter Eigentumswohnungen insbesondere zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs verbunden sei. Die seit 2013 eingefügten Sondertatbestände (§ 577a Abs. 1a, 2a BGB) erweiterten diesen Schutz, allerdings nur für besondere Konstellationen: Wird vermieteter Wohnraum bzw. ein noch nicht aufgeteiltes Hausgrundstück an eine Personengesellschaft oder Erwerbermehrheit veräußert oder zugunsten dieser belastet, beginnt die Sperrfrist hier bereits mit diesem Zeitpunkt der Veräußerung oder Belastung, wobei dies auch gelte, wenn im Anschluss dennoch eine Umwandlung des ungeteilten Hausgrundstücks in Wohnungseigentum erfolge. § 577a Abs. 2a sei insofern eine gegenüber Abs. 1 vorrangige Sonderregel zum Fristbeginn – allerdings ausschließlich für die von Abs. 1a erfassten Fälle.
Nach Auffassung des Senats sind hiervon allerdings trotz des weiten Wortlauts lediglich die (Außen-)GbR und Miteigentümergemeinschaften erfasst, nicht aber Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG (einschließlich der hier in Rede stehenden GmbH & Co. KG). Hintergrund sei neben den Gesetzesmaterialien, die hinsichtlich des Anwendungsbereichs lediglich (und allein) die (Außen-) GbR und die Miteigentümergemeinschaft in Bezug nähmen, der Schutzzweck des § 577a Abs. 1a BGB, der maßgeblich darin bestünde, die in der Praxis aufgetretene (faktische) Umgehung des durch § 577a Abs. 1 BGB bezweckten Kündigungsschutzes insb. nach dem sog. „Münchener Modell“ zu unterbinden, wobei diese Umgehung in der frühzeitigen Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung zugunsten eines Mitglieds der erwerbenden Personenmehrheit auch vor Begründung und Weiterveräußerung von Wohnungseigentum bestehe. Nach Auffassung des Senats trägt diese Erwägung allerdings allein bei der (Außen-) GbR oder Miteigentümergemeinschaft. Lediglich bei diesen Personenmehrheiten sei nämlich eine solche Eigenbedarfskündigung (hier) zugunsten eines Gesellschafters oder eines Miteigentümers möglich und somit lediglich hier ein dem mit von § 577a Abs. 1 BGB geregelten Fall vergleichbares und insgesamt erhöhtes Verdrängungsrisiko für den einzelnen Mieter durch Kündigung wegen Eigenbedarfs zu befürchten. Ein solches Verdrängungsrisiko sei bei Personenhandelsgesellschaften nicht gegeben. Die Kündigung des Mietverhältnisses durch eine solche Gesellschaft wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters sei nach der Rechtsprechung des Senats generell ausgeschlossen. Es sei damit kein tragfähiger Grund für die Vorverlegung der Sperrfrist auf den Erwerb durch die Gesellschaft ersichtlich.
Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die Kläger als spätere Erwerber des Wohnungseigentums Gesellschafter der Ersterwerberin (gewesen) seien; § 577a Abs. 1a und 2a verlangten dies weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrer Systematik oder dem hierdurch bezweckten (zeitlich begrenzten) Mieterschutz. Im Ergebnis scheidet die Anwendung der Absätze 1a und 2a hier aus Sicht des BGH aber bereits deshalb aus, weil der Ersterwerb 2012 durch eine GmbH & Co. KG und mithin eine Personenhandelsgesellschaft erfolgte.
Schließlich betonte der Senat, dass die Einbeziehung der Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) in die erweiterte Sperrfrist nach § 577a Abs. 1a uns 2a BGB historisch lediglich den Schutz vor Umgehungen ergänzen soll und nicht den Kreis der in § 577a Abs. 1a genannten Erwerber erweitert, auch wenn die Verwertungskündigung anders als die Eigenbedarfskündigung nach allgemeiner Auffassung auch von einer Personenhandelsgesellschaft oder Kapitalgesellschaft erklärt werden könne. Für den konkreten Fall bedeute das: In München gilt eine auf zehn Jahre verlängerte Sperrfrist; diese begann vorliegend mit dem Eigentumserwerb der Kläger im März 2017 und war bei Zugang der Eigenbedarfskündigung im September 2022 noch nicht abgelaufen. Die Kündigung war daher unwirksam.
Der BGH zieht hier eine klare Trennlinie für den Start der Kündigungssperrfrist bei Umwandlungen und trägt damit einen wichtigen Teil zur Rechtsklarheit bei: Die vorgezogene Anknüpfung des Fristbeginns bleibt strikt den Konstellationen des sog. „Münchener Modells“ „vorbehalten“ – also Konstellationen mit Erwerb durch GbR oder Miteigentümergemeinschaft – und erfasst Personenhandelsgesellschaften wie die GmbH & Co. KG gerade nicht. Für Erwerber bedeutet das: Der Fristlauf ist sorgfältig und einzelfallbezogen zu prüfen; wer vorschnell wegen Eigenbedarfs kündigt, riskiert eine ins Leere gehende Kündigung.
Bemerkenswert ist zudem, dass der BGH damit ausdrücklich gegen die überwiegende Auffassung im mietrechtlichen Schrifttum Stellung bezieht und den Mieterschutz in Deutschland abermals stärkt. Praktisch führt dies zwar selten zur endgültigen Verhinderung, wohl aber regelmäßig zur zeitlichen Verzögerung von Eigenbedarfskündigungen