28.12.2021
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Karlsruhe
24.02.2021
7 U 109/20 (nicht rechtskräftig)
NJW 2021, 945
Die Beklagte wird von der Klägerin auf Zahlung der Miete für Gewerberäume im April 2020 in Anspruch genommen. Aufgrund § 4 Abs. 1 Nr. 12 der einschlägigen Corona-Verordnung vom 17.03.2020 war die in den Gewerberäumen betriebene Filiale vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 geschlossen.
Das Gericht gab der Klage der Klägerin statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Miete sowie zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. In der Berufung nimmt die Beklagte Bezug auf ein Urteil vom LG München I vom 22.09.2020, indem sie von einem Mangel der Mietsache ausgehe, der zur Minderung der Miete um bis zu 100% führe.
Die Berufung blieb erfolglos.
Das LG habe die Voraussetzungen der Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 BGB zutreffend verneint. Die Miete wird demnach kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein Mangel ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Dieser Zustand bestimmt sich vorwiegend nach den Beschaffenheitsvereinbarungen. Fehlen Abreden der Parteien bestimmt sich der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung. Beeinträchtigungen des vertraglichen Gebrauchs eines gewerblichen Mietverhältnisses, die sich während des Mietverhältnisses aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen ergeben, können nachträglich einen Mangel nach § 536 Abs. 1 BGB begründen.
Eine gesetzgeberische Maßnahme könne jedoch nur dann einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB begründen, wenn die durch die Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Der Senat verlangt mithin einen Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung für die Annahme eines Mangels des Mietobjekts. Das Verwendungsrisiko der Mietsache, was vor allem auch die Gewinnerzielung einschließt, trage grundsätzlich der Mieter. Durch die behördliche Nutzungseinschränkung sei das streitgegenständliche Mietobjekt mithin nicht als mangelhaft i.S.v. § 536 BGB anzusehen.
Darüber hinaus habe das LG auch zutreffend verneint, dass die Leistung der Klägerin unmöglich sei, mit der Folge, dass auch die Gegenleistung der Beklagten entfallen würde. Die Klägerin sei gesetzlich verpflichtet gewesen, die Mieträume während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der der Beklagten die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Die Gewerberäume seien zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs während der angeordneten Schließung grundsätzlich brauchbar gewesen. Die tatsächliche Nichtnutzbarkeit aufgrund der behördlichen Schließung falle in das Verwendungsrisiko des Mieters.
Darüber hinaus komme auch keine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Das Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage werde grundsätzlich vermutet (Art. 240 § 7 EGBGB), wobei Unsicherheiten beseitigt und die außergerichtliche Verhandlungsposition des Gewerberaummieters gestärkt werden sollte. Es handele sich dabei um eine widerlegliche Vermutung, welche nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB gelte. Nicht erfasst werde das Merkmal, dass es dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zuzumuten ist, am unveränderten Vertrag festzuhalten. Die Unzumutbarkeit sei dabei aus dem Vergleich von Schuldneraufwand und Leistungserfolg zu bestimmen. Eine Inanspruchnahme der Beklagten, die zur Vernichtung der Existenz führen würde, wäre beispielsweise eine unzumutbare Aufwendung der Beklagten. Eine nachvollziehbare Existenzbedrohung, wenn die Miete für den April 2020 bezahlt werden würde, habe die Beklagte jedoch nicht darlegen können. Das Gericht weist auch darauf hin, dass bei der Beurteilung nicht nur Umsatzeinbußen in den von der Schließung betroffenen Monaten betrachtet werden können, sondern auch dass staatliche Hilfen in die Abwägung mit einzubeziehen sind.
Überzeugend sei auch nicht die Argumentation der Beklagten, eine hälftige Teilung des Risikos und damit eine hälftige Teilung der Miete anzunehmen, weil keine der Parteien die Pandemie und ihre Folgen vorhersehen konnte. Die Unzumutbarkeit sei auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls zu bewerten und nicht auf Grundlage einer pauschalisierten Darstellung.
Mangels Darlegung der Unzumutbarkeit der Zahlung der Miete für den Monat April 2020 kann die Berufung daher keinen Erfolg haben.
In der Vergangenheit kam es oftmals zu Schließungen aufgrund von gesetzgeberischen Anordnungen. Solchen Maßnahmen fehlt es am unmittelbaren Objektbezug, sodass die Nutzungsbeeinträchtigung nicht als Mangel i.S.v. § 536 BGB anzusehen ist. Vielmehr fallen pandemiebedingte Schließungen wie im vorliegenden Fall in das Verwendungsrisiko des Mieters, was eine Minderung kraft Gesetzes ausschließt. Sollte die beklagte Partei eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag beweisen wollen, sollten ausreichende Beweise einer existenzbedrohenden Lage durch die Zahlung des streitigen Mietzinses dargelegt werden. Dabei reicht die Darlegung von Umsatzeinbußen im streitigen Zeitraum allein nicht aus, da auch weitere Faktoren in die Bewertung mit einbezogen werden. Darunter fallen beispielsweise staatliche Hilfen und auch die Umsätze in den Vor- und Folgemonaten.
Die Revision ist beim BGH unter dem Az. XII ZR 15/21 anhängig.